Immerhin über den Wolken funktioniert die litauisch-polnische Zusammenarbeit gut. Im Rahmen der NATO-Mission "Baltic Air Policing" steigen immer wieder Kampfflugzeuge auf in Siauliai, Nordlitauen. Die Piloten überwachen den Luftraum über dem Baltikum. Polen, Litauer und Militärs aus anderen NATO-Ländern arbeiten hier Hand in Hand. Über Zerwürfnisse wurde, nach außen jedenfalls, bislang nichts bekannt. Unten auf dem Land dagegen geht es weniger einträchtig zu.
Eine Demonstration in der litauischen Hauptstadt Vilnius: Tausende Angehörige der polnischen Minderheit haben sich versammelt. Mit einer knappen Viertelmillion Menschen sind sie die größte Minderheitengruppe in Litauen noch vor den Russen. Die Demonstranten wehren sich gegen die jüngste Schulreform im Land. Die sieht vor, dass auch an polnischen Schulen verstärkt auf Litauisch unterrichtet und geprüft werden soll, etwa in Geschichte - so hat es die litauische Regierung gegen den Willen der polnischen Interessenvertreter durchgesetzt. Das treibt auch diesen Vater mit seinem Kind auf die Straße:
"Zu Hause unterhalten wir uns auf Polnisch, und es gab für mich da gar keine Frage: Meine Tochter schicke ich auf eine polnische Schule. Deswegen sind wir hier; die Regierung soll unsere Rechte achten." - "Das Schulgesetz ist diskriminierend. Wir müssen unseren Widerstand dagegen zeigen." - "Ich verstehe das alles nicht. Wozu soll es gut sein, nun auch Geschichte und Erdkunde auf Litauisch zu lernen? Dagegen protestieren wir."
Litauische Politiker dagegen finden es ganz normal, dass die Landessprache auch in Schulen der nationalen Minderheiten besser gepflegt, und nicht nur als Fremdsprache gelehrt wird. Valentinas Studys, Leiter des Kulturausschusses des litauischen Parlaments im litauischen Fernsehen:
"Die Staatssprache ist Teil der Verfassung. Sie ist kein Spielball der Politik oder Instrument irgendeiner Regierung, sie gehört zu diesem Land namens Litauen, ein demokratisch verfasstes Land, und den Leuten, die hier leben. Deswegen ist es unlauter, wenn hierüber die Emotionen entfacht werden."
Die Schulreform ist dabei lediglich ein Teil eines Dauerstreits, der sich an vielem entzündet - etwa an der Weigerung Litauens, wenigstens in den stark polnisch bewohnten Gebieten zweisprachige Schilder anzubringen. Neuester Zankapfel sind die Parlamentswahlen im Oktober: Der im Juli beschlossene Neuzuschnitt der Wahlkreise benachteiligt die Minderheiten, protestierte das Wahlbündnis der Polen in Litauen. Die OSZE-Wahlbeobachtungsmission griff diese Vorwürfe in einem ersten Zwischenbericht diese Woche indes nur vorsichtig auf und sprach von Anschuldigungen, empfiehlt aber, eine Kommission einzurichten, die die Rechte der Minderheiten bei den Wahlen im Blick hat.
Die Konflikte in Litauen beeinflussen auch das Verhältnis zwischen beiden Ländern. So liegt seit Jahren der Nachbarschaftsvertrag auf Eis - ein Unikum innerhalb der Europäischen Union. Der Warschauer Politikwissenschaftler Jerzy Haszczynski konstatiert:
"Die Beziehungen zwischen Polen und Litauen sind die schlechtesten innerhalb der EU, sowohl in Politik als auch in der Diplomatie. Es gibt sogar persönliche Animositäten zwischen den Außenministern Sikorski und Azubalis. Der Konflikt ist soweit eskaliert, dass man alsbald die Botschafter abziehen könnte."
Litauen gibt keinen Millimeter nach und auch auf polnischer Seite ist die Bereitschaft denkbar gering, die besonderen Befindlichkeiten des kleinen Nachbarlandes nachzuvollziehen. Dazu gehört die Erinnerung an die jahrzehntelange Zwangsmitgliedschaft in der Sowjetunion; damals waren die Litauer gezwungen, Russisch zu sprechen und zweisprachige Schilder aufzuhängen. Die Animositäten gegenüber Polen wiederum haben ihre eigene, lange Geschichte. Das gemeinsame polnisch-litauische Großreich in der frühen Neuzeit, in Polen als Union von Lublin gefeiert, führte zur raschen Polonisierung der litauischen Oberschicht. Entnervt von der Sackgasse, in die die Außenpolitik zum kleinen Nachbarn geraten ist, wünschte sich der polnische Außenamtschef Sikorski unlängst öffentlich einen "Reset-Knopf" für den Neustart der Beziehungen. Unrealistisch, so Politologe Haszczynski.
