Jochen Spengler: So schnell kann's gehen. Noch letzte Woche Donnerstag erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hier im Deutschlandfunk, dass er nicht damit rechne, dass Griechenland die in Aussicht gestellte Milliardenhilfe bald beantragen werde. Doch auch ein erfahrener Minister kann sich irren; schon einen Tag später bat Athen um Hilfe. In Berlin ist nun eine Debatte darüber entbrannt, ob und wie schnell man helfen solle.
Was ist richtig, Griechenland helfen oder nicht? Darüber wollen wir nun sprechen mit Markus Kerber, Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin und einer der Kläger gegen den Lissaboner Vertrag. Guten Morgen, Herr Kerber.
Markus Kerber: Guten Morgen!
Spengler: Zur Standortbestimmung eine kurze Frage vorweg. Sie sind kein Gegner der Europäischen Union oder des Euro?
Kerber: Nein, mitnichten. Mir liegt daran, dass die Europäische Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft weitergeführt wird und die Brüche, die aus diesem Griechenland-Debakel entstehen können, sie nicht zu einer Haftungsgemeinschaft werden lassen.
Spengler: Und Sie plädieren auch nicht für den Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone, für ein Zurück zur D-Mark?
Kerber: Nein. Das ist auch sicherlich von niemandem, der es ausspricht, ernsthaft gemeint. Jedenfalls kann ich mir keinen geschulten Makroökonomen vorstellen, der solche Vorschläge macht. Allerdings ist das eine Drohung und eine Option, die das Bundesverfassungsgericht in seiner berühmten Maastricht-Entscheidung 1993 als reale Politik hervorgehoben hat. Wenn das Ganze zum Debakel wird, muss Deutschland die Option haben, aus der Währungsunion auszuscheiden. Diese Frage stellt sich aber gegenwärtig nicht.
Spengler: Kommen wir zum Thema. Kredite von 45 Milliarden Euro stehen in Aussicht, 15 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds, 30 Milliarden Euro von den Euro-Partnern, davon mehr als acht Milliarden aus Deutschland, die Rede ist auch inzwischen schon von deutlich mehr. Bundesfinanzminister Schäuble sagt, es könne auch noch ein Nein geben. Glauben Sie das?
Kerber: Ich glaube, dass Herr Schäuble gar nicht mehr über seine Prognosen selbst sich im Klaren ist, denn er hat die Situation ja in Griechenland völlig falsch eingeschätzt, indem er noch vor kurzer Zeit die Wahrscheinlichkeit einer Hilfe fast ausgeschlossen hat. So sieht er auch den Finanzbedarf Griechenlands nicht sehr exakt. Wir haben nun gar keine verlässlichen Daten über Griechenland. Das ist das Phänomen, dass die Griechen, oder sagen wir die griechische Regierung, alle griechischen Regierungen mit der EU eine Schachpartie eröffnet haben, bei der sie doch wirtschaftlich sehr schwach sind und dennoch darauf hoffen, dass die Europäer beziehungsweise die Mitglieder der Euro-Zone sich nicht dazu durchringen, von Rettungsmaßnahmen abzusehen. Also: Die momentane Lageeinschätzung ist äußerst unklar und mit einer unklaren Lageeinschätzung sollte man mit Geldzahlungen sehr, sehr vorsichtig sein.
Spengler: Trotzdem noch mal die Frage: Halten Sie es für realistisch, dass es doch noch ein Nein zu den Finanzhilfen geben kann?
Kerber: Das halte ich nicht für realistisch.
Spengler: Mal angenommen, es käme doch noch dazu, es gäbe also keine rasche Hilfe für Griechenland. Jetzt sagen viele Fachleute, dass genau das die Zinsen weiter in die Höhe treiben werde, die Sanierung unlösbar machen werde und am Ende dann der ungeordnete Staatsbankrott stehen könnte, was dann wiederum die Zinsen für Portugal oder Spanien hochtreibe und am Ende auch Deutschland und seine Exportfähigkeit beeinträchtigen werde.
