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Staatsgalerie Stuttgart
Viel zu wenig Furore

Die Staatsgalerie Stuttgart feiert ihr 175-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung, die die wechselhafte Geschichte des Hauses zeigt. Doch Schauen, die echte Publikumsmagnete waren, sind in den letzten Jahren eher selten geworden - das liegt nicht zuletzt an der schwachen Leitung.

Von Christian Gampert |
    Das Gebäude der alten Staatsgalerie. Als «Museum der bildenden Künste» wird die heutige Staatsgalerie am 1. Mai 1843 eröffnet. 175 Jahre später feiert die Staatsgalerie in dieser Woche ihr Jubiläum.
    Die Stuttgarter Staatsgalerie wird 175 Jahre (dpa/Sina Schuldt)
    Ja, die Staatsgalerie ist auch mein Museum. Hier konnte man schauen und staunen und lernen, vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart, und wenn man jetzt, während die anderen noch den schönen Reden lauschen, durch die Dauerausstellung geht, ist man immer wieder überwältigt vom Reichtum dieser Sammlung. Vorn Kirchner und die Rückenakte von Matisse, Picassos Badende, Schlemmers Triadisches Ballett, dann Beuys und der Abstrakte Expressionismus - so der Schnelldurchgang, und wer immer einen freien Vormittag in Stuttgart hat, hier ist er richtig.
    Und es gibt im Unterstock noch so viel mehr, die ganze alte und religiöse Kunst, Memlings "Graue Passion", Ratgebs "Herrenberger Altar", der Meister von Meßkirch. Man kann sich verlieren in diesen Räumen und muss doch innehalten inmitten der Jubelarien: Was ist denn passiert in den letzten, nicht 175, aber doch 10 Jahren? Das "Museum der bildenden Künste", das der württembergische König Wilhelm I. gegen viele Widerstände am 1.Mai 1843 eröffnete, ist in der Krise. Damals, unter anderer Staatsform, wollte man lieber "Krombiere", also Kartoffeln, als Kunst.
    Es geht zu oft ums Geld
    Auch heute ist die Staatsgalerie schwer auf Wirtschaftlichkeit bedacht - und macht dadurch ganz vieles falsch. Es reicht einfach nicht aus, seine opulenten Räume auch für Events und Geschäftsgelage zu vermieten; ab und zu muss man auch eine kunsthistorisch wichtige Schau bieten. Die Misere ist nicht nur der Direktion, sondern auch der Politik geschuldet, die zu wenig Geld gibt. Selbst wenn sich Winfried Kretschmann in seiner Festrede als Liebhaber angeblich "kuhäugiger" Modigliani-Akte zu erkennen gab - wir hoffen, er hat die Rede selber geschrieben.
    Selbst wenn er von einem "Steg" über die sechsspurige Verkehrsachse träumt, die den Landtag von der Staatsgalerie trennt, darum geht es doch gar nicht. Kretschmann und seine superangepasste Staatssekretärin Petra Olschowski müssen Landesmittel endlich gezielt einsetzen, statt im Gießkannenprinzip Geld übers alternative Ländle zu schütten. Drei Gebäude hat die Staatsgalerie: den klassizistischen Altbau, den postmodernen Stirling-Bau, den quaderförmigen Steib-Bau. Wenn man die Wechselausstellungen zusammenzählt, die in den letzten Jahren dort Furore machten, sind es viel zu wenige.
    Leider keine kreative Leitung
    Längst hat das Kunstmuseum Stuttgart mit seiner umtriebigen Direktorin Ulrike Groos der Staatsgalerie den Rang abgelaufen: alle paar Monate eröffnet Groos eine wichtige Ausstellung meist zur Gegenwartskunst, sie bindet ihr Museum in den Stadtraum ein und ist offen für andere Kunstformen. Auch in der Staatsgalerie finden Musik- und Tanzperformances statt - doch die Ausstellungen speisen sich meist aus der eigenen Sammlung, was legitim, aber nicht besonders aufregend ist. So sei es am Tage des Jubiläums mutig ausgesprochen: Eigentlich braucht die Staatsgalerie eine neue Führung. Die Direktorin Christiane Lange ist eine gute Verwalterin, aber sie hat weder die Phantasie noch den ökonomischen Instinkt, um Stuttgart wieder auf eine Stufe mit München und Frankfurt zu hieven.
    Man schaue sich das Ausstellungsprogramm der Pinakotheken und des Städel an - die Staatsgalerie ist ein Zwerg dagegen. Man muss Themen generieren und Sponsoren gewinnen, will man bei den Großen mitspielen. Das Frankfurter Modell, wo Max Hollein Städel, Schirn und Liebighaus gleichzeitig leitete und sein Nachfolger Philipp Demandt das nun auch tut, steht im Raum. Immer hat die Staatsgalerie tolle Kuratorinnen gehabt, von der legendären Karin von Maur über Corinna Höper bis zu Ina Conzen. Sie alle brauchen Schutz, Geld und Protektion, um die Staatsgalerie wieder zu einem Brennpunkt der Kunstszene zu machen. Kretschmann sollte nicht nur reden, er sollte auch Kunstpolitik machen.