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Sprache als Waffe
"Der Begriff 'Asyltourismus' kann nur vergiften"

Innenminister Seehofer hat unter der Woche öffentlich das Wort "Asyltourismus" verwendet. Anatol Stefanowitsch kritisierte das scharf. "Alle Leute, die nach Deutschland kommen, werden so dargestellt, als seien sie nur zum Spaß hier", sagte der Sprachwissenschaftler im Dlf. Politiker hätten durch ihren Sprachgebrauch eine spezielle Macht.

Anatol Stefanowitsch im Gespräch mit Stephanie Rohde |
    Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch spricht am 06.05.2014 bei einer Keynote auf der Internetkonferenz Republica in Berlin. Auf der Veranstaltung werden vom 06.05.2014-08.05.2014 Vorträge über Themen rund um das Internet gehalten.
    Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch (dpa / Britta Pedersen)
    Innenminister Horst Seehofer hat am Mittwoch in der ARD-Talkshow "Maischberger" zum unionsinternen Asylstreit und der Zukunft der Regierungskoalition geäußert. Dabei gebrauchte er das Wort "Asyltourismus", woraufhin Moderatorin Sandra Maischberger den CSU-Chef zurecht wies.
    Nach einer kurzen Diskussion stecke Seehofer dann doch überraschend bereitwillig zurück: "Na gut, ich ziehe das Wort zurück."
    Begriffe breiten sich bis in Regierungskreise aus
    Für den Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch ist dies allerdings keine gute Entwicklung. Dass Politiker, die der Regierung angehören, einen Begriff öffentlich verwenden, bedeute, "dass ein gewisser Sprachgebrauch sich bis in die Regierung hinein ausgebreitet hat. Ohne das es Konsequenzen hat", sagte der Linguist im Dlf.
    "Der Begriff 'Asyltourismus' der kann zu keiner Klarheit beitragen, der kann nur vergiften. Denn dort werden zwei Konzepte, nämlich der Wunsch nach einem sicheren Zufluchtsort und die Idee einer Ferienreise, die man hauptsächlich zur Unterhaltung macht, die werden hier zusammengebracht."
    So würden alle Leute, die nach Deutschland kommen, so dargestellt, als seien sie nur zum Spaß hier, führte Stefanowitsch weiter aus.
    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
    Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) (imago stock&people)
    Verschärfung hat mit dem Erfolg der AfD zu tun
    Die aktuelle Welle der Verschärfung der öffentlichen Sprache habe sicher mit dem Erfolg der AfD zu tun. "Die habe damit ganz gezielt angefangen."
    "Jetzt gibt es andere Parteien, die irgendwie an diese Wählerschichten rankommen, wenn sie das nachmachen. Deswegen sehen wir zu dieser Zeit wieder diese Verrohung", sagte Stefanowitsch.
    So eine Entwicklung habe es in den neunziger Jahren schon einmal gegeben, als es eine starke asylbewerberfeindliche Stimmung gab. Heutzutage sei die Öffentlichkeit eine ganz andere. Durch die sozialen Medien werden Begriffe viel schneller Teil des öffentlichen Diskurses.
    Er beobachte auch eine Technisierung und Schönfärbung der Sprache. Stefanowitsch erwähnte dabei die Begriffe Ankerzentren oder Sekundärmigration. "Das sind alles so Begriffe, die sollen so tun, als ob es hier um reine Verwaltungsakte geht."
    Politiker hätten durch ihren Sprachgebrauch eine ganz spezielle Macht. "Wenn sich diese Bilder einmal festsetzen in unseren Köpfen, dann bestimmen die im Prinzip die Art, wie wir über etwas reden können."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.