Man wüsste nicht, wie Monica Mason, Direktorin des Royal Ballet, den neuen dreiteiligen Abend ihrer Company hätte besser anlegen sollen. Dies ist die letzte Saison der südafrikanischen Tänzerin, die 1958 mit sechzehn Jahren als jüngstes Mitglied ins Corps de ballet engagiert wurde. Natürlich will Mason in ihrer Abschiedsspielzeit Abende zusammenstellen, deren repräsentativer Charakter deutlich macht, worin ihre Leistung als Direktorin des Royal Ballet seit 2002 bestanden haben mag. Also bat sie jetzt mit Christopher Wheeldon und Wayne McGregor jene zwei Choreographen um Beiträge, die von der nächsten Spielzeit an zur künstlerischen Leitung gehören werden – und die sie mit aufgebaut hat. Und indem sie den erst fünfundzwanzig Jahre alten Liam Scarlett des Royal Ballet einlud, ein erstes längeres Werk für die große Bühne zu entwerfen, versuchte sie einen Sprung in die Zukunft.
Analytisch betrachtet, vereint der Ballettabend drei Weisen des zeitgenössischen klassischen Tanzes, Perspektiven als Gegenwartskunst zu entwickeln. Christopher Wheeldons "Polyphonia", das der englische Tänzer-Choreograph 2001 für das New York City Ballet geschaffen hatte, zeigt vier Paare in neoklassischer Manier zu verschiedenen Klavierkompositionen von György Ligeti – wunderbare Musik für Tanz, mit der Wheeldon klug, vielleicht zu überlegt umgeht. Man sympathisiert mit seinem Ernst, man muss die musikalische Sensibilität achten, mit der Wheeldon an die schwierige, evokative Schroffheit Ligetis herangeht. Aber man ist nirgends verblüfft, nirgends befremdet, zu keinem Zeitpunkt passiert zwischen den Tänzern etwas Ungewöhnliches. Die violetten Trikots heben sich gegen Ende jeder Sequenz, wenn sich der Bühnenhimmel in jeweils anderen düsteren Tönen eindunkelt, noch lange von diesen wie vergifteten Farben ab. War Wheeldons Referenz an George Balanchine bis hin zur Ausstattung deutlich, so bewies "Polyphonia" doch, dass es als choreographische Idee nicht reicht, einfach gut mit einer Musik fertigzuwerden.
Liam Scarletts postdramatisches Handlungsballett "Sweet violets" versucht, den klassischen Tanz erneut als geeignetes Medium der Darstellung komplizierter Beziehungen und dunkler Begierden zu etablieren. Das gelingt nur bedingt. Wer nicht sehr genau die Geschichte der englischen Faszination für Mordfälle im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert kennt und ein Bewunderer der abgründigen Gemälde Walter Sickerts ist, könnte in diesem Szenario verlorengehen. Der Künstler selbst steht im Mittelpunkt, umgeben von Gehilfen, Varietétänzerinnen und Prostituierten und einem Premierminister Lord Salisbury, der einen auf Abwege geratenen Prinzen wieder einfängt. Scarlett spart nicht an männlicher Brutalität und genialer Widerlichkeit bis hin zu zwei Morden. Das Rohe, Heruntergekommene, aus dem das Kunstwerk seine magische Kraft zieht, porträtiert der Choreograph schonungslos. Das großartige Bühnenbild von John MacFarlane entwirft ein verwohntes, ärmliches Zimmer der Prostituierten und ein riesiges Atelier, und es schenkt Covent Garden auch einen phantastischen Blick auf eine Hinterbühne, über eine gleißende Lichtrampe hinweg in die Logen eines Theaters auf dem Theater hinein – hier sitzt Sickert und skizziert aus der Gasse heraus die tanzenden Mädchen. Rachmaninoffs Streichertrios passen in vielen Momenten sehr gut, galoppieren aber in der einen Stunde auch mitunter der Handlung davon und halten eigentlich in dieser Länge durchgängig gespielt auch nicht die Aufmerksamkeit beim Geschehen.
Nach diesen beiden, aus der Abstraktion Balanchines und dem Psycho-Drama Kenneth McMillans heraus entwickelten Werken kam am Ende Wayne McGregors auf der Verschmelzung des Tanzes mit der Popkultur basierendes "Carbon Life". Doch Mc Gregor, der hier live gespielte Rockmusik von Mark Ronson und Andrew Wyatt auffährt, der die charismatische Alison Mosshart singend um die Tänzer herumwandern lässt und am Ende als Haupt-Act Boy George auf die Bühne von Covent Garden zaubert, bleibt choreographisch einiges an Sexyness schuldig. Seine seltsam brave Schlaksigkeit können auch die hautfarbenen Slips, schwarzen Zipfelhauben und kniehohen Klotzstiefel des wilden britischen Modedesigners Gareth Pugh nicht indexfähig machen. Außerdem – anders als George Balanchine und Kenneth McMillan ist der britische Choreograph Michael Clark, der seine Ballett-Trikots mit Sicherheitsnadeln durchlöcherte und die sexuell eindeutigen Frechheiten des Punk dem Publikum bis zur Ohnmacht vorführte, noch höchst lebendig und kreativ. Es scheint, als beherrschten Choreographen heute alles um den Tanz herum – die Inszenierung, die Musik, das Licht, die Bühne - besser als die Kunst, in sich selbst zu schauen und nach Gründen, nach tänzerischen Motiven für ihr Tun zu suchen.
