"Der Krieg zwischen dem singhalesischen und dem tamilischen Volk ist noch nicht vorbei. Die Waffen schweigen, es wird nicht mehr gekämpft. Aber die Ursachen für den bewaffneten Kampf sind alle noch da
Die Einschusslöcher im Konferenzraum der Redaktion sind mit dicken, roten Kringeln umrandet. Als bleibende Mahnung. Der Überfall geschah am 2. Mai 2006 gegen halb acht abends. Damals tobte in Sri Lanka noch der Bürgerkrieg. Sieben bewaffnete Männer stürmten die Büros der Tageszeitung "Uthayan" in Jaffna im tamilischen Norden Sri Lankas. Zwei Menschen starben, drei wurden verletzt. Für Prem Anand, den leitenden Redakteur der größten tamilischen Zeitung Sri Lankas, ist die Vergangenheit noch immer sehr gegenwärtig.
"Die Kultur der Straflosigkeit existiert weiter. Wir sind in den vergangenen zehn Jahren mehr als 30 Mal angegriffen worden. Es gibt bis heute keine einzige Verhaftung. Niemand ist bestraft worden. Es gibt keine Untersuchung."
Regime-Gegner leben weiter gefährlich
Ermordet, verschleppt, vermisst, im Exil: Sri Lanka ist noch immer ein gefährliches Land für Journalisten und Regime-Gegner. Doch seit dem mörderischen Überfall ist viel passiert: Im Mai 2009 besiegte die Armee die tamilischen Befreiungstiger der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), die auch mit Selbstmordattentätern für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Insel gekämpft hatten. Die letzte Schlacht fand auf einem schmalen Küstenstreifen statt. Mehrere zehntausend Zivilisten saßen zum Schluss zwischen rücksichtslos kämpfenden Rebellen und Soldaten in der Falle. Viele verloren ihr Leben. Der Journalist Prem Anand sieht sich als Freiheitskämpfer mit Stift.
"Der Krieg zwischen dem singhalesischen und dem tamilischen Volk ist noch nicht vorbei. Die Waffen schweigen, es wird nicht mehr gekämpft. Aber die Ursachen für den bewaffneten Kampf sind alle noch da. Wir wollen nicht zum bewaffneten Kampf zurückkehren. Aber diese Regierungen, diese singhalesischen Chauvinisten meinen es nicht ernst. "
"Uthayan" - das ist tamilisch für "die aufgehende Sonne". Kaanamylnathan war der erste Chefredakteur der Zeitung. Seit dem mörderischen Angriff lebt der alte Mann in den Redaktionsräumen in Jaffna, um ein Zeichen zu setzen. Die internationale Medien-Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat ihn für seinen Kampf für die Meinungsfreiheit ausgezeichnet.
Krieg ohne Lösungsvorschlag beendet
Kaanamylnathan:
"Wir sprechen für das Volk. Wir veröffentlichen die Gräueltaten, die dem tamilischen Volk von den Regierungen Sri Lankas in den vergangenen drei Jahrzehnten zugefügt worden sind. Keine dieser Regierungen hat den Tamilen ihre fundamentalen demokratischen Rechte gewährt. Sie haben alle versucht, uns zu unterdrücken. Jede neue Regierung zeigt dem Ausland, dass sie alles für die Tamilen tut, aber das stimmt einfach nicht."
"Wir sprechen für das Volk. Wir veröffentlichen die Gräueltaten, die dem tamilischen Volk von den Regierungen Sri Lankas in den vergangenen drei Jahrzehnten zugefügt worden sind. Keine dieser Regierungen hat den Tamilen ihre fundamentalen demokratischen Rechte gewährt. Sie haben alle versucht, uns zu unterdrücken. Jede neue Regierung zeigt dem Ausland, dass sie alles für die Tamilen tut, aber das stimmt einfach nicht."
Kaanamylnathan klingt unversöhnlich – obwohl Sri Lanka vor einer historischen Versöhnungschance steht. Im Januar wählte die Insel-Bevölkerung mit Mahinda Rajapaksa den Mann aus dem Präsidentenpalast, der den Bürgerkrieg mit einer Vernichtungsschlacht beenden ließ, ohne eine politische Lösung anzubieten. Die Wähler bestraften Rajapaksa für Korruption, Vetternwirtschaft und Allmacht-Allüren. Sein Nachfolger, Präsident Maithripala Sirisena, hat versprochen, Sri Lanka zu demokratisieren. Am 17. August wird ein neues Parlament gewählt, an das Sirisena einen großen Teil der präsidialen Macht abgeben will.