Kerber: Das sind Krisenszenarien, die muss man mit sehr viel Kritik und Distanz betrachten. Wir wissen halt nicht, wie die Zukunft sich entwickeln wird, aber wir können absehen, dass gegenwärtig die Märkte – seit geraumer Zeit bereits – das Risiko Griechenland zutreffender einschätzen, als sie es noch vor einem halben Jahr getan haben. Insofern kann man nicht davon sprechen, dass hier die Märkte kollabieren, sondern sie preisen das Risiko Griechenland stärker ein. Die Zinsbelastungen Griechenlands sind in der Tat erheblich und bislang hat Griechenland aufgrund der Politikzusagen immer noch Kredite am Markt bekommen und man sollte hier die Grenze auch noch weitertreiben. Sie wissen, es gibt kein geordnetes Staatsbankrottverfahren, insofern sind Staatsbankrotte immer einseitige Zahlungsverweigerungen. Was dann passiert, muss die griechische Regierung selbst verantworten. Der Staatsbankrott ist, geordnet oder nicht geordnet, eine Option sowohl für die Gläubigerländer als auch für das Schuldnerland.
Spengler: Eine Option, die Sie begrüßen würden?
Kerber: Ein Schrecken mit Ende ist manchmal besser als ein Schrecken ohne Ende. Ich glaube, ich habe gar nicht die Prognosefähigkeiten, der einen oder anderen Option eine Präferenz zu geben, aber in der Tat wäre ein Staatsbankrott Griechenlands nicht die schlechteste aller Möglichkeiten. Die schlechteste wäre die unendliche Verlängerung der Transfers und die Fortsetzung der Politik gegenüber Griechenland, die die EU bereits seit Eintritt Griechenlands in die Europäische Union führt, nämlich ungeheuere Transfersummen nach Griechenland zu schicken in unzähligen Töpfen, Regionalfonds, Agrarpolitik, Kohäsionsfonds. Die Europäische Union ist nicht mehr in der Lage zu beziffern, ob es 180 Milliarden sind, die die Griechen bekommen haben, oder 280 Milliarden, weil sie auch gar keine Kontrolle haben über die Gelder. Dies kann ein Fass ohne Boden werden und dies wäre die schlimmste aller Möglichkeiten, weil dann die gesamte Europäische Währungsunion, die ich unterstütze als Stabilitätsgemeinschaft, den Bach runtergeht.
Spengler: Nun ist ja wahrscheinlich, dass es zu dieser Hilfe weiterhin kommt. Die Kanzlerin sagt, diese Hilfe für Griechenland verstößt nicht gegen das EU-Recht. Stimmt das?
Kerber: Da liegt Frau Merkel gewiss falsch und der politische Wille ist größer als die juristische Einschätzung. Man hat eine Schummelpackung vorbereitet und versucht, durch bilaterale Kredite und die Kombination von Krediten mit dem Währungsfonds das Verbot, Staaten unter die Arme zu greifen, in Artikel 125 des EU-Vertrages zu umgehen. Die Frage ist, ob die Politik, oder die Bürgergesellschaft die Chancen ungenutzt lassen, dies zu kontrollieren. Ich bin der Meinung, man muss dies rechtlich kontrollieren, sowohl im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Nur dann bekommen wir Klarheit darüber, ob Regierungen wie die französische zu Beginn der Währungskrise beziehungsweise wegen der Griechenlandkrise die Befugnis haben, einen sogenannten Bail-out auszusprechen, also zu sagen, Griechenland wird nie Pleite gehen, denn dies ist eine Verfälschung des Wettbewerbs der Staaten um Kreditmittel. Genau das wollen die Bestimmungen der Währungsunion nicht. Frau Merkel liegt falsch. Die Frage ist, ob man das gerichtlich wird beweisen können.
Spengler: Wir sprechen mit Professor Markus Kerber, dem Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, der seinerzeit gegen den Lissabon-Vertrag geklagt hat. – Herr Kerber, planen Sie eine Klage gegen die Hilfe für Griechenland?
Kerber: Ich überlege diese.
Spengler: Wovon hängt das dann ab?
