Die Fitness-Branche boomt. Seit 2007 hat sich die Anzahl der Mitgliedschaften in Fitnessstudios in Deutschland fast verdoppelt. Über zehn Millionen Mitglieder zählen sie hierzulande - drei Millionen mehr als alle deutschen Fußballvereine zusammen. Grundsätzlich eine positive Entwicklung, findet Gesundheitsexperte Achim Sam: "Wenn sich überhaupt mal jemand bewegt, muss man ja heutzutage schon fast glücklich sein. Wir haben eine Sitzkultur, wir arbeiten immer mehr im Büro und Sitzen ist ja im Prinzip das neue Rauchen - also vom Krankheitsrisiko her. Deshalb muss man eigentlich froh sein, dass die Menschen die Bereitschaft haben, sich mehr zu bewegen. Und deshalb kann man diesen Fitnesstrend auch nur begrüßen."
Halbwahrheiten schwer zu erkennen
Doch der Hype um einen gesunden Körper hat auch Tücken. Denn verlässliche Quellen zu den richtigen Trainingsmethoden und Ernährungstipps, sind nur schwer von Halbwahrheiten und Mythen zu unterscheiden - vor allem im Internet. Ob in Online-Blogs, Youtube-Kanälen oder den sozialen Medien, falsche Informationen werden von unwissenden Konsumenten häufig ohne zu hinterfragen für wahr gehalten, weiß Achim Sam auch aus eigener Erfahrung.
"Ich habe neulich gelesen, da hat jemand einen Teelöffel Zimt pro Mahlzeit empfohlen. Zimt enthält eine wahnsinnige Menge an Cumarin und Cumarin ist im Prinzip toxisch in hohen Dosierungen. Das heißt, man kann sich die Leber damit zerstören", sagt Sam. "Zimt hat Vorteile für die Insulinausschüttung, man braucht also nicht so viel Insulin. Es erhöht damit die Fettverbrennung, aber da reicht eine Messerspitze!" Und so können ursprünglich gut gemeinte Ernährungstipps aus reiner Unwissenheit plötzlich verheerende Auswirkungen haben.
Es gibt sogar absichtliche Fehlinformationen
Doch es gibt Fälle, da sind falsche Information innerhalb der Fitness-Branche sogar gewollt. Dahinter stecken wirtschaftliche Interessen, erklärt Bodybuilder Timo Pommerenck: "Es sind viele selbsternannte Experten unterwegs. Fitnesstrainer und Personaltrainer sind keine geschützten Begriffe, das kann sich jeder nennen. Ich kann morgen auch Personaltrainer sein, wenn ich möchte, und kann Leuten verhelfen, besser zu werden", sagt Pommerenck. "Ob das wirklich so ist und ob ich wirklich frei in meiner Meinung bin oder ob ich von jemand anderes beeinflusst werde, von einem Sponsor oder einer Firma, die dahinter steht, das kann ich als Außenstehender gar nicht beurteilen."
Und so besteht vor allem für junge Menschen und unerfahrene Sportlerinnen und Sportler die Gefahr, der Gesundheit zu schaden, statt sie zu fördern - durch falsches Training oder die falsche Ernährung.
Gesunde Ernährung das große Thema
Gesunde Sportler-Ernährung ist das große Thema auf der Fibo 2018. Ob ein alkoholfreies Proteinbier, Algen-Schokolade oder ein Energieriegel aus Insekten, Bio- und Naturprodukte sind angesagt und sollen bei der Fibo an die Frau und an den Mann gebracht werden. Doch kaum zu übersehen sind die riesigen Regale voll mit Nahrungsergänzungsmitteln: Proteinpulver für den schnelleren Muskelaufbau, Kreatin für eine bessere Energieversorgung der Muskulatur und höhere Leistungsfähigkeit – für Kraftsportler und Bodybuilder essentielle Dinge. Tim Schmidt ist Youtuber und selbst Vermarkter solcher sogenannten Supplements. Er meint, dass sogar Freizeitsportler auf sie zurückgreifen sollten.
"Für den allgemeinen Sportbetreibenden gibt es ein paar Basics, die gut und sinnvoll sind. Ein Gelenkprodukt, Kreatin hast du angesprochen, das sind Basic-Sachen. Die helfen jedem, auch für die allgemeine Fitness und Gesundheit. Und schlussendlich geht es ja jedem darum, für lange Zeit die Widerstände des Alltags überwinden zu können."
Sportwissenschaftler: Nahrungsergänzungsmittel überflüssig
Doch diese Meinung ist umstritten. Ernährungswissenschaftler Hans Braun von der Deutschen Sporthochschule Köln sagt, Nahrungsergänzungsmittel im Freizeitsportbereich seien unter normalen Bedingungen völlig überflüssig. "Wenn eine Person stoffwechselgesund ist, alle Nährstoffe gut resorbieren kann und auch alle Lebensmittel gut verträgt, dann gibt es erst Mal keinen Grund, dass hier ein Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden muss", sagt Braun. "Natürlich könnte man dann sagen, die Person hat eine schlechte Lebensmittelauswahl oder einen schlecht strukturierten Alltag, also eher ein organisatorisches Problem. Aber dann könnte man natürlich auch als Ernährungsberater helfen, die Ernährung zu optimieren. Das heißt also, es mag immer Gründe geben, aber es ist keine generelle Notwendigkeit. Wir können gesund und alt werden ohne Nahrungsergänzungsmittel."
Wer über die Fibo läuft, bekommt jedoch einen ganz anderen Eindruck vermittelt. Beinahe an jeder Ecke werden Nahrungsergänzungsmittel beworben - teilweise mit fragwürdigen Losungen. An vielen Ständen bekommt man ganze Tüten voll mit Supplements kostenlos zum Ausprobieren. Während Protein und Kreatin noch vergleichsweise harmlose Hilfsmittel für das Krafttraining sind, gibt es auch motivationssteigernde Aufputschmittel am Rande der Legalität. Dabei spielen auch anabole Substanzen eine Rolle, also Doping - beim professionellen Kraftsport ein offenes Geheimnis, weiß Youtuber Tim Schmidt.
"Das ist natürlich in dem Sport ein Thema. Wir würden niemals Doping bewerben oder befördern". Es ist eine Realität im Leistungssport, aber im Allgemeinen ein totgeschwiegenes Thema. Es ist natürlich klar, dass Menschen mit unglaublich viel Muskulatur diese dann unter bestimmten Umständen erlangt haben. Und das hat dann nicht unbedingt etwas mit Nahrungsergänzungsmitteln zu tun."
"Verantowrtungsvoller Umgang" als Phrase
Zwar fordern alle Hersteller Ihre Kunden dazu auf, verantwortungsvoll mit Ergänzungsmitteln sowie Stimulanzien umzugehen, doch wenn man sich auf der Fibo umschaut ist das wohl eher eine leere Phrase und keine ernstgemeinte Aufforderung. Wie Kamelle werden sämtliche Produkte unter den Besuchern verteilt - der Fitness-Boom und der Wunsch nach einem muskulösen Körper macht es schließlich möglich. Gesundheitsexperte Achim Sam ist sich sicher, dass sich schlussendlich aber die Hersteller und Produkte durchsetzen werden, die wirklich gut sind.
"Irgendwann muss man einfach mit Qualität glänzen und nicht nur durch ein gutes Aussehen. Das kristallisiert sich jetzt gerade heraus. Also wer hat wirklich etwas zu sagen und wer ist wirklich Meinungsbildner in einem bestimmten Bereich. Ich glaube, das wird auch die Zukunft sein."