Vor einer Woche hat ein Polizist in Kenosha in Wisconsin dem 29-jährigen Jacob Blake sieben Mal in den Rücken geschossen. Danach nahmen die Proteste von Sportlerinnen und Sportlern in den USA eine bislang nicht dagewesene Dimension an.
Als erste US-Profimannschaft hatten die Milwaukee Bucks in der vergangenen Woche ein Playoff-Spiel boykottiert und damit eine nie da gewesene Protestserie ausgelöst. Aus der WNBA (Frauen-Basketball), MLS (Fußball), MLB (Baseball) und - etwas verspätet der NHL (Eishockey) - hatten sich Teams und Spieler angeschlossen. Mannschaften aus der NFL (American Football) verzichteten auf ihr Training und selbst das Tennis-Masters in New York wurde einen Tag lang unterbrochen.
Der Literaturhistoriker Hans Ulrich Gumbrecht lebt seit Jahrzehnten in den USA und beschäftigt sich insbesondere mit der Rolle des Sports. Er sagte im Deutschlandfunk, dass sich inzwischen Verhandlungsmöglichkeiten für die Sportler ergeben hätten. In der NBA hatte es Diskussionen gegeben, ob die Saison überhaupt fortgesetzt werden sollte. Die Basketballer entschlossen sich schließlich weiterzuspielen. Sie bekamen von den Teambesitzern dafür unter anderem das Versprechen, dass - wo es möglich ist - die Stadien als Wahllokale bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 3. November genutzt werden.
Gumbrecht: Vermittlereffekt der Sportler
Gumbrecht, emeritierter Professor an der Stanford University in Kalifornien, erklärt sich die Einigung so: Die Basketball-Liga habe verstanden, "dass sie ihr Publikum, auf das sie angewiesen ist, verärgert, wenn sie nicht den nächsten politischen Schritt, den Athleten vorschlagen, akzeptiert." Dabei hätten wahrscheinlich nicht politische, sondern ökonomische Gründe eine Rolle gespielt.
Der Literaturhistoriker betont auch die Reichweite und den "Vermittlereffekt" der Sportler: "Ich kann mich mit ihm [LeBron James, Anm.d.Red.] nicht als Basketballer, aber politisch sehr leicht identifizieren. Und das ist ein Vorteil, eine Verstärkung sozusagen."
Gumbrecht: Trumps Kritik mit weniger Wucht
Für Gumbrecht ist auffällig, dass US-Präsident Donald Trump inzwischen zurückhaltender auf Sportler-Proteste reagiere. Das beweise, dass Trump "relativ gute Instinkte im Hinblick auf die Stimmungen im Land hat, dass dieser Präsident wahrgenommen hat, dass es für seine Wahlchancen nicht gut ist, wenn er allzu sehr gegen jemand, der heute die Rolle von Colin Kaepernick spielt, und gegen eine Liga, die sich verschoben hat, polemisiert." Das könne sich Trump nicht mehr leisten.
Gumbrecht hat die Hoffnung, "dass man in 20 Jahren dann auf diesen Sommer 2020 zurückblickt und sagt: Das war der Beginn von etwas Neuem."