Überall in der Luft schwirrt es. Kleine Vögel mit orangenen Schnäbeln flitzen hin und her. Die Zebrafinken zwitschern was das Zeug hält. Mehr als nur piepen in den Ohren von Carel ten Cate, Professor für Verhaltens- und Kognitionsbiologie an der Uni im niederländischen Leiden.
"Singvögel sind sehr interessant, denn sie müssen lernen, sich zu vokalisieren. Das passiert in ähnlichen Zusammenhängen wie Menschen die Laute ihrer Muttersprache lernen: Sie wachsen in einer Familie auf, sie ahmen nach, was sie hören und sie lernen das sehr früh. Das ist wirklich gut vergleichbar mit dem, was bei Menschen passiert."
"Kinder machen nicht einfach irgendwelche Töne nach"
Nicht nur der Kontext, auch die zugrunde liegenden Mechanismen sind ähnlich. Darauf deuten Gemeinsamkeiten zwischen Vogelgesang und menschlicher Sprache hin. So kommen etwa bestimmte Motive in allen Gesängen von Zebrafinken vor. Andere sind seltener und charakteristisch für einzelne Tiere oder Gruppen. Auch bei Sprachen gibt es spezielle Laute wie etwa das englische "th" und universelle Laute wie "b" oder "a", die allen Sprache gemeinsam sind. Wenn Babys anfangen zu brabbeln, beginnen sie mit diesen universellen Lauten.
"Kinder machen nicht einfach irgendwelche Töne nach. Sie sind selektiv. Und genau das sieht man auch bei jungen Vögeln. Sie lernen nur die Gesänge ihrer Art. Und die Frage ist, wie kommt es dazu? Eine Möglichkeit ist, dass sie schon von Geburt an eine Veranlagung haben, bestimmten Tönen mehr Aufmerksamkeit zu schenken."
Eine Theorie, die Carel ten Cate und seine Kollegen genauer untersuchen wollten. Dafür ließen die Wissenschaftler Zebrafinken-Küken unter der alleinigen Obhut der Mutter aufwachsen. Weil nur die Männchen singen, hatten die Piepmätze keine Ahnung, wie richtiger Zebrafinken-Gesang klingen muss.
"Wenn sie in das Alter kommen, in dem sie anfangen würden zu singen, machen wir einen Präferenztest: Aus einem Lautsprecher hören sie Motive, die sehr oft in Zebrafinkengesängen vorkommen. Aus einem zweiten Motive, die selten sind. Normalerweise verbringen sie mehr Zeit an dem Lautsprecher mit den häufigen Motiven. Genau wie Babys haben sie also eine Veranlagung bestimmte Töne lieber zu mögen."
Diese angeborenen Vorlieben könnten den Zebrafinken-Küken dabei helfen ihren artspezifischen Gesang von dem anderer Vögel oder auch einer Motorsäge zu unterscheiden. Die Vorlieben der jungen Vögel ändern sich aber, sobald sie anfangen, sich die Lieder von Artgenossen abzuhören.
"Der einen Hälfte der Vögel haben wir dann Gesänge vorgespielt, die nur aus häufigen Motiven zusammengesetzt waren. Der anderen Hälfte solche, in denen nur seltene Gesangsmotive vorkamen. Am Anfang bevorzugten alle die Vögel die häufigen Motive. Nach einiger Zeit aber mochten die Vögel immer die Lieder am liebsten, die sie häufiger gehört hatten."
In den eigenen Liedern der Versuchsküken zeigte sich aber immer noch der Einfluss der ursprünglichen Vorlieben. Finken, die nur häufige Motive gehört hatten, ahmten diese in ihrem eigenen Gesang originalgetreu nach. Lieder von Vögeln, die mit seltenen Motiven groß geworden waren, wichen stärker von der Vorlage ab. Ergebnisse, die auch Rückschlüsse auf den Menschen zulassen, meint Carel ten Cate:
"Ich denke, diese Art von Forschung kann Aufschluss darüber geben, welche Prozesse am Laute-lernen beteiligt sind. Wenn man solche Parallelen findet, wie wir es getan haben, hilft das, die komplizierten Lernvorgänge, die im Menschen stattfinden, in ihre Einzelteile zu zerlegen."
Ein Ansatz, der allerdings auf die Grundlagen des Spracherwerbs beschränkt bleibt. Trotz aller Gemeinsamkeiten, Deutsch bleibt schwieriger zu lernen als Zebrafinkisch.