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Sportmediziner zu vermehrten Coronafällen
"Internationale Spiele sollten abgesagt werden"

Internationale Spiele und Reisen seien die Hauptursache für die gestiegene Zahl von Coronafällen im Profisport, sagte Sportmediziner Andreas Nieß im Dlf. Er forderte, die Spielfrequenz zu senken und internationale Wettkämpfe abzusagen, um einen erneuten Lockdown im Profisport abzuwenden.

Andreas Nieß im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger im Länderspiel gegen die Tschechische Republik in Leipzig am 11.11.2020
Fußball-Nationalspieler Antonio Rüdiger im Spiel gegen Tschechien - Reisen zu internationalen Spielen sind nach Ansicht des Sportmediziners Andreas Nieß die Ursache für die vermehrten Coronafälle im Spitzensport (Pressebildagentur ULMER / picture alliance)
Ein Zeichen der Hoffnung - so hatte der Sport-Staatssekretär Stephan Mayer die Länderspiele deutscher Nationalmannschaften vergangene Woche im Deutschlandfunk genannt. Inzwischen sind sie eher ein Zeichen dafür, wie schwer das Coronavirus den Sport trifft.
Denn die Infektionen häufen sich. In der ukrainischen Nationalmannschaft hatte es vor dem Länderspiel gegen Deutschland fünf Fälle gegeben, bei der deutschen Handball-Nationalmannschaft vier und beim Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim sogar acht Infizierte.
11.11.2020, Länderspiele, Deutschland - Tschechien in Leipzig. Luca Waldschmidt von Deutschland in Aktion. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa 
Länderspielreisen als Signal in Zeiten der Corona-Pandemie
Trotz Kontaktbeschränkungen und Reisewarnungen finden Länder- und Europapokalspiele weiter statt. Sport-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) bezeichnet das im Dlf als "richtig". Zum einen gebe es Ausnahmen für Dienstreisen, zum anderen würden professionelle Hygienekonzepte umgesetzt.
Infektionzahlen hebeln Hygienekonzepte aus
Die Hygienekonzepte der Profiligen und Sportverbände hätten im Früjahr und Sommer noch gut funktionert. Die zügig steigenden Infektionszahlen in den vergangenen Wochen hätten das Konzept allerdings ausgehebelt, sagte nun Andreas Nieß, Ärztlicher Direktor der Abteilung Sportmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, im Deutschlandfunk.
Neben der höheren Spielfrequenz sieht Nieß vor allem die Abstellungen zu internationalen Spielen und zur Nationalmannschaft als Ursache für die rasant angestiegene Zahl an Corona-Infektionen, nicht nur im Fußball.
Bedingt durch die vermehrte Reisetätigkeit stoßen auch die entwickelten Infektionsschutzkonzepte an ihre Grenzen, sagte der Mediziner, der auch am Schutzkonzept für die Leichtathletik mitgearbeitet hatte. Es kämen Einflussfaktoren hinzu, die nicht mehr beeinflusst werden und gehandelt werden könnten.
Mit Abstand und Mundschutz auf der Tribüne: Die Ersatzbank vom SC Paderborn beim Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund.
Lückenhafte Kontrolle von Bundesliga-Hygienekonzept
Die Politik lobt das Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga. Bei mindestens elf Klubs aus der 1. und 2. Liga wird die Umsetzung aber nicht von externen Stellen wie Gesundheitsämtern kontrolliert. Stattdessen soll die Liga sich selbst kontrollieren – beantwortet dazu aber keine Fragen.
Nieß: "Internationale Spiele und Wettkämpfe absagen"
Um einen erneuten Lockdown im Profisport wie im Frühjahr zu verhindern, forderte der Sportmediziner deshalb, die Spielfrequenz senken und internationale Spiele und Wettkämpfe abzusagen. Eine andere Möglichkeit sei die Rückkehr zu Spieleclustern, wie etwa beim Finalturnier der Fußball-Champions-League: Mehrere Mannschaften an einem Ort, die zeitlich konzentriert ihre Spiele gegeneinander austragen, unter strenger Einhaltung der Quarantänebedingungen. Nach einer zweiwöchigen Trainingsphase würde sich dann das nächste Cluster anschließen.
Dies entspreche zwar nicht dem Ligabetrieb, räumte Nieß ein. Aber es sei ohnehin ein Fehler gewesen, ein Hygienekonzept einzuführen, auf der anderen Seite aber den Spielbetrieb nicht zu modifizieren. Dies gelte auch für andere Profiligen neben dem Fußball.
"Sonst fährt man gegen die Wand"
Nieß legte den Verantwortlichen in den Ligen und Verbänden nahe, ihre Hygienekonzepte an die gestiegenen Fallzahlen anzupassen:
"Das Argument, es hat in der Vergangenheit funktioniert, zieht nicht, angesichts der gestiegenen Zahlen. Man muss Anpassungen vornehmen, um den Weiterbetrieb zu gewährleisten. Sonst fährt man gegen die Wand und irgendwann gibt es gar keine Möglichkeit mehr, Wettkämpfe durchzuführen."