"Das würde einen Rückschritt um 18 Jahre bedeuten. Es muss uns klar sein, dass es Jahre dauern wird, die Lage zu entkrampfen. Die polnische Minderheit wird in Litauen als Bedrohung gesehen, wir haben das Ressentiment gegen Russland und die russische Sprache abgelöst, was ich allerdings für gestrig und absurd halte."
Eine Demonstration in der litauischen Hauptstadt Vilnius: Tausende Angehörige der polnischen Minderheit haben sich versammelt. Mit einer knappen Viertelmillion Menschen sind sie die größte Minderheitengruppe in Litauen noch vor den Russen. Die Demonstranten wehren sich gegen die jüngste Schulreform im Land. Die sieht vor, dass auch an polnischen Schulen verstärkt auf Litauisch unterrichtet und geprüft werden soll, etwa in Geschichte - so hat es die litauische Regierung gegen den Willen der polnischen Interessenvertreter durchgesetzt. Das treibt auch diesen Vater mit seinem Kind auf die Straße:
"Zu Hause unterhalten wir uns auf Polnisch, und es gab für mich da gar keine Frage: Meine Tochter schicke ich auf eine polnische Schule. Deswegen sind wir hier; die Regierung soll unsere Rechte achten." - "Das Schulgesetz ist diskriminierend. Wir müssen unseren Widerstand dagegen zeigen." - "Ich verstehe das alles nicht. Wozu soll es gut sein, nun auch Geschichte und Erdkunde auf Litauisch zu lernen? Dagegen protestieren wir."
Litauische Politiker dagegen finden es ganz normal, dass die Landessprache auch in Schulen der nationalen Minderheiten besser gepflegt, und nicht nur als Fremdsprache gelehrt wird. Valentinas Studys, Leiter des Kulturausschusses des litauischen Parlaments im litauischen Fernsehen:
"Die Staatssprache ist Teil der Verfassung. Sie ist kein Spielball der Politik oder Instrument irgendeiner Regierung, sie gehört zu diesem Land namens Litauen, ein demokratisch verfasstes Land, und den Leuten, die hier leben. Deswegen ist es unlauter, wenn hierüber die Emotionen entfacht werden."
Die Schulreform ist dabei lediglich ein Teil eines Dauerstreits, der sich an vielem entzündet - etwa an der Weigerung Litauens, wenigstens in den stark polnisch bewohnten Gebieten zweisprachige Schilder anzubringen. Neuester Zankapfel sind die Parlamentswahlen im Oktober: Der im Juli beschlossene Neuzuschnitt der Wahlkreise benachteiligt die Minderheiten, protestierte das Wahlbündnis der Polen in Litauen. Die OSZE-Wahlbeobachtungsmission griff diese Vorwürfe in einem ersten Zwischenbericht diese Woche indes nur vorsichtig auf und sprach von Anschuldigungen, empfiehlt aber, eine Kommission einzurichten, die die Rechte der Minderheiten bei den Wahlen im Blick hat.
Die Konflikte in Litauen beeinflussen auch das Verhältnis zwischen beiden Ländern. So liegt seit Jahren der Nachbarschaftsvertrag auf Eis - ein Unikum innerhalb der Europäischen Union. Der Warschauer Politikwissenschaftler Jerzy Haszczynski konstatiert:
"Die Beziehungen zwischen Polen und Litauen sind die schlechtesten innerhalb der EU, sowohl in Politik als auch in der Diplomatie. Es gibt sogar persönliche Animositäten zwischen den Außenministern Sikorski und Azubalis. Der Konflikt ist soweit eskaliert, dass man alsbald die Botschafter abziehen könnte."
Litauen gibt keinen Millimeter nach und auch auf polnischer Seite ist die Bereitschaft denkbar gering, die besonderen Befindlichkeiten des kleinen Nachbarlandes nachzuvollziehen. Dazu gehört die Erinnerung an die jahrzehntelange Zwangsmitgliedschaft in der Sowjetunion; damals waren die Litauer gezwungen, Russisch zu sprechen und zweisprachige Schilder aufzuhängen. Die Animositäten gegenüber Polen wiederum haben ihre eigene, lange Geschichte. Das gemeinsame polnisch-litauische Großreich in der frühen Neuzeit, in Polen als Union von Lublin gefeiert, führte zur raschen Polonisierung der litauischen Oberschicht. Entnervt von der Sackgasse, in die die Außenpolitik zum kleinen Nachbarn geraten ist, wünschte sich der polnische Außenamtschef Sikorski unlängst öffentlich einen "Reset-Knopf" für den Neustart der Beziehungen. Unrealistisch, so Politologe Haszczynski.
"Das würde einen Rückschritt um 18 Jahre bedeuten. Es muss uns klar sein, dass es Jahre dauern wird, die Lage zu entkrampfen. Die polnische Minderheit wird in Litauen als Bedrohung gesehen, wir haben das Ressentiment gegen Russland und die russische Sprache abgelöst, was ich allerdings für gestrig und absurd halte."