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Staat gegen Stadt

Das italienische Kulturministerium und die Stadt Florenz streiten um den Besitz von Michelangelos David. Der Staat will die Statue weltweit vermarkten - und die Einnahmen davon für sich behalten. Die Stadt dagegen will die Skulptur nicht hergeben - und das nicht nur wegen der Zerbrechlichkeit des Objekts.

Von Thomas Migge | 17.08.2010
    Der Reiseführer steht mit dem Rücken zum nackten Mann. Rund 30 US-Amerikaner staunen mit offenen Mündern und können sich nur mühsam zurückhalten, um keine Fotos zu machen – was strengstens verboten ist.

    Der David ist vielleicht Michelangelos beeindruckendste Skulptur. Geschaffen als Symbol einer freien und selbstbewussten Stadt zwischen 1501 und 1504. Seit 1871 gehört das Kunstwerk ganz offiziell Florenz -, und dass daran nichts zu rütteln ist, machte heute Bürgermeister Matteo Renzi deutlich.

    Der Bürgermeister am Telefon:

    "Ich glaube, die Experten im Ministerium haben nichts anderes zu tun, als solche Dinge zu behaupten. Als ob der David denen gehört. Ich kann mir schon denken, warum die auf eine solche Idee kommen. Da muss man ja nicht lange überlegen. David gehört uns, die Dokumente beweisen es."

    Dem Kulturministerium geht es um die Vermarktung nationaler Kunstschätze. Das sagt Kulturminister Sandro Bondi immer wieder ganz offen. Und was liegt da näher, als auch Michelangelos Plastik zum nationalen Eigentum zu erklären. Damit könnte der Staat über acht Millionen Euro verfügen, die die Statue allein durch die Eintrittsgelder einbringt. Hinzu käme der Verkauf von Rechten. Matteo Renzi:

    ""Es geht aber nicht nur um Geld, sondern um etwas ganz Prinzipielles: die Regierung in Rom denkt immer dann bundesstaatlich, wenn es ums Geld ausgeben geht. Dann werden Ausgaben auf die Regionen abgewälzt. Wenn es aber um Geldeinnahmen geht, dann behauptet die Regierung, dass alles ihr gehöre. Die Einnahmen aus den Eintrittskarten kassiert Rom aber für die Reinigung der Museen und für alles andere müssen wir aufkommen."
    Auch im Fall der "Bronzen von Riace" will Rom allein bestimmen. Die beiden über zwei Meter großen ungewöhnlich gut erhaltenen Bronzeskulpturen aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, 1972 aus dem italienischen Meer gefischt, stehen im Museum im kalabresischen Reggio Calabria – alles andere als eine touristische Gegend Süditaliens. Deshalb möchte das Kulturministerium die beiden Bronzen an internationale Ausstellungen verleihen. Zu Ausstellungen ins Ausland. Das bringt Geld in die klammen Kassen des Ministeriums. In Reggio Calabria findet man diese Idee gar nicht gut und verweist auf den Umstand, dass die Skulpturen der Stadt gehören. Aber es gibt noch einen anderen Grund um solche und andere berühmte Kunstwerke nicht aus den Händen zu geben: die Zerbrechlichkeit der Objekte.

    Wie vor allem im Fall Davids in Florenz, erklärt die Kunsthistorikerin und Restauratorin Anna Cemaglioni:

    ""Restaurieren: Das ist bei David ein Dauerthema, denn der Marmor, den Michelangelo nutzte, ist sehr porös. Schon so wie die Skulptur auf ihrem Podest im Museum steht, ist nicht ausgeschlossen, dass es zu weiteren Brüchen kommt. Jeder Gedanke eines Transports für Ausstellungszwecke, und wenn man damit noch soviel Geld einnehmen kann, ist vollkommen ausgeschlossen. Am Erhalt des Kunstwerks muss doch auch das Ministerium interessiert sein."
    Aber ist es das auch wirklich? Genau das ist die Frage – wenn man bedenkt, dass der Vorstoß des Ministeriums im Fall des David nur die Eisbergspitze eines neuen kulturpolitischen Kurses ist, bei dem es um die sogenannte Kommerzialisierung des italienischen Kulturguts geht. Schon jetzt werden historische Paläste und Museen, die dem Staat gehören, für Feste und andere Veranstaltungen gewinnbringend vermietet; nicht immer mit dem Plazet jener Kulturbeamten, die für den Erhalt und die Pflege dieser Räumlichkeiten verantwortlich sind – was Rom aber herzlich wenig interessiert.