Spukhafte Fernwirkung. So bezeichnete Albert Einstein einst ein Phänomen, das er zwar ersonnen hatte, das ihm aber einiges Unbehagen bereitete – die Verschränkung, ein bizarres Quantenphänomen.
"Das Konzept geht in der Tat auf Einstein zurück: Sind zwei Teilchen miteinander verschränkt, herrscht zwischen ihnen eine Verbindung – egal, wie weit sie voneinander entfernt sind. Durch diese Verbindung können beide Teilchen merken, in welchem Zustand das jeweils andere gerade ist – eine spukhafte Fernwirkung eben", sagt Jian-Wei Pan, Physikprofessor an der Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik.
Zeitlebens hatte Einstein nicht an die Existenz dieser Fernwirkung geglaubt. Doch spätere Forschergenerationen sollten ihn eines Besseren belehren: Mit raffinierten Laserexperimenten konnten sie die Verschränkung von Lichtquanten nachweisen – zunächst im Labor über eine Strecke von ein paar Metern, später über Entfernungen von bis zu 100 Kilometern, und zwar per Glasfaser. Doch für noch größere Strecken wird's schwierig, denn "in Glasfasern gibt es Verluste. Dadurch gehen bei großen Entfernungen zu viele Photonen verloren, es kommen praktisch keine mehr an."
Hochmoderne Satellitenkommunikation
In Zahlen: Bei einer 1000 Kilometer langen Glasfaser müsste man Tausende von Jahren warten, um ein verschränktes Photon aufschnappen zu können. Deshalb setzen Pan und seine Kollegen auf ein anderes Konzept – die Satellitenkommunikation. Im Weltall nämlich können sich Lichtquanten ungehindert ausbreiten, nichts stört ihre Wege. Micius, so heißt der nach einem chinesischen Philosophen benannte Satellit, startete am 16. August 2016.
"Dieser Satellit hat eine Quelle für verschränkte Photonen an Bord: Es ist ein Laser, der Lichtstrahlen in einen Spezialkristall schickt. Dieser Kristall macht aus einem Photon zwei. Beide Photonen sind daraufhin miteinander verschränkt und werden zur Erde gelenkt, zu zwei Empfangsstationen, die 1200 Kilometer voneinander entfernt sind."
Ein technisch anspruchsvolles Unterfangen. So fliegt der Satellit ziemlich zügig über China hinweg. Die Folge: Nur einmal in jeder Nacht befindet er sich für gerade mal fünf Minuten im Blickfeld der beiden Bodenstationen.
Flexibles Lasersystem
"Wir mussten ein ausgefeiltes Lasersystem entwickeln, mit dem die Bodenstationen den Satelliten am Nachthimmel aufspüren und präzise genug verfolgen können. Außerdem haben wir, um störende Turbulenzen in der Atmosphäre auszugleichen, eine adaptive Optik entwickelt, die sich automatisch an Veränderungen anpasst. Nur so lässt sich eine stabile Verbindung zwischen den Bodenstationen und dem Satelliten im Weltraum aufrechterhalten."
Das Resultat: Die beiden Bodenstationen konnten Lichtquanten vom Satelliten aufschnappen und nachweisen, dass sie verschränkt sind, und zwar über eine Entfernung von 1200 Kilometern – Weltrekord.
"Wir haben es geschafft, ein Signal pro Sekunde aufzufangen. Das ist billionenfach mehr, als es bei einer Glasfaser-Übertragung über dieselbe Strecke wäre."
Abhörsichere Kommunikation per Satellit
Als nächstes wollen die Forscher die Technik nutzen, um einen sogenannten Quantenschlüssel zwischen Satellit und Erde hin- und herzuschicken. Das Besondere am Quantenschlüssel: Ein Lauscher kann ihn nicht unentdeckt abfangen und die Kommunikation abhören, das würde der Empfänger unweigerlich bemerken. Ein abhörsicheres Verfahren, das unter anderem für Firmen und Geheimdienste interessant wäre. Und Jian-Wei Pan arbeitet bereits an der Umsetzung in die Praxis:
"In Zukunft werden wir weitere Satelliten entwickeln. Die sollen die Erde dann auf einem höheren Orbit umkreisen. Dadurch würden sich die Satelliten nur nicht für fünf Minuten pro Nacht nutzen lassen, sondern den ganzen Tag lang. Die Idee ist ein weltumspannendes Netz an Quantensatelliten."
Fünf Satelliten dürften für so ein globales Quantennetz ausreichen, meint Pan – und glaubt, dass es schon in fünf Jahren über unseren Köpfen kreisen könnte.