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Staatsakt für verstorbenen Altbundespräsidenten
Gauck würdigt Scheel als "Glücksfall für Deutschland"

In Berlin ist mit einem Staatsakt Abschied vom ehemaligen Bundespräsidenten Walter Scheel genommen worden. Scheel war Ende August im Alter von 97 Jahren gestorben. Bundespräsident Joachim Gauck bezeichnete ihn als "Präsidenten der demokratischen Selbstvergewisserung". Er habe Deutschland "in entscheidenden Momenten Richtung gegeben".

    German President Joachim Gauck, left, delivers his speech near the coffin of former German President Walter Scheel during a state funeral service in Berlin 07 September 2016. Walter Scheel, who helped shape West Germany's policy of reconciliation with the communist bloc as foreign minister and later served as his country's president, died Aug. 24, 2016. He was 97. Photo: Markus Schreiber/dpa |
    Bundespräsident Joachim Gauck beim Staatsakt für Walter Scheel. (AP POOL)
    "Wir verneigen uns vor einem hoch geschätzten Bundespräsidenten, Bundesminister und prägendem Politiker," sagte Gauck. Er drückte der Familie Scheels sein "tief empfundendes Beileid" aus.
    Scheels Wirken habe Spuren hinterlassen - in Deutschland und darüber hinaus. Seine Karriere stehe beispielhaft für den erfolgreichen Neuanfang Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und die Neuorientierung der Bundesrepublik in den Sechzigerjahren, so Gauck. Bereits bei seiner Antrittsrede 1974 habe Scheel einen neuen Ton angeschlagen: "Er appellierte an die Bürger, ihren eigenen Kräften zu vertrauen. Und er sprach - ungewöhnlich für die Zeit - von der Liebe zu seinem Land."
    "Deutschen Institutionen Rückhalt gegeben"
    Scheel, der von 1974 bis 1979 der vierte Bundespräsident Deutschlands war, habe sein Amt in schwierigen Zeiten ausgeübt. Seine traurigste Aufgabe sei wohl die Rede bei der Trauerfeier für den von Terroristen ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer gewesen. Doch auch das habe Scheel gemeistert: "Er nutzte den Moment für ein leidenschaftliches Plädoyer für den Verfassungsstaat", so Gauck. Während des Deutschen Herbstes habe er mit ruhiger und besonnener Stimme den deutschen Institutionen den Rückhalt gegeben, den sie gebraucht hätten.
    Walter Scheel gestikuliert und schmunzelt, er trägt Jacket und Krawatte
    Altbundespräsident Walter Scheel starb am 24. August 2016. (dpa/Patrick Seeger)
    Frank-Walter Steinmeier (SPD), ein Nachfolger Scheels auf dem Posten des Außenministers, sagte, Scheel habe Deutschlands im Innersten geprägt. "Wir verlieren einen großen Deutschen und einen großen Europäer und trauern um einen großen Liberalen." Er bescheinigte Scheel Weitsicht, Risikobereitschaft und Mut. "Er war bereit, neue Wege einzuschlagen, auch wenn er wusste, dass sie steinig werden würden."
    "Ein Wegbereiter der deutschen Außenpolitik"
    Scheels Arbeit sei auch von einem feinsinnigen Humor gezeichnet gewesen, so Steinmeier. Dazu zitierte er eine Anekdote von Scheels erstem Tag als Bundesaußenminister im Jahr 1969. Damals habe der frisch gebackene Minister seinen Mitarbeitern gesagt: "Ich bin zwar dafür, diesen oder jenen Zopf abzuschneiden, aber ich habe mich immer peinlich davor gehütet, die ganze Frisur zu verderben. Das soll auch in unseren Beziehungen gelten."
    Unter Willy Brandt sei Scheel einer der Wegbereiter der deutschen Außenpolitik gewesen. Er habe dem Land auf dem Weg zur Wiedervereinigung geholfen: "Das wissen wir heute. Damals glaubten nur wenige an die Entspannungspolitik - für viele war das ein Tabubruch." Scheel hinterlasse ein großes politisches Vermächtnis. "Wir danken ihm dafür."
    Beisetzung in Berlin-Zehlendorf
    Auch der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt würdigte Scheels Wirken: "Er war ein bemerkenswerter Mensch - lebhaft, neugierig, herzlich und voller Zuversicht und Mut. Er packte an, um einem geschlagenen Land wieder auf die Beine zu helfen."
    An der Zeremonie in der Berliner Philharmonie nahmen neben Gauck, Steinmeier und Gerhardt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie weitere Vertreter von Politik und Gesellschaft teil. Mehr als 2.000 Gäste waren geladen. Scheel stand von 1974 bis 1979 als Präsident an der Staatsspitze.
    Von 1961 bis 1966 war Scheel der erste Entwicklungsminister in der Bundesrepublik, ab 1969 Außenminister in der sozialliberalen Koalition.
    Im Anschluss an den Staatsakt wurde Scheel in einem Ehrengrab auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf beigesetzt.
    (cvo/am)