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"Staatsfinanzierung mit der Notenpresse"

Die Entscheidung von EZB-Chef Mario Draghi, weitere Staatsanleihen zu kaufen, um Preisstabilität zu gewährleisten, hält CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch für falsch. Sollte es zu einem dritten Griechenland-Hilfspaket kommen, will er im Bundestag dagegen stimmen, sagte Willsch.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Silvia Engels | 25.10.2012
    Christoph Heinemann: Bei seinem Besuch im Deutschen Bundestag ist Mario Draghi Befürchtungen entgegengetreten, mit dem Ankauf von Staatsanleihen die Inflation anzuheizen. In einer gemeinsamen Sitzung mehrerer Ausschüsse bekannte sich der Chef der Europäischen Zentralbank gestern in Berlin zur Geldwertstabilität als oberste Priorität. Sein Kurs bringe keine übermäßigen Risiken für die Steuerzahler des Euroraums mit sich, sagte Draghi. Der EZB-Präsident bekräftigte zudem, dass die Zentralbank sich streng an ihr Mandat halten werde. – Meine Kollegin Silvia Engels hat darüber mit dem CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch gesprochen und ihn gefragt, ob Mario Draghi ihn überzeugt habe.

    Klaus-Peter Willsch: Nein, das hat er nicht. Ich war jetzt nicht besonders überrascht. Ich habe gemerkt, dass er sich bemüht hat, so zu reden, dass er in Deutschland vielleicht eine positive Resonanz findet. Aber der Grundansatz, den er vertritt, ist eben in meinen Augen falsch. Was hier die EZB macht, ist Finanzierung von Staaten mit der Notenpresse.

    Silvia Engels: Sie spielen darauf an, dass Herr Draghi angekündigt hat, auf dem Sekundärmarkt gehandelte Staatsanleihen unbegrenzt aufzukaufen, also die Staatsanleihen, die bereits ausgegeben sind. Wie hat denn Herr Draghi argumentiert, denn er sagt ja, die EZB darf das, auf dem Sekundärmarkt aufkaufen?

    Willsch: Ja er versucht da natürlich immer den Spagat zwischen dem durch die Verträge definierten Auftrag der EZB und dem eigenen Verhalten. Er hebt das auf die Metaebene und sagt, wir müssen den Raum als Ganzes verteidigen. Das ist aber nicht der Auftrag der EZB, und wenn Sie sich anschauen, wie wir zu dieser Ankündigung, "Dicke Bertha" war ja das Schlagwort, gekommen sind, dann doch ausdrücklich deshalb, weil Staaten Finanzierungsschwierigkeiten hatten und er angekündigt hat, dafür einzuspringen.

    Engels: Haben Sie oder andere Abgeordnete denn Ihre Zweifel ihm auch vorgetragen?

    Willsch: Ja, natürlich. Und ich habe ihn auch gefragt, zum Beispiel zu den Target-Salden, die ja eine weitere Bedrohung unserer Leistungsfähigkeit und unserer Kreditwürdigkeit darstellen, …

    Engels: Das ist ein System, mit dem ausgezahlt wird zwischen den verschiedenen Zentralbanken.

    Willsch: Richtig, und da sind inzwischen unsere Forderungen gegen das EZB-System auf über 700 Milliarden angewachsen. Das stellt im Prinzip eine Zwangskredit-Gewährung im EZB-System dar, und ich habe ihn gefragt, ob er das nicht ändern will, wie er das ändern will. Da kam leider keine klare Auskunft drauf.

    Engels: Wie hat er denn generell reagiert auf kritische Fragen?

    Willsch: Er hat versucht, Kritik zu entkräften, indem er immer wieder vorgetragen hat, er wüsste sehr wohl, dass er der Preiswertstabilität verpflichtet sei, er nehme das Mandat ernst. Das, was er eben aber tut, ist das Gegenteil davon.

    Engels: Wie war denn die Stimmung unter den Abgeordneten, die Sie beobachten konnten?

    Willsch: Ja, es war eine Mischung aus wichtiger Situation und schön, dass wir mal mit ihm reden können. Ich finde, ich habe das auch deutlich gemacht in meinem Beitrag, dass nicht zu Unrecht die Deutschen der Bundesbank sehr viel mehr vertrauen als der EZB. Ein bisschen mehr Rückendeckung für Weidmann hätte in der Runde noch kommen können.

    Engels: Die kam nicht?

    Willsch: Mir zu wenig, ja.