Analytisch betrachtet, vereint der Ballettabend drei Weisen des zeitgenössischen klassischen Tanzes, Perspektiven als Gegenwartskunst zu entwickeln. Christopher Wheeldons "Polyphonia", das der englische Tänzer-Choreograph 2001 für das New York City Ballet geschaffen hatte, zeigt vier Paare in neoklassischer Manier zu verschiedenen Klavierkompositionen von György Ligeti – wunderbare Musik für Tanz, mit der Wheeldon klug, vielleicht zu überlegt umgeht. Man sympathisiert mit seinem Ernst, man muss die musikalische Sensibilität achten, mit der Wheeldon an die schwierige, evokative Schroffheit Ligetis herangeht. Aber man ist nirgends verblüfft, nirgends befremdet, zu keinem Zeitpunkt passiert zwischen den Tänzern etwas Ungewöhnliches. Die violetten Trikots heben sich gegen Ende jeder Sequenz, wenn sich der Bühnenhimmel in jeweils anderen düsteren Tönen eindunkelt, noch lange von diesen wie vergifteten Farben ab. War Wheeldons Referenz an George Balanchine bis hin zur Ausstattung deutlich, so bewies "Polyphonia" doch, dass es als choreographische Idee nicht reicht, einfach gut mit einer Musik fertigzuwerden.
Liam Scarletts postdramatisches Handlungsballett "Sweet violets" versucht, den klassischen Tanz erneut als geeignetes Medium der Darstellung komplizierter Beziehungen und dunkler Begierden zu etablieren. Das gelingt nur bedingt. Wer nicht sehr genau die Geschichte der englischen Faszination für Mordfälle im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert kennt und ein Bewunderer der abgründigen Gemälde Walter Sickerts ist, könnte in diesem Szenario verlorengehen. Der Künstler selbst steht im Mittelpunkt, umgeben von Gehilfen, Varietétänzerinnen und Prostituierten und einem Premierminister Lord Salisbury, der einen auf Abwege geratenen Prinzen wieder einfängt. Scarlett spart nicht an männlicher Brutalität und genialer Widerlichkeit bis hin zu zwei Morden. Das Rohe, Heruntergekommene, aus dem das Kunstwerk seine magische Kraft zieht, porträtiert der Choreograph schonungslos. Das großartige Bühnenbild von John MacFarlane entwirft ein verwohntes, ärmliches Zimmer der Prostituierten und ein riesiges Atelier, und es schenkt Covent Garden auch einen phantastischen Blick auf eine Hinterbühne, über eine gleißende Lichtrampe hinweg in die Logen eines Theaters auf dem Theater hinein – hier sitzt Sickert und skizziert aus der Gasse heraus die tanzenden Mädchen. Rachmaninoffs Streichertrios passen in vielen Momenten sehr gut, galoppieren aber in der einen Stunde auch mitunter der Handlung davon und halten eigentlich in dieser Länge durchgängig gespielt auch nicht die Aufmerksamkeit beim Geschehen.
Nach diesen beiden, aus der Abstraktion Balanchines und dem Psycho-Drama Kenneth McMillans heraus entwickelten Werken kam am Ende Wayne McGregors auf der Verschmelzung des Tanzes mit der Popkultur basierendes "Carbon Life". Doch Mc Gregor, der hier live gespielte Rockmusik von Mark Ronson und Andrew Wyatt auffährt, der die charismatische Alison Mosshart singend um die Tänzer herumwandern lässt und am Ende als Haupt-Act Boy George auf die Bühne von Covent Garden zaubert, bleibt choreographisch einiges an Sexyness schuldig. Seine seltsam brave Schlaksigkeit können auch die hautfarbenen Slips, schwarzen Zipfelhauben und kniehohen Klotzstiefel des wilden britischen Modedesigners Gareth Pugh nicht indexfähig machen. Außerdem – anders als George Balanchine und Kenneth McMillan ist der britische Choreograph Michael Clark, der seine Ballett-Trikots mit Sicherheitsnadeln durchlöcherte und die sexuell eindeutigen Frechheiten des Punk dem Publikum bis zur Ohnmacht vorführte, noch höchst lebendig und kreativ. Es scheint, als beherrschten Choreographen heute alles um den Tanz herum – die Inszenierung, die Musik, das Licht, die Bühne - besser als die Kunst, in sich selbst zu schauen und nach Gründen, nach tänzerischen Motiven für ihr Tun zu suchen.