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Corona-Krise
Wie Sportvereine den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken können

Nicht nur die gewalttätigen Demos gegen die Corona-Beschränkungen zeigen: Die Pandemie ist ein Stresstest für die Gesellschaft. Sportvereine könnten eine stabilisierende Wirkung haben, meint Torsten Abicht, Vereinsfunktionär aus Thüringen. Vielen würden aber die notwendigen Freiräume dafür fehlen.

Torsten Abicht im Gespräch mit Maximilian Rieger |
26.11.2020, Berlin. Umgedrehte Fussballtore stehen waehrend der Corona-Pandemie an einem diesigen Abend auf einem Sportplatz. Auf dem Vereinsgelaende wurde um diese Zeit normalerweise trainiert, aber der Teil-Lockdown hat den sportlichen Part des Vereinsleben stillgelegt. Foto: Wolfram Steinberg/dpa
Coronavirus - Berlin - leerer Sportplatz (picture alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
Der Sportverein als "soziale Tankstelle". Dieses Bild bemüht der Deutsche Olympische Sportbund seit Monaten, um die Bedeutung von Sportvereinen zu betonen, gerade während der Coronakrise.
Diese Rolle werde aber häufig überschätzt, findet Thorsten Abicht. Er ist Vorstandsvorsitzender des SV Blau-Weiß Greußen und auch Bürgermeister in der thüringischen Gemeinde mit ca. 4000 Einwohnern. Zudem hat er für den Landessportbund Thüringen Projekte zur Demokratieförderung in Sportvereinen geleitet.
Bei vielen Vereinen fehlt die notwendige Zeit
"Der Sportverein kann durchaus gewisse Effekte im Verständnis von Entscheidungsprozessen, im Verständnis des Demokratieprozesses auf seine Mitglieder haben", sagte Abicht im Deutschlandfunk. "Aber ich habe in den Projekten auch mitbekommen: Der Verein muss prinzipiell erst mal Freiräume für diese Themen haben. Das sehe ich in vielen Vereinen einfach nicht."
Die Ehrenamtlichen seien vor allem damit beschäftigt, den Spielbetrieb zu organisieren, Nachwuchsspieler und Trainer zu gewinnen und Geld zu akquirieren. "Und ohne Freiräume wird es schwer, auch eine gewisse Akzeptanz zu bekommen, dass man als Verein ein wichtiger Punkt in der Gesellschaft ist."
Vorstand muss Demokratie leben
Sportvereine sollten sich aber für Demokratie einsetzen, schon alleine, weil der Grundgedanke eines Vereins mit einer Mitgliederversammlung als höchstes Organ auch "absolut demokratisch" sei. "Aber das hängt natürlich auch immer von denen ab, die vorne stehen. Das heißt, dass der Vorstand dort dementsprechend auch Demokratie lebt, dass man die Gedanken und Interessen der Mitglieder aufnimmt."
Während Corona sei dies allerdings schwerer möglich, weil oftmals der direkte Kontakt fehle. Gerade bei der Diskussionen um Themen wie den Lockdown oder Impfungen sei der Einfluss von Sportvereinen daher beschränkt.
"Wenn man sich öfter treffen würde, dann könnte man auch Einfluss nehmen. Aber ist im Moment, wo es ja diese Kontaktbeschränkung gibt, kaum machbar", so Abicht – zumal die Akzeptanz der Maßnahmen auch etwas sehr individuelles sei und man als Außenstehender bei gefestigten Meinungen kaum Einfluss nehmen könne.
Politik könnte Vereine unterstützen
Trotzdem sei der Verein ein Ort, an dem über die Politik und die derzeitigen Maßnahmen gesprochen werde. "Das wichtige ist ja, dass man sich darüber austauscht", meint Abicht. Dementsprechend erhofft sich Abicht, dass die Vereine langfristig weiter als Ort der Demokratie unterstützt werde.
Einmal durch Wertschätzung durch die Politik, aber auch durch ganz praktische Hilfen wie zum Beispiel bei den Sportstätten. Dies könnte die Vereine entlasten, um sich dann um soziale Probleme besser kümmern zu können.