Kerber: Von der Weiterführung dieser Hilfe beziehungsweise von der Frage, ob man diese Hilfe jetzt nutzt, um drakonische Maßnahmen in Griechenland zu fordern, die Krise sozusagen nutzt, um die Chancen, die darin bestehen, auch für Griechenland wahrzunehmen – denn niemand hätte etwas gegen die Griechen, sondern ich habe nur große Vorbehalte gegen sämtliche griechische Regierungen -, ob es gelingt, diese Krise umzugestalten zu einer großen Chance für die Währungsunion, hieraus institutionell gestärkt hervorzugehen, dies als eine Einmalhilfe auszustatten, um Griechenland die Chance zu geben zu atmen, durchzuatmen und Anlauf zu nehmen für eine radikale Strukturreform im eigenen Lande. Ich stehe dem skeptisch gegenüber, aber die Chance muss man jedem Land geben. Wenn es dann dazu nicht kommt, wenn man merkt, es wird ein Fass ohne Boden, und dies stellt man relativ schnell fest, denn auch die Zahlen, die Griechenland zum Defizit jetzt geliefert hat, sind wieder nicht verlässlich, dann muss man in der Tat, wenn die Politik weiterhin nicht den Mut hat, Griechenland in den Bankrott gehen zu lassen, dagegen klagen.
Spengler: Man kann Griechenland nicht dazu zwingen, den Euro aufzugeben, aber es gibt Fachleute, die sagen, dass auch der freiwillige Austritt Athens aus der Euro-Zone für den Euro eine Katastrophe wäre. Was sagen Sie dazu?
Kerber: Eine Katastrophe ist es sicherlich nicht, wenn ein Randstaat mit elf Millionen Einwohnern und einer Volkswirtschaft, die in der Kompetitivität im Vergleich zu Deutschland seit Einführung des Euro 30 Prozent verloren hat, aus der Währungsunion austritt. Das sind Auguren, die hier Szenarien beschwören, die jenseits makroökonomischer Prognosen liegen. Der Verlust Griechenlands als Mitglied der Währungsunion wäre keine Katastrophe. Die große Katastrophe war der Eintritt Griechenlands aufgrund von gefälschten Zahlen, das Beibehalten dieses Fälschungssystems und Betrugssystems und die Kollaboration der europäischen Kommission mit Griechenland bei der Beschönigung der Zahlen.
Spengler: Professor Markus Kerber von der TU Berlin. Herzlichen Dank!
Kerber: Ich bedanke mich.
Was ist richtig, Griechenland helfen oder nicht? Darüber wollen wir nun sprechen mit Markus Kerber, Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin und einer der Kläger gegen den Lissaboner Vertrag. Guten Morgen, Herr Kerber.
Markus Kerber: Guten Morgen!
Spengler: Zur Standortbestimmung eine kurze Frage vorweg. Sie sind kein Gegner der Europäischen Union oder des Euro?
Kerber: Nein, mitnichten. Mir liegt daran, dass die Europäische Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft weitergeführt wird und die Brüche, die aus diesem Griechenland-Debakel entstehen können, sie nicht zu einer Haftungsgemeinschaft werden lassen.
Spengler: Und Sie plädieren auch nicht für den Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone, für ein Zurück zur D-Mark?
Kerber: Nein. Das ist auch sicherlich von niemandem, der es ausspricht, ernsthaft gemeint. Jedenfalls kann ich mir keinen geschulten Makroökonomen vorstellen, der solche Vorschläge macht. Allerdings ist das eine Drohung und eine Option, die das Bundesverfassungsgericht in seiner berühmten Maastricht-Entscheidung 1993 als reale Politik hervorgehoben hat. Wenn das Ganze zum Debakel wird, muss Deutschland die Option haben, aus der Währungsunion auszuscheiden. Diese Frage stellt sich aber gegenwärtig nicht.
Spengler: Kommen wir zum Thema. Kredite von 45 Milliarden Euro stehen in Aussicht, 15 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds, 30 Milliarden Euro von den Euro-Partnern, davon mehr als acht Milliarden aus Deutschland, die Rede ist auch inzwischen schon von deutlich mehr. Bundesfinanzminister Schäuble sagt, es könne auch noch ein Nein geben. Glauben Sie das?
