Sechs Paar Schuhe schauen unter dem Tisch hervor, fünf davon Anzugtreter, Lederstiefel - und ein Paar weiße Turnschuhe, die nicht mehr ganz weiß sind. Sie gehören Andreas Biermann, einem ehemaligen Fußballprofi des Zweitligisten FC St. Pauli. Er ist bei der Diskussion über Burnout im Spitzensport zwischen den Wissenschaftlern und Sportpsychologen der Mann mit der Geschichte. Der Verbrannte. Biermann litt an Burnout, er versuchte zwei Mal, sich das Leben zu nehmen, schrieb ein Buch über seine Krankheit, verlor seinen Job - und bekam nie wieder einen Profi-Vertrag. Er fühlt sich noch heute alleingelassen von seinem Verein, den Mitspielern, dem System. Darum sitzt er hier, etwas hilflos.
"Ich hab immer noch ein Stück weit die Motivation, Aufklärung zu leisten. Ich weiß nicht, ob das heute jemandem geholfen hat oder nicht, aber fürs eigene Selbstverständnis, irgendwie nen Beitrag leisten zu können, tue ich das gerne."
Bei einer Studie der Stiftung Deutsche Sporthilfe im vergangenen Jahr gab jeder zehnte Profisportler an, unter Depressionen zu leiden oder gelitten zu haben. Bei Fußballern sind die Zahlen noch deutlicher: Jeder dritte Aktive hat laut einer nicht-repräsentativen Studie der Spielergewerkschaft Fifpro Depressionen oder Angstzustände. Viele Sportler fürchten, dass ihnen kein Job mehr angeboten wird, wenn sie ihre Erkrankung öffentlich thematisieren - wie bei Andreas Biermann geschehen.
Dem Sportler auf Augenhöhe begegnen
Der Verein "Mental gestärkt" vermittelt Ansprechpartner, die Spielergewerkschaft hat durchgesetzt, dass jedes Nachwuchsleistungszentrum im deutschen Fußball eine sportpsychologische Betreuung anbieten muss. Die Wirkung solcher Angebote ist abhängig vom Engagement Einzelner, besonders im Fußball. Und da, sagt Sportpsychologe Jürgen Beckmann, bewegt sich gerade etwas. Vor allem bei jüngeren, moderneren Trainern. Die wollen ihre Sportler immer noch zu Spitzenleistungen führen, aber behandeln sie als Menschen. Wie das aussieht? Beim FC Bayern zum Beispiel so:
"Die Spieler sitzen auf dem Rasen im Kreis und Pep Guardiola kommt dazu. Was hätte ein Trainer alten Schlags gemacht? Er hätte von außerhalb des Kreises diese Spieler angesprochen. Pep Guardiola geht in den Kreis und geht in die Hocke."
Und das ist schon einer der großen Unterschiede: Der moderne Trainer spricht die Sportler auf Augenhöhe an, als Personen - und bezieht sich selbst mit ein in den Kreis. Diese Entwicklung müsse genutzt werden, sagt Beckmann. Man weiß inzwischen, dass bei Nachwuchssportlern das Stress-Erleben noch einmal größer ist, als bei Erwachsenen. Je früher man deshalb mit der Bewusstseinsbildung beginnt, desto besser. Deshalb forscht das Team von Beckmann vor allem an den Faktoren, die eine Rolle spielen bei der Verarbeitung von Stress im Spitzensport.
"Und dann durch geeignete Trainingsmaßnahmen diese jungen Talente entsprechend schon früh aufzubauen, zu immunisieren für das, was auf sie zukommt."
...und den Nachwuchssportlern ein Umfeld und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es keine Schwäche ist, nach Hilfe zu fragen. Immer hoffend, dass sich die Welt um sie herum tatsächlich weiter in diese Richtung entwickelt.