Sonntagmorgen 10:30 Uhr am Mainbogen zwischen Frankfurt und Offenbach. Der Doppelvierer mit Steuerfrau im Heck ist startklar und wird an den äußeren Rudern von zwei Frauen auf dem Steg vorsichtig Richtung Flussmitte gedrückt. Konrad Eberl kommentiert:
"Dann kommt hinten das Kommando 'Fertig-los!' und dann schön gleichmäßig. Rudern ist ein absoluter Teamsport. Das heißt, alle im Boot sind gleich und einer hat das Kommando - oder eine."
Papierkra und Rasen mähen
Konrad Eberl ist ehrenamtlicher Bootswart und Leiter der Abteilung Rudern im Offenbacher Ruderverein 1874.
"Und da fängt das Ehrenamt ja schon an, es gibt jemanden, der steuert und er hat letztlich die Verantwortung für das Boot und da müssen Sie auch Leute hinbringen, dass sie sagen, sie übernehmen die Verantwortung. Das ist so ein bisschen der erste Schritt."
Weiter hinten auf dem Gelände des Offenbacher Rudervereins mähen zwei Ehrenämtler zwischen den Jollen und Motorbooten den Rasen. Das ist eher Muss und weniger Sport und Spaß, wie auch Papierkram oder ähnliches.
"Klar es schreien nicht alle hier, es können auch nicht alle. Man muss die Leute motivieren und man muss die Leute langsam ranführen an Ehrenamt."
Von alleine kommt niemand
Gerhard Wander steht neben ihm auf dem Rasen vor dem Anleger und nickt. Wander ist letztes Jahr zum Vereinsvorsitzenden des Rudervereins gewählt worden, der neben Ruder- und Segel eben auch eine Hockeyabteilung hat und das ist Wanders Leidenschaft. Als Vorstand hat er auch die anderen Freiwilligen im Blick.
"Die muss man wirklich, ich will nicht sagen behüten, aber man muss sie aufbauen. Es ist ganz, ganz selten dass jemand von alleine kommt und sagt, so ich kann übernehmen. Das ist sehr, sehr selten, in meiner fast 50-jährigen Tätigkeit im Hockeysport, ist das vielleicht zweimal passiert. Man muss hundert Leute Fragen und hat dann vielleicht einen."
Ein Leben lang in einem Verein? Das war einmal
Eberl und Wander, die sich als Vorstandsteam begreifen, sind sich einig: sich um Ehrenämtler kümmern, ist Führungsaufgabe. Das ist ihnen mit Unterstützung des hessischen Landessportbunds noch einmal klarer geworden. Wander ist 74 Jahre alt und seit über 50 Jahren in ein und demselben Verein aktiv. Ein Bund fürs Leben. Das war mal, sagt Christian Kaufmann vom hessischen Landesportbund.
"Heutzutage bleiben ehrenamtliche nicht mehr so lange in einem Sportverein engagiert."
Allein dadurch entstehen immer wieder Lücken bei den ehrenamtlichen Posten, das gilt insbesondere für Vorstände, Schiedsrichterinnen, Trainer. Obwohl in Hessen, wie in vielen anderen Bundesländern auch, die Zahl der Mitglieder in Sportvereinen wieder auf Vor-Pandemie-Niveau liegen, bleibt das Problem bei dauerhaften, verbindlichen Ehrenamtsposten akut, sagt Kaufmann. Zuständig für das Freiwilligenmanagement.
"Wir setzen jetzt auf Qualifizierung. Wir wollen Menschen dazu ausbilden, diese Aufgabe zu übernehmen, Freiwilligenarbeit und Ehrenamtlichkeit im Verein zu organisieren. Wir wollen unsere Vereine auch fit machen und begleiten für den gesellschaftlichen Wandel, den es gibt."
Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen und mehr Wertschätzung
Wo keine Leute sind, findet sich auch für den Posten des Ehrenamtsverantwortlichen niemand. Auf lange Sicht sei genau das aber wichtig, so Kaufmann. Kurzfristiger könne man für Vorstände den Arbeitswand überschaubarer gestalten. So wie im Offenbacher Ruderverein: Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen und in kleinere Projekte gliedern, sowieVerantwortlichkeiten nur für klar begrenzte Zeiträume vergeben, empfiehlt Kaufmann. Gefragt sind aber auch so genannte Softskills.
"Für mich ist das wichtigste ein Kulturwandel in den Vereinsstrukturen, um viele andere Schritte und Instrumente die wir schulen dann auch zur Wirkung zu bringen."
Wichtig sei mehr Wertschätzung. Dieser Ansatz spiegelt sich auch in zahlreichen Image-Kampagnen, die bundesweit das Ehrenamt bewerben. In Leipzig: Portraits von Helfern, Trainerinnen, Schiedsrichtern, die ganz prominent über die städtische Außenwerbung mit einem Danke dazu verbreitet werden.
Finanzielle Anreize und Ehrenamtskoordinatoren
Motivieren solche Kampagnen wirklich? Der Effekt sei nicht so einfach nachweisbar, aber der Versuch ist es Wert, sagt Christian Schricker von Landessportbund Sachsen.
"Uns wird nach wie vor signalisiert, dass die Ehrenamtler schwerer wieder zu mobilisieren sind insbesondere Übungsleiter Kampf und Schiedsrichter sind gerade ein brennendes Thema."
Die Lage in Hessen und in Sachsen ist ähnlich. In beiden Bundesländern fehlen Leute auf wichtigen Positionen. Deshalb gibt es auch in Sachsen, wie mittlerweile in vielen Bundesländern eine Engagement-Beratung. Und wie in Hessen werden auch in Sachsen nun Ehrenamtskoordinatoren ausgebildet. Manche Vereine setzen aber auch auf finanzielle Anreize. Auf mehr oder weniger gut bezahlte, staatlich finanzierte Mitarbeit.
"Der Bundesfreiwillgendienst ist sowohl für Jugendliche als auch für Ältere, das ist in Sachsen durchaus ein Thema."
Größere Vereine haben mittlerweile häufig eine bezahlte Geschäftsführung. Uwe Bodusch, Vorsitzender des Leipziger Postschwimmvereins, sagt dass es ohne finanzielle Entschädigung eigentlich nicht mehr geht.
Bezahlung spielt eine größere Rolle
Bodusch, Feuerwehrmann und Vorsitzender eines Vereins der auf Leistung setzt, ist schwer zu kriegen. Hier per Telefon am Rande der Deutschen Jugendmeisterschaften in Berlin zu hören, wo er mit den 15 Jugendlichen aus seinem Schwimmverein mitfiebert.
"Geld spielt eine größerer Rolle. In Leipzig hat vor zehn, 15 Jahren die Wohnung vier Euro pro Quadratmeter gekostet. Jetzt sind wir bei acht, neun Euro. So und die Gehälter haben sich nicht gesteigert."
Zumindest nicht in vergleichbarer Höhe und deshalb setzt sich Bodusch für erhöhte Aufwandsentschädigungen ein, für meistens studentische Übungsleiter.
"Und so müssen sie eben nicht zu Rewe an die Kasse gehen."
Vergütung ja oder nein? - Ein strittiges Thema im Freiwilligenmanagment. Im Leistungssport durchaus üblich im Freizeitbereich schwierig, findet Gerhald Wander, Vorsitzender des Rudervereins in Offenbach:
"Da kommt man einfach mit einem Beitrag, den ein Verein in so einer Stadt wie Offenbach, da kommt man dann mit den finanziellen Mitteln nicht hin. Wir haben 72 Euro für Jugendliche."
Mehr würde für manche den Zugang in den Sportverein erschweren. Vorstandskollege Konrad Erberl sieht Bezahlung prinzipiell kritisch.
"Aber es ist nicht das, was am Ende des Tages einen Verein am Leben erhält."