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Staatsbankett mit türkischem Präsidenten
Özdemir: "Erdogan muss mich aushalten"

Am Donnerstag beginnt der Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin. Er erhofft sich davon einen Neustart der Beziehungen zu Deutschland. Doch sein Besuch ist umstritten. Grünen-Politiker Cem Özdemir will am Staatsbankett teilnehmen - viele andere Abgeordnete nicht.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    Der türkische Präsident Erdogan hält in Ankara eine Rede, im Hintegrrund sind türkische Flaggen zu sehen
    Die Liste der Absagen für das gemeinsame Dinner mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan in Berlin ist lang (dpa / Pool Photo via AP)
    Ein Staatsbankett im Schloss Bellevue ist nicht nur feierliches Ritual, sondern zählt zu den höchsten Ehren, die der Bundespräsident einem Gast erweisen kann. Doch wie nah Stolz und Kränkung beieinander liegen, zeigt sich in der Liste der Absagen für das gemeinsame Dinner mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan. Dazu zählt auch der Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai. Er habe zwar nichts gegen einen Dialog, sagt der FDP-Politiker im Gespräch mit unserem Hauptstadtstudio:
    "Allerdings habe ich persönlich ein Problem damit, mit jemandem gemeinsam zu dinieren, während deutsche Staatsbürger in der Türkei in den Gefängnissen sitzen und wir auch tagtäglich beobachten, wie die Türkei sich von demokratischen westlichen Werten entfernt."
    Auch die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen sowie die gesamte Fraktions- und Parteispitze der Grünen wird am kommenden Freitagabend beim Staatsbankett fehlen. Anders Cem Özdemir. Der ehemalige Grünen-Vorsitzende zählt zwar seit Langem zu Erdogans schärfsten Kritikern, will aber gerade deshalb mit am Tisch sitzen. Ich will, sagt Özdemir heute im "Tagesspiegel", "dass Erdogan mich sehen und aushalten muss." Der frühere Außenminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel hält dagegen:
    "Wenn man glaubt, das 'Durchbeleidigen' von Staatsgästen würde dazu führen, dass die zu Hause freundlicher mit Inhaftierten aus Deutschland umgehen, dann, glaub ich, irrt man sich", so Gabriel gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio.
    Deutsch-türkische Beziehungen auf dem Tiefpunkt
    Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Sommer 2016 hatten die deutsch-türkischen Beziehungen einen Tiefpunkt erreicht, Nazi-Vergleiche machten am Bosporus die Runde, mehrere politische Gefangene mit deutschem Pass werden weiter in türkischen Gefängnissen festgehalten. Sigmar Gabriel hatte allerdings Anfang des Jahres als damaliger Außenminister die Freilassung des Journalisten Deniz Yücel erreicht. Wir müssen reden, sagt Gabriel auch jetzt wieder:
    "Ich finde es naiv zu glauben, wenn wir uns hier aufs moralische Ross setzen, wird die Welt besser. Sondern die Welt wird nur besser, wenn wir auch mit den schwierigen Menschen dieser Welt, mit denen reden."
    "Das ist natürlich ein Argument. Die Türkei ist ein wichtiger geostrategischer Partner", meint auch der FDP-Abgeordnete Djir-Sarai. Angesichts der zahlreichen kriegerischen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten dürfe der Dialog nicht abreißen. Auch das türkisch-europäische Flüchtlingsabkommen, durch das deutlich weniger Schutzsuchende bis nach Deutschland gelangen, wird immer wieder als Argument genannt.
    "Allerdings würde ich trotzdem nicht hingehen und den roten Teppich für ihn hinlegen und dementsprechend ein Staatsbankett geben oder militärische Ehren. Also eine Arbeitsebene, ein sachliches nüchternes Treffen würde völlig ausreichen."
    Wirtschaftsinteressen auf beiden Seiten
    Beide Seiten – Deutschland und die Türkei – sind zudem außerordentlich interessiert, ihre wirtschaftlichen Beziehungen intensiv auszubauen. Deutsche Unternehmen wollen sich gegen die drohende Konkurrenz aus China durchsetzen, und die Türken sehnen umgekehrt das Ende ihrer Wirtschafts- und Währungskrise herbei. Präsident Erdogan hofft zudem auf einen neuen Anlauf bei gleich drei seiner Herzensanliegen: Einer Vertiefung der Zollunion mit der EU, Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger, und neuer Schwung für die schwer belasteten EU-Beitrittsgespräche. Oppositionspolitiker Bijan Djir-Sarai erteilt allen drei Anliegen allerdings eine klare Absage:
    "Die Türkei ist nicht einmal ein zuverlässiger Partner innerhalb des Nato-Bündnisses. Das heißt, diese Beziehungen haben sich in den letzten Jahren negativ verändert. Deswegen könnte man in der jetzigen Situation über diese Schritte nicht nachdenken."
    Am Donnerstag beginnt der Staatsbesuch in Berlin. Am Samstag weiht Präsident Erdogan dann die größte deutsche Moschee in Köln ein, geführt von der Ditib, die möglicherweise vom Verfassungsschutz beobachtet werden soll.