Mehr zentrale Regelungskompetenz für den Bund statt immer neue Bund-Länder-Gesprächsrunden: Der Bund möchte sich selbst mit weiteren Änderungen am Infektionsschutzgesetz mehr Befugnisse geben.
Unter anderem soll die bislang uneinheitlich gehandhabte "Notbremse" konkretisiert werden. Der Änderungsvorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht unter anderem nächtliche Ausgangsbeschränkungen (21 bis 5 Uhr) bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 Fällen pro 100.000 Einwohnern vor, eine bundeseinheitliche Personenbeschränkung für private Treffen auf maximal fünf Personen mit höchstens einer Person aus einem anderen Haushalt sowie Schulschließungen ab einer Inzidenz von 200.
Spahns Entwurf für bundeseinheitliche Maßnahmen gegen die dritte Pandemiewelle muss noch mit den Koalitionsfraktionen und mit den Ländern im Bundesrat abgestimmt werden. Ob die Gesetzesnovelle den Bundesrat passiert, ist fraglich. Der deutsche Landkreistag sieht darin mit den Worten seines Präsidenten Reinhard Sager ein "in Gesetz gegossenes Misstrauensvotum gegenüber Ländern und Kommunen".
Rechtlich möglich, aber nicht ohne Fallstricke
"Verfassungsrechtlich geht das", sagte der Jurist Uwe Volkmann im Dlf zu den Plänen des Bundes. Dieser sei für den Infektionsschutz zuständig und könne sich dort per Gesetzesänderung weitere Kompetenzen geben, sofern die Länder zustimmten. Allerdings warnte Volkmann: Gegen konkrete Maßnahmen, einmal in Gesetzesform gegossen, gibt anders als bei Verordnungen des Gesundheitsministeriums keinen Rechtsschutz mehr, außer vor dem Bundesverfassungsgericht. Außerdem sei jede einzelne Maßnahme auf Verhältnismäßigkeit zu prüfen. In der Vergangenheit seien schon mehrere Ausgangssperren von deutschen Gerichten eben deswegen kassiert worden.
Generell hätten Entscheidungen des Parlaments in so wesentlichen Fragen wie dem Gesundheitsschutz große Vorteile, erklärt der Verfassungsrechtler. So könne man grundlegende Fragen über den Tag hinaus klären, und das demokratisch legitimiert. Nur müsse man diese "spezifische Rationalität parlamentarischer Verfahren" auch nutzen. Das gehe nicht im Schnellverfahren. Von Beginn der Pandemie an seien in Deutschland Potenziale verschenkt worden, meinte Volkmann.
Warnung vor verfassungsrechtlichem Dammbruch
Gesundheits- und Lebensschutz hätten ohne Frage einen hohen Rang, so Volkmann. Gleichzeitig betonte der Jurist die umfassende Geltung der Verfassung - auch wenn Intensivmediziner gerade um Hilfe riefen. "Es darf, das ist der Grundanspruch von Verfassungen, keine politische Herrschaft geben, die außerhalb der Verfassung stattfindet", sagte Volkmann. "Wenn wir hier die Tür öffnen zu einer Verfassungsbrechung in einer Stunde der Not, wäre das ein ziemlicher Dammbruch."