"O, say can you see, by the dawn’s early light …"
Der gesellschaftliche Absturz kommt in Amerika manchmal extrem schnell. Wenn auch selten so brutal wie bei diesen drei jungen Frauen aus Texas. Super Bowl 37 im Januar 2003: Die Dixie Chicks, damals eine der populärsten Bands in Amerika mit Millionen von Fans, singen die Nationalhymne. Ein hohes Lied auf die amerikanische Flagge.
"Gave proof through the night that our flag was still there;
O say does that star-spangled banner yet wave
O'er the land of the free and the home of the brave?"
O say does that star-spangled banner yet wave
O'er the land of the free and the home of the brave?"
Dixie Chicks schämten sich für Präsident Bush
Aber wenige Wochen später das: Sängerin Natalie Maines relativiert bei einem Konzert in London den schönen Schein inszenierter Vaterlandsliebe.
"We are ashamed the president of the United States is from Texas."
Man schäme sich, dass George W. Bush auch aus Texas sei, der damals das Land in einen langen, blutigen Krieg im Nahen Osten hineintrieb.
Boykott, Zerstörung, Morddrohungen
Ein kurzer Satz der Kritik am Mann im Weißen Haus mit enormen Folgen: Zahlreiche Radiostationen boykottieren die Songs. Fans werfen ihre CDs in den Müll. In Louisiana macht jemand mit einer Dampfwalze die Alben platt. Es gibt Morddrohungen.
Was die Dixie Chicks Jahre später in ihrer Musik verarbeiten.
"And how in the world
Can the words that I said
Send somebody so over the edge
That they'd write me a letter
Saying that I better
Shut up and sing
Or my life will be over?"
Can the words that I said
Send somebody so over the edge
That they'd write me a letter
Saying that I better
Shut up and sing
Or my life will be over?"
Auf solche Schwierigkeiten sind Amerikas Sportler dieser Tage längst eingestellt. Darunter jene, die wie die schwarzen Football-Profis beim Abspielen der Hymne auf dem Knie stumm gegen Polizeigewalt protestieren. Nun sind sie die Zielscheibe des derzeitigen Präsidenten, Donald Trump, der sie bereits als Hurensöhne beschimpfte und am Dienstag in seiner Rede im Kongress meinte: Das Stehen während der Hymnen-Zeremonie sei erste Bürgerpflicht.
"… that’s why we proudly stand for the national anthem."
Sportler kritisieren Trump direkt
Allerdings hat sich die politische Landschaft in den USA in den letzten Jahren gewandelt. Anders als Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ist Trump kein Sympathieträger. Im Gegenteil: Er polarisiert gezielt und ist laut Umfrageergebnissen der unpopulärste Präsident aller Zeiten.
Auch unter Sportlern, die seine Attacken auf Minderheiten und Einwanderer deutlich kritisieren.
Gregg Popovich, Erfolgstrainer der San Antonio Spurs in der NBA, ging neulich so weit und sagte: "Dieser Mann ist ein seelenloser Feigling, der andere heruntermacht, um sich groß zu fühlen."
LeBron James redete Trump respektlos in einem Tweet mit "You bum" - "Du Penner" an und erklärte in einem Video, weshalb:
"Der Mann, dem wir diese Aufgabe übertragen haben, versucht schon wieder, uns auseinanderzutreiben und nutzt den Sport als Plattform".
Lindsey Vonn würde nicht zum Empfang ins Weiße Haus gehen
Weshalb auch andere Sportler nicht schweigen. Skifahrern Lindsey Vonn äußerte sich als erste aus dem Kreis der Olympiateilnehmer im Dezember in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN:
"Ich repräsentiere die Vereinigten Staaten, nicht den Präsidenten. Ich nehme Olympia sehr ernst und was es bedeutet, mit der Flagge einzulaufen. Ich will unser Land angemessen vertreten. Etwas, was derzeit in unserer Regierung nicht so viele Leute tun."
Würde sie als Olympiasiegerin eine Einladung ins Weiße Haus annehmen?
"Auf gar keinen Fall. Nein, ich würde nicht hingehen."
Mittlerweile meldeten sich andere zu Wort. Wie etwa Freestyle-Skifahrer Gus Kenworthy, der erste seiner Zunft, der offen mit seiner Homosexualität umgeht. Er wisse zwar nicht, welche Form ein eventueller Protest bei Olympia haben werde. "Aber dass es passiert, da bin ich mir sicher", sagte er.
Vielleicht bleibt es nur bei einer Politik der Nadelstiche. In der Art, wie es der ebenfalls schwule Eiskunstläufer Adam Rippon mit Vize-Präsident Mike Pence vor hat. Dieser wird offiziell die amerikanische Delegation in Korea anführen. Rippon ließ kürzlich in der Zeitung "USA Today" wissen: Dem Mann, der Geld für die Therapie ausgegeben habe, mit der man versuche, Homosexuelle in Heterosexuelle zu verwandeln, dem wolle er bei Olympia gar nicht erst begegnen.
Fokus auf sportliche Leistungen und nicht den politischen Schlagabtausch
Aber an einer weiteren Eskalation war er nicht interessiert. "Ich versuche gerade, für den wichtigsten Wettbewerb zu trainieren, an dem ich jemals teilgenommen habe", sagte Rippon. "Und nicht, einen Schlagabtausch mit dem Vize-Präsidenten der Vereinigten Staaten vom Zaun zu brechen."
Lindsey Vonn verzichtet auf weitere Erklärungen, seitdem sie vor dem Jahresende auf Instagram zu den Reaktionen schrieb: "Meine Kommentare neulich haben mir gezeigt, wie gespalten wir zur Zeit sind." Und: "Es tut weh, wenn man liest, dass Leute hoffen, dass ich mir den Hals breche. Oder dass mich Gott dafür bestrafen soll, dass ich gegen Trump bin."
Von den Dixie Chicks kann man übrigens lernen, mit derartigem Hass umzugehen. In dem man sich nicht unterkriegen und zum Schweigen bringen lässt.
"I'm not ready to make nice
I'm not ready to back down
I'm still mad as hell, and I don't have time
To go 'round and 'round and 'round
It's too late to make it right
I probably wouldn't if I could
'Cause I'm mad as hell
Can't bring myself to do what it is
You think I should…"
I'm not ready to back down
I'm still mad as hell, and I don't have time
To go 'round and 'round and 'round
It's too late to make it right
I probably wouldn't if I could
'Cause I'm mad as hell
Can't bring myself to do what it is
You think I should…"