Nur noch vier Tage Zeit – bis Dienstag wird in der Staatsoper Unter den Linden Tag und Nacht gearbeitet. Restaurateure laufen mit Pinseln und goldener Farbe herum, bessern den Anstrich auf den Säulen aus. Putzkräfte saugen und wischen unermüdlich. Draußen müssen noch Pflastersteine verlegt, Gerüste abgebaut werden.
Drinnen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Büros, Probenräume und Werkstätten längst erobert. Die Euphorie ist grenzenlos.
"Wir sind so glücklich, es ist fantastisch." "Alle schweben zehn Zentimeter über den Wegen." "Dieses Haus ist ja 275 Jahre alt, ein Opernhaus mit so einer geschichtlichen Dimension gibt es ja sonst kaum." "Ich könnte in Purzelbäumen in dieses Haus kommen, so glücklich bin ich."
Aus drei wurden sieben Jahre Sanierung
Drei Jahre sollte die Sanierung dauern, sieben sind es geworden. Immer wieder wurden Sänger, Regisseure, Techniker, Musiker und Maskenbildner vertröstet. Hätte die Berliner Bauverwaltung bloß auf die altgedienten Staatsopern-Mitarbeiter gehört, zum Beispiel auf Katharina Lang.
"Den meisten langjährigen Mitarbeitern war klar, dass das nicht nur 3 Jahre dauern wird. Das war nicht anzunehmen, das ist ja fast das älteste Theater Europas."
Katharina Lang kennt die Staatsoper seit 44 Jahren. Mit neun kam sie das erste Mal hierher, an der Hand ihrer Eltern. Sie sah den Barbier von Sevilla in der Regie von Ruth Berghaus, damit war es um die Viertklässlerin geschehen.
"Das war ein enormes Erlebnis und danach hatte ich Lust. Da habe ich gesagt, wenn das Oper ist, dann will ich unentwegt in Opern gehen. Wirklich wahr."
Und sie ging unentwegt in Opern, studierte Regie an der Hans-Eisler-Musikhochschule, kam dann an die Staatsoper. Mauerfall und Vereinigung, die Staatsoper wurde gesamtdeutsch, Katharina Lang blieb als Abendspielleiterin – sie leitet die Aufführungen, wenn die berühmten Regisseure weitergezogen sind, an die Scala nach Mailand oder an die Met nach New York. Jetzt fiebert die 53-Jährige dem 3. Oktober entgegen, wenn sich der Vorhang wieder hebt.
"Am meisten freut man sich auf die Eröffnung, auf die Bühne. Auf der wirklichen Bühne wieder präsent zu sein für das Publikum. Wenn dann die Lichter ausgehen und die Leute sitzen da gespannt, es knistert, da freue ich mich schon am meisten drauf."
"Am meisten freut man sich auf die Eröffnung, auf die Bühne. Auf der wirklichen Bühne wieder präsent zu sein für das Publikum. Wenn dann die Lichter ausgehen und die Leute sitzen da gespannt, es knistert, da freue ich mich schon am meisten drauf."
Barenboim ist "sehr zufrieden"
Wie wird die Akustik sein im sanierten Zuschauersaal? Das fragen sich alle. Um den Klang zu verbessern, ist die Decke um vier Meter erhöht worden – und das in einem 275 Jahre alten Gebäude, das natürlich unter Denkmalschutz steht. Allein dieser Umbau hat Millionen gekostet. Generalmusikdirektor Daniel Barenboim weiß schon jetzt: Es hat sich gelohnt.
"Ich bin sehr zufrieden und es ist alles viel besser als ich wagte zu hoffen."
Wie bei vielen anderen öffentlichen Prestigebauten zuvor zeigt sich auch bei der Staatsoper – die Kosten waren anfangs viel zu niedrig angesetzt. 239 Millionen Euro für die Sanierung, so hieß es zunächst. Der Bund war schlau, deckelte seinen Zuschuss - 200 Millionen Euro, keinen Cent mehr. Das Land Berlin hatte das Nachsehen, musste die Kostenexplosion abfedern. So stieg der Anteil des Landes von ursprünglich 39 Millionen Euro auf inzwischen 200 Millionen an.
"Organisierte Verantwortungslosigkeit"
Das Berliner Abgeordnetenhaus setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Die Bilanz - der frühere Senat unter Leitung von Klaus Wowereit habe Druck ausgeübt und immer wieder Sonderwünsche durchgesetzt. Während noch geplant wurde, sei schon gebaut worden - organisierte Verantwortungslosigkeit, sagte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Wolfgang Brauer bei der Vorstellung des Abschlussberichts - ein Stück aus dem Tollhaus.
"Ich meine damit, dass sehr grundsätzliche politische Entscheidungen unter vollkommenem Ignorieren von Sachmeinungen geschehen sind. Dass Warnungen überhört werden, dass aufgrund des Wertes von Symbolpolitik Dinge versucht werden durchzuziehen, wo das Scheitern von Anfang an programmiert ist. Da ist das eigentlich Katastrophale."
Doch darüber will kurz vor der prunkvollen Wiedereröffnung am 3. Oktober natürlich niemand mehr reden. Alle sind froh über die neue alte Staatsoper Unter den Linden.
"Ich finde das wirklich eine Besonderheit, dass man in diesen Zeiten so etwas erleben darf. Man fühlt sich beschenkt."