    Engels: Draghi hat ja auch erklärt, Sie haben es gerade angesprochen, dass die Europäische Zentralbank dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet bleibe. Warum glauben Sie ihm das nicht?

    Willsch: …, weil ich in den vergangenen zweieinhalb Jahren immer wieder erlebt habe, dass mir allerlei von Konditionalität und Einmaligkeit und strikter Unterlegung von Bedingungen und Auflagen, die eingehalten werden müssen, erzählt wurde und nichts davon eingehalten wurde.

    Engels: Das Stichwort Einmaligkeit gilt auch für ein anderes Beispiel, nämlich Griechenland. Da hieß es auch zu Anfang, einmalig müsse man Griechenland mit einem Hilfspaket beispringen. Die "Süddeutsche Zeitung" und der griechische Finanzminister meldeten übereinstimmend, Griechenland werde zwei Jahre mehr Zeit zur Einhaltung der Verschuldungskriterien gewährt. Wird das so kommen und führt das zu einem neuen Griechenland-Paket?

    Willsch: Ich fürchte, ja. Ich habe das im Übrigen schon nach dem ersten Paket im Mai 2010 gesagt, ich muss da keine Zeile umschreiben. Die Logik dieses vermeintlichen Rettungssystems: Die Menschen wissen, dass man zu viel Schulden nicht mit mehr Schulden bekämpfen kann. Was im Privaten gilt, gilt auch bei Staaten, und es ist der Fluch der bösen Tat, dass Böses Böses stets gebiert, kann ich da mit der deutschen Klassik nur sagen.

    Engels: Das könnte teurer werden. 15 bis 20 Milliarden Euro würde ein solcher Aufschub kosten. Wann wird der Bundestag darüber abstimmen?

    Willsch: Ja das kann ich nicht sagen. Offiziell ist das ja immer noch alles auf der Gerüchteebene. Draghi selbst hat auch in der Pressekonferenz hinterher gesagt, er könne dazu nichts sagen, weil die Troika noch nicht fertig sei. Aber schauen Sie sich an, wie gegenwärtig Griechenland finanziert wird. Die geben kurzfristige Anleihen raus, die kaufen die griechischen Geschäftsbanken, die kriegen sie dann wieder bei der Notenbank refinanziert. Das ist doch schon faktisch Staatsfinanzierung mit der Notenpresse.

    Engels: Auf der anderen Seite warnen die Befürworter eines solchen Kurses, Griechenland weiter im Euro-Raum zu halten, davor, dass ein Ausstieg des Landes aus dem Euro-Raum doch Milliardenfolgen für die gesamte Gemeinschaft der Währungsunion hätte.

    Willsch: Ja, da gibt es von interessierter Seite immer wieder alle möglichen Schreckensszenarien, die an die Wand gemalt werden. Wir reden seit über zweieinhalb Jahren jetzt über die vermeintliche Rettung Griechenlands. Da hat jeder die Gelegenheit gehabt, seine Positionen abzusichern. Es ist ja auch sehr viel von dem privaten Geld inzwischen zu öffentlichen Gläubigern gewandert. Ich glaube nicht, dass es insgesamt aufgeht. Deshalb wird jeder Tag, den wir das länger betreiben, teurer werden. Insgesamt natürlich, dadurch, dass wir jetzt Kredite gegeben haben, die dann vielleicht Not leidend werden, wird es Folgen haben, wenn Griechenland dann aus der Euro-Zone ausscheidet. Aber auch im Interesse Griechenlands kann ich nur noch einmal dafür appellieren, diesen Weg zu gehen, denn innerhalb des starken Euro hat ein Land wie Griechenland mit seiner schwachen Wettbewerbsfähigkeit in meinen Augen keine Chance, Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen.

    Engels: Nehmen wir an, es kommt zu einem solchen dritten Griechenland-Paket, wie immer es geschnürt sein mag, wird es dann eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag noch geben?

    Willsch: Also ich werde nicht zustimmen.

    Engels: Aber was sagen Sie über die Meinungsbildung, die Sie bei Ihren parlamentarischen Kollegen erleben?

    Willsch: Es gibt sehr viel Unmut an diesem Thema und sehr viel Kritik daran, dass ein Ende nicht absehbar ist. Ich glaube, dass diejenigen, die sagen, das ist ein Fass ohne Boden, eher mehr werden als weniger.

    Heinemann: Der CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit meiner Kollegin Silvia Engels.


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