Maithripala Sirisena:
"Ich möchte Sie nicht im Detail daran erinnern, was den Journalisten vorher in diesem Land passiert ist, wie die Medien unterdrückt wurden und wie die Pressefreiheit begraben wurde. Sie alle wissen, was passiert ist --- vor allem, als der Präsident begann, das Land alleine zu regieren. Doch in den letzten sechs Monaten gab es keine Attentate und kein Blutvergießen. Das Land ist jetzt friedlich und frei."
"Ich möchte Sie nicht im Detail daran erinnern, was den Journalisten vorher in diesem Land passiert ist, wie die Medien unterdrückt wurden und wie die Pressefreiheit begraben wurde. Sie alle wissen, was passiert ist --- vor allem, als der Präsident begann, das Land alleine zu regieren. Doch in den letzten sechs Monaten gab es keine Attentate und kein Blutvergießen. Das Land ist jetzt friedlich und frei."
Ohne die Stimmen der Tamilen hätte Sirisena die Präsidentschaftswahl im Januar nicht gewinnen können. Doch bei den Zeitungsmachern von Uthayan im tamilischen Norden Sri Lankas stößt er auf Skepsis. Prem Anand traut dem politischen Wandel nicht.
Singhalesen und Tamilen sind noch verfeindet
"Wir stehen hier weiter ständig unter Beobachtung. Wir Tamilen leben wie in einer besetzten Zone. Die Armee ist unser Gefängniswärter. Warum? Auch nach der Wahl von Präsident Maithripala Sirisena gibt es hier keine Anzeichen, dass die Armee-Einheiten in unseren Gebieten verkleinert werden. Da passiert einfach nichts."
Maithripala Sirisena stammt aus der gleichen Partei der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit wie der abgewählte Ex-Präsident. Die beiden waren enge Weggefährten, bevor sie Rivalen wurden. Präsident Sirisena versucht, eine Spaltung der gemeinsamen Partei zu verhindern, während der alte Machthaber Rajapaksa seine Rückkehr an die Macht vorbereitet. Er tritt bei den Parlamentswahlen an, um Premierminister zu werden. In seinen Wahlkampfauftritten schürt Rajapaksa die Angst vor der Rückkehr des Terrors.
Rajapaksa:
Rajapaksa:
"Wir denken frisch. Wir sind bereit, für unser Land zu kämpfen. Wir können es schaffen. Die anderen wollen eine Regierung bilden, in dem sie versprechen, den tamilischen Norden und Osten zu vereinen und uns vor das UN Kriegsverbrechertribunal zu stellen."
Sri Lankas Wähler müssen sich am 17. August entscheiden. Wollen sie, dass sich ihr Land weiter öffnet? Oder wollen sie, dass Sri Lanka ein Staat bleibt, in dem sich die Minderheiten der Mehrheit anpassen müssen? Prem Anand von der größten tamilischen Tageszeitung Uthayan wartet auf ein eindeutiges Zeichen der Versöhnung.
Prem Anand:
"Das war kein Krieg gegen die LTTE-Rebellen, wie die Regierung immer behauptet, sondern das war ein Krieg gegen die Tamilen. Alle Tamilen wurden bestraft. Das Problem ist doch: Wir sind die Minderheit. Wir haben den Krieg verloren. Wir leben in Angst. Die Mehrheit muss auf uns zugehen und uns Vertrauen schenken."
"Das war kein Krieg gegen die LTTE-Rebellen, wie die Regierung immer behauptet, sondern das war ein Krieg gegen die Tamilen. Alle Tamilen wurden bestraft. Das Problem ist doch: Wir sind die Minderheit. Wir haben den Krieg verloren. Wir leben in Angst. Die Mehrheit muss auf uns zugehen und uns Vertrauen schenken."
Vertrauen – das wäre für ihn die größtmögliche tamilische Autonomie in einem föderalen Staat. Doch das Vertrauen fehlt auf beiden Seiten. Im September, nach der Wahl, werden die Vereinten Nationen einen Bericht über die Kriegsverbrechen im sri-lankischen Bürgerkrieg veröffentlichen. Es geht um Verbrechen auf beiden Seiten, deren schonungslose Aufarbeitung die Voraussetzung für Vertrauen ist.