Es sind zwölf Grad und strahlender Sonnenschein – der bislang wärmste Tag in diesem Jahr auf der nordischen Vulkaninsel. Island zeigt sich von seiner besten Seite, als der deutsche Bundespräsident und seine Frau Elke Büdenbender mit allen zivilen Ehren empfangen werden.
Zivil, nicht militärisch, denn Island hat keine Armee und deswegen auch keine Militärkapelle. Stattdessen spielt die Reykjavik-City-Band, das älteste Orchester des Landes. Und statt einer Ehrengarde steht eine lange Reihe winkender Kinder zur Begrüßung der Gäste aus Deutschland bereit.
Ein Land gebeutelt vom Klimawandel
Der warme Tag im nördlichsten Land Europas ist durchaus symbolträchtig: Der Klimawandel beutelt Island in besonderem Maße. Die Gletscher schmelzen, die Fischereiwirtschaft, traditionell eine der Haupteinnahmequellen der Isländer, ist in der Krise, weil die letzten Fischschwärme sich in nördlichere, kühlere Gewässer verabschieden.
Wohl auch deswegen ist Island beim Umweltschutz und in der Klimapolitik Deutschland und anderen europäischen Ländern in vieler Hinsicht weit voraus. Auch das will Steinmeier mit seinem Besuch würdigen. Das Land bestreitet mittlerweile 80 Prozent seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien – in erster Linie durch Geothermie und Wasserkraft. Fossile Brennstoffe werden nur noch für den Auto- und Seeverkehr eingeführt.
"Wir sind auch hier, um zu lernen, wie es Island gelingen konnte, diesen Umstieg so schnell und überzeugend zu gestalten", erklärte Steinmeier.
Und Island habe auch vorgemacht, dass Klimaschutz und Arbeitsplätze nicht gegeneinander ausgespielt werden müssen. Denn das von der Finanzkrise 2003 schwer getroffene Land hat sich wirtschaftlich und politisch erstaunlich schnell wieder stabilisiert.
Deutsche Auswanderer in Island
Doch es gibt auch noch einen anderen Anlass für die Steinmeier-Reise: In diesem Jahr jährt sich die Reise der Esja zum 70. Mal. Der Dampfer brachte im Juni 1949 aus dem zerbombten Nachkriegsdeutschland 200 Deutsche nach Island, die allermeisten von ihnen junge Frauen, die dem Elend und der Arbeitslosigkeit daheim entfliehen wollten.
Zuvor hatte der isländische Bauernverband in den "Lübecker Nachrichten" eine Werbeanzeige geschaltet: Man suche "Dienstmädchen für Landhaushalte". Es war der Beginn einer Einwanderungswelle, insgesamt kamen zwischen 1949 und 54 500 deutsche Frauen in das Land der Trolle und Fjorde. Viele der Mädchen, die sich meldeten, hatten bis kurz vorher von diesem kargen Land im Norden kaum je gehört.
"Wir haben natürlich in der Schule die drei isländischen Sagen gelesen. Das wusste ich."
Erzählt die heute 92-jährige Eva-Maria Dost. In einer der Sagen wurde ein Mann mit dem Schwert in der Mitte durchgehauen.
"Und das hab ich dann meiner Mutter erzählt. Und das hat sie behalten. Und dann sagte sie: Guter Gott, glaubst du denn dass sie immer noch Schwerter benutzen in Island? Ey nee, sag ich, das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen."
Fotoausstellung zu Esja-Frauen
Steinmeier hielt die Eröffnungsrede bei einer Fotoausstellung, die die Leistungen der Esja-Frauen in Island würdigt.
"Beziehungen zwischen Staaten sind nicht allein eine kühle Kombination von geografischer Lage und politischen und wirtschaftlichen Interessen. Das ist es nicht allein. Sondern Beziehungen zwischen Staaten werden von Menschen geprägt und von Menschen getragen."
In Island herrschte damals auf dem Lande ein akuter Frauenmangel. Viele junge Isländerinnen suchten ein besseres Leben in den Städten. Im zerstörten, mit Flüchtlingen überfüllten Deutschland dagegen gab es nach dem Krieg einen enormen Frauenüberschuss. Eine Art frühe "Bauer sucht Frau"-Nummer also – wie auf dem Heiratsmarkt habe sie sich aber nie gefühlt, sagt Jost. Verliebt hat sie sich trotzdem - und ist geblieben.
Wie 300 andere auch. Sie haben nicht nur 5.000 Nachkommen hinterlassen, sondern auch vielerlei andere Spuren. Die deutschen Frauen bauten Gemüse an und pflanzten Blumen auf den Höfen – beides für isländische Bauern, die vor allem Fleisch und Fisch aßen, damals höchst merkwürdige Dinge. Für Steinmeier ein Beispiel für gelungene Integration – und dass man Menschen, die in der Fremde ein neues, besseres Leben suchen, nicht die Tür weisen sollte.