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Staatsanwaltschaft ermittelt wieder
Todesfall auf der "Gorch Fock" wird neu aufgerollt

Die Kadettin Jenny Böken ging im Jahr 2008 auf der "Gorch Fock" über Bord. Jetzt wird der Fall um den Tod der jungen Frau wieder aufgerollt. Grund ist eine neue Zeugenaussage. Diese lässt laut Staatsanwaltschaft die Vermutung zu, dass Böken durch eine strafbare Handlung ums Leben kam.

Von Christian Nagel |
Das Segelschulschiff "Gorch Fock" bei der traditionellen Windjammerparade zur Kieler Woche.
Das Segelschulschiff "Gorch Fock" bei der Windjammerparade zur Kieler Woche 2015 (dpa / Carsten Rehder)
Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt wieder im Fall Jenny Böken. 2008 war die Offiziersanwärterin vom Segelschulschiff "Gorch Fock" in die Nordsee gestürzt und ertrunken. Ihre Leiche wurde elf Tage später entdeckt. Ein Jahr später wurde das Verfahren eingestellt. Die Anklagebehörde ging von einem Unglücksfall aus - doch jetzt soll wieder ermittelt werden.
Oberstaatsanwalt Axel Bieler: "Wir haben Ende April eine Zeugin vernommen. Diese Zeugin hat Angaben gemacht, die wir jetzt überprüfen wollen. Und wir versuchen, über diesen Weg an neue Erkenntnisse zu kommen. Um dies zu machen, haben wir nunmehr das Todesermittlungsverfahren wieder aufgemacht, das heißt, wir haben die Ermittlungen wieder aufgenommen, um die Umstände weiter aufklären zu können."
Zeugenaussage soll überprüft werden
Bei der Zeugin handelt es sich laut Bieler um eine Frau, die 2008 als Soldat bei der Bundeswehr war und sich danach einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat:
"Die Zeugin war allerdings nicht Angehörige der Marine und dementsprechend nicht auf der 'Gorch Fock'. Die Zeugin hat angeben, dass sie zum Zeitpunkt, als Jenny Böken an Bord der "Gorch Fock" war, Kontakt mit ihr hatte und hat auch Angaben zu diesem Kontakt gemacht. Und wir wollen jetzt diese Angaben weiter überprüfen um feststellen zu können, ob hier gegebenenfalls weitere Zeuginnen oder Zeugen zu vernehmen sind und, ob die damals gemachten Angaben weiterhin so bestehen bleiben können."
Die Aussagen der Zeugin beruhen laut Bieler aber im Wesentlichen auf Hörensagen und lassen laut Staatsanwaltschaft nur vermuten, dass Jenny Böken durch eine strafbare Handlung ums Leben kam - "aber wir wollen es auch nicht ausschließen. Insofern haben wir das Todesermittlungsverfahren wieder aufgenommen und versuchen eben alles Mögliche, um zu herauszubekommen, wie Jenny Böken über Bord gegangen ist."
2009 gab es laut Bieler keine Anhaltspunkte dafür, dass Jenny Böken Opfer eines Verbrechens wurde. Außerdem gab es nach seinen Angaben keine Zeugen, die im Zusammenhang mit dem Tod der 18-Jährigen standen.
Zeit - der größte Feind
Unklar ist laut Oberstaatsanwalt Bieler noch, ob die Ermittlungen zehn Jahre nach dem Tod der Offiziersanwärterin, am Ende neue Erkenntnisse bringen:
"Es ist immer sehr schwer Ermittlungen, die schon sehr lange andauern, zu einem glücklichen Ende zu führen. Aber es geht hier um den Tod eines Menschen. Und dementsprechend versuchen wir alle Möglichkeiten, diesen Tod aufzuklären. Es besteht immer die Chance, dass sich eine Person an etwas erinnert, was wir überprüfen können. Und dieses Indiz mag dann weiterführen. Sicherlich ist der Zeitablauf unser größter Feind."
Jenny Bökens Eltern hatten schon kurz nach dem Tod ihrer Tochter nicht an einen Unglücksfall geglaubt, sondern von Mord gesprochen. Aus ihrer Sicht gibt es viele Ungereimtheiten. Sie haben deshalb seit Jahren versucht, dass die Ermittlungen in dem Fall wieder aufgenommen werden. Auf dem Weg durch alle Instanzen waren sie zuletzt vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.