Kerber: Ich glaube, dass Herr Schäuble gar nicht mehr über seine Prognosen selbst sich im Klaren ist, denn er hat die Situation ja in Griechenland völlig falsch eingeschätzt, indem er noch vor kurzer Zeit die Wahrscheinlichkeit einer Hilfe fast ausgeschlossen hat. So sieht er auch den Finanzbedarf Griechenlands nicht sehr exakt. Wir haben nun gar keine verlässlichen Daten über Griechenland. Das ist das Phänomen, dass die Griechen, oder sagen wir die griechische Regierung, alle griechischen Regierungen mit der EU eine Schachpartie eröffnet haben, bei der sie doch wirtschaftlich sehr schwach sind und dennoch darauf hoffen, dass die Europäer beziehungsweise die Mitglieder der Euro-Zone sich nicht dazu durchringen, von Rettungsmaßnahmen abzusehen. Also: Die momentane Lageeinschätzung ist äußerst unklar und mit einer unklaren Lageeinschätzung sollte man mit Geldzahlungen sehr, sehr vorsichtig sein.
Spengler: Trotzdem noch mal die Frage: Halten Sie es für realistisch, dass es doch noch ein Nein zu den Finanzhilfen geben kann?
Kerber: Das halte ich nicht für realistisch.
Spengler: Mal angenommen, es käme doch noch dazu, es gäbe also keine rasche Hilfe für Griechenland. Jetzt sagen viele Fachleute, dass genau das die Zinsen weiter in die Höhe treiben werde, die Sanierung unlösbar machen werde und am Ende dann der ungeordnete Staatsbankrott stehen könnte, was dann wiederum die Zinsen für Portugal oder Spanien hochtreibe und am Ende auch Deutschland und seine Exportfähigkeit beeinträchtigen werde.
Kerber: Das sind Krisenszenarien, die muss man mit sehr viel Kritik und Distanz betrachten. Wir wissen halt nicht, wie die Zukunft sich entwickeln wird, aber wir können absehen, dass gegenwärtig die Märkte – seit geraumer Zeit bereits – das Risiko Griechenland zutreffender einschätzen, als sie es noch vor einem halben Jahr getan haben. Insofern kann man nicht davon sprechen, dass hier die Märkte kollabieren, sondern sie preisen das Risiko Griechenland stärker ein. Die Zinsbelastungen Griechenlands sind in der Tat erheblich und bislang hat Griechenland aufgrund der Politikzusagen immer noch Kredite am Markt bekommen und man sollte hier die Grenze auch noch weitertreiben. Sie wissen, es gibt kein geordnetes Staatsbankrottverfahren, insofern sind Staatsbankrotte immer einseitige Zahlungsverweigerungen. Was dann passiert, muss die griechische Regierung selbst verantworten. Der Staatsbankrott ist, geordnet oder nicht geordnet, eine Option sowohl für die Gläubigerländer als auch für das Schuldnerland.
Spengler: Eine Option, die Sie begrüßen würden?
Kerber: Ein Schrecken mit Ende ist manchmal besser als ein Schrecken ohne Ende. Ich glaube, ich habe gar nicht die Prognosefähigkeiten, der einen oder anderen Option eine Präferenz zu geben, aber in der Tat wäre ein Staatsbankrott Griechenlands nicht die schlechteste aller Möglichkeiten. Die schlechteste wäre die unendliche Verlängerung der Transfers und die Fortsetzung der Politik gegenüber Griechenland, die die EU bereits seit Eintritt Griechenlands in die Europäische Union führt, nämlich ungeheuere Transfersummen nach Griechenland zu schicken in unzähligen Töpfen, Regionalfonds, Agrarpolitik, Kohäsionsfonds. Die Europäische Union ist nicht mehr in der Lage zu beziffern, ob es 180 Milliarden sind, die die Griechen bekommen haben, oder 280 Milliarden, weil sie auch gar keine Kontrolle haben über die Gelder. Dies kann ein Fass ohne Boden werden und dies wäre die schlimmste aller Möglichkeiten, weil dann die gesamte Europäische Währungsunion, die ich unterstütze als Stabilitätsgemeinschaft, den Bach runtergeht.
