Was haben Sandro Wagner, Marek Hamšík, Axel Witsel und Carlos Tévez gemeinsam? Alle sind international bekannte Fußballstars, die sich während ihrer Karrieren dazu entschieden, nach China zu gehen. Es war nicht unbedingt die sportliche Herausforderung, sondern Geld, das sie in die Chinese Super League gelockt hat. Vor einigen Jahren gab die Regierung das Ziel aus, dass China bis 2050 zu einer Fußball-Supermacht aufsteigen soll. Prompt begannen die Vereine hohe Summen zu investieren. Sportökonom Simon Chadwick, der unter anderem in Shanghai lehrt, erinnert sich:
"Es gab diese Vision, aber keine Strategie. Aus meiner Sicht zeigte das Beispiel von Carlos Tévez, wie alles in die falsche Richtung ging. Er verdiente angeblich 750.000 Euro pro Woche. Als er nach dem Vertragsende nach Argentinien zurückkehrte, erzählte er allen, dass er zum Urlaub in China war. Der Fußballverband und die Regierung realisierten, dass diese Ausgaben nicht der Entwicklung des Sports dienlich waren."
Regierung will mehr Nachhaltigkeit
Nun die große Wende: Die Regierung von Xi Jingping möchte, dass der Fußball nachhaltiger wirtschaftet. Diese Aufforderung hängt unter anderem mit dem neuen Fünf-Jahres-Plan der Kommunistischen Partei zusammen. Die Machthaber in Peking streben wieder größere staatliche Kontrolle an und wollen die kommerziellen Interessen von Unternehmen einschränken.
Der Fußballverband reagierte umgehend mit drastischen Maßnahmen. Darunter auch folgende: Die Vereine, die in der Regel den Namen eines Sponsoren tragen, sollen sich unverzüglich umbenennen. Aus Guangzhou Evergrande wird Guangzhou FC, aus Jiangsu Suning wird Jiangsu FC, aus Tianjin TEDA wird Tianjin Tigers. Man muss wissen: Evergrande, Suning und TEDA sind bekannte Unternehmen in China. Das Vorgehen ruft bei Korrespondent Cameron Wilson Kopfschütteln hervor:
"Es ist so typisch für den chinesischen Fußball. Sie vollstrecken diese neue Regel auf eine extreme Art und Weise. Es gibt diesen psychischen Druck von Seiten des Verbands. Wenn gewisse Ansagen von oben kommen, folgt denen jeder. Wenn Xi Jingping etwas über die Nachhaltigkeit im Fußball sagt, ändert jeder sofort die internen Strukturen." Nach Jahren der immensen Kommerzialisierung folgt nun die große Entkommerzialisierung.
Fans protestieren gegen Einmischung des Staates
Aus europäischer Sicht wäre es nicht ungewöhnlich, würden sich Fans darüber freuen, dass der Einfluss von Unternehmen im Fußball minimiert wird. In China sind die Fans aber mit den alten Vereinsnamen aufgewachsen. Fangruppen aus Peking, Shanghai, Henan, Zhejiang und Tianjin schlossen sich deshalb kürzlich zusammen und protestierten gegen das radikale Vorgehen des Fußballverbands. An einigen Orten haben sie ihren Protest auf die Straße getragen.
Bei einer Kundgebung in Henan entrollten Fans ein Banner vor dem Stadion ihres Vereins. Darauf stand geschrieben: "Schande! Ihr seid Verräter des Fußballs. Ihr habt unsere Träume und unseren Glauben missbraucht." Ein aktiver Fan äußert sich im Gespräch mit dem Deutschlandfunk zur Willkür des Fußballverbands. Aus Angst vor Repressalien möchte er anonym bleiben und nur Joe genannt werden.
"Wir Fans glauben, dass dieses ganze Umbenennungsdrama nur geschieht, weil der Chef des Fußballverbands unbedingt Resultate vorzeigen möchte. Die fünf größten Ultragruppen schlossen sich deshalb zusammen, um gegen die Entscheidung des Verbands zu protestieren. Aber anschließend wurden wir, die den Protest organisierten, von der lokalen Polizei kontaktiert. Es wurde gesagt: Ihr könnt eure Meinung äußern, aber versammelt euch nicht öffentlich und macht keinen Ärger."
Joe ist aber nicht nur ob der staatlichen Eingriffe aufgebracht. Er ist besorgt, dass einige Vereine verschwinden werden. Auch Simon Chadwick glaubt, dass es in diesem fundamentalen Umbruch noch einige Opfer geben wird. "Wir erleben einen wirtschaftlichen und politisch motivierten Schrumpfungsprozess. Der wird weitergehen. Von jenen Vereinen, die übrig bleiben, wird erwartet, dass sie disziplinierter haushalten und sich zudem einem politischen Zweck unterwerfen."
Geht es nach dem Willen des Fußballverbands, sollen fortan nur sogenannte Bainianjulebu, also einhundertjährige Vereine, existieren. Doch die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass im chinesischen Fußball normalerweise nicht in solchen Dimensionen gedacht wird. Schon in ein paar Jahren könnte alles wieder ganz anders aussehen.