"Bedrückend, fatal, nicht nachzuvollziehen" so in etwa lauten die Kommentare der Schulleiter in Sachsen-Anhalt, weil man vielen – befristet eingestellten Sprachlehrern – am 31.12. den Laufpass gegeben hat. Ein Lehrermangel, der nun im neuen Jahr für bizarre Blüten sorgt. Zum Beispiel an der Reil-Schule in Halle, einer Sekundarschule. Hier bleiben am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien von ursprünglich vier Sprachlehrern nur noch zwei übrig. Weil sich einer von ihnen dann allerdings auch noch krank meldete, mussten viele Schüler wieder nach Hause geschickt werden.
Für die 58-jährige Schulleiterin Kerstin Hacker von der Magdeburger Grundschule Salbke kommt all das nicht überraschend. Auch ihrer einzigen Sprachlehrerin wurde der auslaufende Vertrag nicht verlängert. Obwohl ein knappes Viertel der über 200 Schülerinnen und Schüler Flüchtlinge sind.
"Wir empfinden das für unsere Schule auch eine sehr bedrückende Situation. Auch die Eltern. Wir kämpfen uns schon seit Monaten ziemlich mühselig durch."
Unbefriedigende Lösung: Klassen zusammenlegen
Sie könne zwar keine Schüler nach Hause schicken, aber sie überlege bereits, erzählt Schulleiterin Kerstin Hacker, mehrere Klassen zusammenzulegen oder die Schüler ohne Unterricht zu beschäftigen.
"Also wenn jemand krank wird, dann ist Land unter. Dann wird es ganz, ganz schwierig."
Denn ohne die Sprachlehrer, die ursprünglich als Quereinsteiger an die Schule kamen, habe sie keinen Puffer mehr, um Krankheitsfälle überhaupt noch zu kompensieren, so Schulleiterin Hacker weiter. Denn durch den Lehrer-Engpass wurden die Sprachlehrer auch als Vertretungslehrer im normalen Regel-Unterricht eingesetzt.
"Es leiden also sowohl die Flüchtlingskinder, als auch die deutschen Kinder darunter."
GEW-Landeschefin Eva Gerth schätzt, dass durch den Wegfall der Quereinsteiger pro Schultag etwa 800 Unterrichtsstunden ausfallen.
Dass nur noch 88 von den mehr als 180 befristet angestellten Sprachlehrern weiter arbeiten dürfen, bezeichnet der bildungspolitische Sprecher der Linken im Magdeburger Landtag, Thomas Lippmann als ein "vergiftetes Weihnachtsgeschenk für die Schulen". Gewerkschafterin Eva Gerth fordert:
"Die als Seiteneinsteiger kommen, die müssen wir versuchen zu halten, die müssen wir qualifizieren, um ihnen am Ende ein vollständiges Lehramt anzubieten. Und zwar ohne übermäßig große Formalien."
Im Schuljahr 2015/2016 gab es an den Schulen in Sachsen-Anhalt rund 8.000 Schüler mit Migrationshintergrund. Gerth rechnet vor, dass ein Deutsch-als-Fremdsprache-Lehrer in Sachsen-Anhalt dann in einer Klasse 58 Schüler unterrichten müsste.
Viele Kinder mit besonderem Förderbedarf
Sachsen-Anhalts CDU Bildungsminister Marco Tullner kann mit der Aufregung nichts anfangen. In einem Interview mit der "Magdeburger Volksstimme" sprach er von "Weltuntergangsszenarien". Und zu Lehrern als Quereinsteiger sagt er:
"Es gibt eben darunter auch Diplom-Landwirte und Diplom-Keramiker. Und bei allem Verständnis, in Schulen sollen möglichst Profis Unterricht machen. Und nicht jeder, der sich berufen fühlt, ist auch berufen an der Stelle."
Laut Schulleiterin Kerstin Hacker gab es früher gerade mal ein oder zwei Flüchtlinge an ihrer Schule. Seit 2015 sei die Zahl aber auf über 44 Kinder rasant gestiegen, sagt sie. Und das bei gleichbleibender Lehrerzahl. Integration sei so nicht zu schaffen.
"Ich brauche eine Lehrkraft, die sich nur um die Flüchtlingskinder kümmert. Im Grunde genommen ist eine Lehrerkraft zu wenig, weil die Kinder alle ein besonderen Förderbedarf haben."
Michael Rose vom Landeselternrat Sachsen-Anhalt kritisiert, dass man in der Landesregierung keinen Plan habe, wie man künftig mit dem Problem fehlender Sprachlehrer umgehen wolle.
"Also wir haben Gespräche geführt, wir haben nicht erkennen können, dass es klare Konzepte, klare Korridore gibt, was eingestellt werden kann an Sprachlehrern für Kinder mit Migrationshintergrund."
Noch bis Februar 2017 will das Land Sachsen-Anhalt 165 neue Lehrkräfte einstellen, die die Unterrichtsversorgung insgesamt über alle Fächer hinweg stabilisieren sollen. Nur, ob das in dieser kurzen Zeit zu schaffen ist? Viele Schulleiter Sachsen-Anhalts zweifeln daran, wie man in Gesprächen hört. Länder wie Berlin, Hessen oder Niedersachsen – wo Quereinsteiger dringend gesucht werden – reiben sich nun die Hände und freuen sich jetzt schon auf die bestens ausgebildeten Sprachlehrer aus Sachsen-Anhalt. Deutschlehrerin Stefanie Böttcher ist wütend, dass sie nicht in Magdeburg bleiben kann, weil ihr Vertrag nicht verlängert wurde.
"Ich mache gerade zwei Weiterbildungen, wo ich zwei Unterrichtserlaubnisse bekommen könnte, und dann schmeißt man das weg. Unverständlich. Absolut."