Spengler: Nun ist ja wahrscheinlich, dass es zu dieser Hilfe weiterhin kommt. Die Kanzlerin sagt, diese Hilfe für Griechenland verstößt nicht gegen das EU-Recht. Stimmt das?
Kerber: Da liegt Frau Merkel gewiss falsch und der politische Wille ist größer als die juristische Einschätzung. Man hat eine Schummelpackung vorbereitet und versucht, durch bilaterale Kredite und die Kombination von Krediten mit dem Währungsfonds das Verbot, Staaten unter die Arme zu greifen, in Artikel 125 des EU-Vertrages zu umgehen. Die Frage ist, ob die Politik, oder die Bürgergesellschaft die Chancen ungenutzt lassen, dies zu kontrollieren. Ich bin der Meinung, man muss dies rechtlich kontrollieren, sowohl im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Nur dann bekommen wir Klarheit darüber, ob Regierungen wie die französische zu Beginn der Währungskrise beziehungsweise wegen der Griechenlandkrise die Befugnis haben, einen sogenannten Bail-out auszusprechen, also zu sagen, Griechenland wird nie Pleite gehen, denn dies ist eine Verfälschung des Wettbewerbs der Staaten um Kreditmittel. Genau das wollen die Bestimmungen der Währungsunion nicht. Frau Merkel liegt falsch. Die Frage ist, ob man das gerichtlich wird beweisen können.
Spengler: Wir sprechen mit Professor Markus Kerber, dem Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, der seinerzeit gegen den Lissabon-Vertrag geklagt hat. – Herr Kerber, planen Sie eine Klage gegen die Hilfe für Griechenland?
Kerber: Ich überlege diese.
Spengler: Wovon hängt das dann ab?
Kerber: Von der Weiterführung dieser Hilfe beziehungsweise von der Frage, ob man diese Hilfe jetzt nutzt, um drakonische Maßnahmen in Griechenland zu fordern, die Krise sozusagen nutzt, um die Chancen, die darin bestehen, auch für Griechenland wahrzunehmen – denn niemand hätte etwas gegen die Griechen, sondern ich habe nur große Vorbehalte gegen sämtliche griechische Regierungen -, ob es gelingt, diese Krise umzugestalten zu einer großen Chance für die Währungsunion, hieraus institutionell gestärkt hervorzugehen, dies als eine Einmalhilfe auszustatten, um Griechenland die Chance zu geben zu atmen, durchzuatmen und Anlauf zu nehmen für eine radikale Strukturreform im eigenen Lande. Ich stehe dem skeptisch gegenüber, aber die Chance muss man jedem Land geben. Wenn es dann dazu nicht kommt, wenn man merkt, es wird ein Fass ohne Boden, und dies stellt man relativ schnell fest, denn auch die Zahlen, die Griechenland zum Defizit jetzt geliefert hat, sind wieder nicht verlässlich, dann muss man in der Tat, wenn die Politik weiterhin nicht den Mut hat, Griechenland in den Bankrott gehen zu lassen, dagegen klagen.
Spengler: Man kann Griechenland nicht dazu zwingen, den Euro aufzugeben, aber es gibt Fachleute, die sagen, dass auch der freiwillige Austritt Athens aus der Euro-Zone für den Euro eine Katastrophe wäre. Was sagen Sie dazu?
Kerber: Eine Katastrophe ist es sicherlich nicht, wenn ein Randstaat mit elf Millionen Einwohnern und einer Volkswirtschaft, die in der Kompetitivität im Vergleich zu Deutschland seit Einführung des Euro 30 Prozent verloren hat, aus der Währungsunion austritt. Das sind Auguren, die hier Szenarien beschwören, die jenseits makroökonomischer Prognosen liegen. Der Verlust Griechenlands als Mitglied der Währungsunion wäre keine Katastrophe. Die große Katastrophe war der Eintritt Griechenlands aufgrund von gefälschten Zahlen, das Beibehalten dieses Fälschungssystems und Betrugssystems und die Kollaboration der europäischen Kommission mit Griechenland bei der Beschönigung der Zahlen.
Spengler: Professor Markus Kerber von der TU Berlin. Herzlichen Dank!
Kerber: Ich bedanke mich.