Serbien rollt den roten Teppich aus für Recep Tayyip Erdogan, protokollarisch, politisch, wirtschaftlich: Denn der türkische Staatspräsident, der mit 185 Unternehmern und der Hälfte seiner Kabinettsmitglieder gegen Mitternacht den Belgrader Flughafen betritt, will massiv investieren. Da macht es auch nichts, auf den wichtigen Besucher ein wenig zu warten, versichert Gastgeber Aleksandar Vucic, Serbiens Staatspräsident, am Dienstagmittag in Anwesenheit Erdogans:
"Weder für mich noch für meine Minister aus der serbischen Regierung war es ein Problem, um Mitternacht auf dem Flughafen auf den Präsidenten Erdogan zu warten. Denn wenn man allein nur die Fabrik "Taip" in Kraljevo für 2.500 Beschäftigte eröffnen würde, so bedeutet das für Sie, Herr Präsident, eine kleine Sache. Aber für uns bedeutet das - das Leben von 2.500 Familien. Für uns bedeutet das, neues Leben in einer Stadt, in der wir viele Fabriken verloren haben. Deshalb ein unendlicher Dank dafür an Sie."
Für beide Seiten zum richtigen Zeitpunkt
Es ist Erdogans zweiter Besuch in Serbien. Beim letzten Mal, vor sieben Jahren, unterzeichnete er ein Freihandelsabkommen, das zu einem kräftigen Anstieg des Warenaustausches geführt hat. Rund 70 türkische Unternehmen haben bislang in Serbien investiert, vorrangig in der Textilindustrie, die im weitgehend ärmlichen Süden angesiedelt ist – den der türkische Staatspräsident am heutigen Mittwoch besuchen will. Für Erdogan geht es jetzt, 2017, um mehr, wie er nach seinem Gespräch mit seinem Aleksandar Vucic via Dolmetscher den serbischen Journalisten versichert:
"Der Handelsumfang zwischen den beiden Ländern liegt nicht auf dem Niveau, das wir uns wünschen. Es handelt sich momentan um 800 Millionen Dollar, so dass der Umfang bis Jahresende eine Milliarde Dollar überschreiten könnte. Ich habe aber den Eindruck, dass auch diese Zahl nicht zufriedenstellend ist. Unser Ziel ist es, in möglichst kurzer Periode, den Umfang auf drei bzw. fünf Milliarden Dollar zu erhöhen."
Der Besuch Erdogans kommt für beide Seiten zum richtigen Zeitpunkt: Serbien will nicht allein auf die EU setzen, zumal Regierungschefin Ana Brnabic am Dienstag in Brüsseler Europa-Parlament skeptisch erklärte: Selbst wenn Serbien der EU beitreten würde, werde die EU keine Arbeitsplätze schaffen und sofort für Wohlstand sorgen.
Autobahnen sollen gebaut werden
Die Türkei hingegen, die bislang bereits unter den Muslimen in Albanien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina über erheblichen Einfluss verfügt, baut jetzt im serbisch-orthodoxen Nachbarland ihren ökonomischen Brückenkopf aus.
"Zusammen mit Serbien und dem gesamten Balkan leiten wir Schritte ein, um alle Probleme zu lösen", kündigte Erdogan unter Hinweis auf seine Absicht an, zwei Autobahnen in der Region bauen zu lassen.
Strategisch ebenso wichtig: Erdogan stellt Serbien einen Abzweig der russischen Gaspipeline Turkish Stream in Aussicht. Er sei mit Russlands Präsident in Gesprächen, und glaube, dass "wir das Gas so bald wie möglich nach Serbien liefern wollen", so Erdogan in Belgrad wörtlich. Das Vorgängerprojekt von Turkish Stream, "South Stream", das vor allem Südosteuropa mit russischem Erdgas versorgen sollte, war nach Einwänden aus Brüssel abgesagt worden. Jetzt könnte es wieder unter neuen Vorzeichen aktiviert werden.