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Stabilisierung von Küsten
Bakterien sollen Strände vor Erosion schützen

Sand ist der Motor des Industriezeitalters: Ohne die unscheinbaren Körner gäbe es weder Computerchips noch Solaranlagen, weder Straßen oder Beton. Doch auch Sand zählt zu den endlichen Ressourcen: In manchen Regionen der Erde ist er bereits verschwunden. Viele Küstenregionen kämpfen deswegen mit Erosionen von Strand und Dünen.

Von Dagmar Röhrlich |
    Küste der Karibikinsel St. Lucia
    Küste der Karibikinsel St. Lucia. Die weltweiten Strände sind zwischen 1968 und 2008 um 40 Meter schmaler geworden; Sand wird eine zunehmend knappe Ressource (dpa / picture alliance / Friedel Gierth)
    Vor dem Science Center Delft stehen zwei große, weiße Plastikboxen unter einem Zeltdach, das sie vor dem Regen schützt. Jede dieser Boxen ist gefüllt mit einem Kubikmeter Strandsand. Darauf liegen schwarze Plastikschläuche, über die eine Nährlösung versprüht wird. Denn in dem Sand leben Bakterien, mit denen Leon van Paassen - Geologe an der Technischen Universität Delft - die Strände vor Erosion schützen will:
    "Eines der Anwendungen der Bio-Zementierung in der Geotechnik wäre die Verminderung der Küstenerosion."
    Leon van Paassens Spezialgebiet fällt in den Bereich Ingenieurgeologie. Er beschäftigt sich mit der Stabilisierung von Küsten - aber nicht mit Hilfe von Beton und Deichen. Er setzt auf biologische Prozesse. Eben auf Bakterien:
    "Wir holen für unsere Experimente einfach aus einer schlammigen Bucht ein paar Einer voll Sediment. Dann 'füttern' wir die Bakterien, die darin leben, in einem Bioreaktor an. Das muss eigentlich nicht sein, aber es beschleunigt den Prozess, denn wir vermehren so gezielt die Bakterien, die wir wollen.
    Das sind solche, die durch ihre Stoffwechselprodukte dafür sorgen, dass in ihrer Umgebung Kalk ausfällt. Und die haben wir dann über den Sand verteilt und versorgen sie seitdem einmal in der Woche mit Nährstoffen."
    Leon van Paassen von der TU Delft, Niederlande. Im Hintergrund die beiden jeweils einen Kubikmeter großen Boxen, in denen Bakterien Strandsand verfestigen sollen
    Leon van Paassen von der TU Delft, Niederlande. Im Hintergrund die beiden jeweils einen Kubikmeter großen Boxen, in denen Bakterien Strandsand verfestigen sollen (Dagmar Röhrlich)
    Sand gezielt verfestigen
    Das Motiv seiner Forschung: Die Strände dieser Welt sind - statistisch gesehen - zwischen 1968 und 2008 durchschnittlich um 40 Meter schmaler geworden: durch den Meeresspiegelanstieg, die Überbeanspruchung der Küstenzonen und mangels Nachschub.
    Denn wegen der zahllosen Deiche, Talsperren und auch durch den Abbau erreicht immer weniger Sand aus dem Inland die Küstenzonen. Die Folge sind dann wachsende Probleme mit der Erosion von Strand und Dünen. Und um die zu mindern, möchte Leon van Paassen Sand gezielt mit Bakterienhilfe verfestigen:
    "Den Bakterien geht es in diesen Boxen richtig gut. Sie vermehren sich, setzen alles Substrat schnell um und das Resultat ist Kalk."
    Der verklebt dann die Sandkörnchen miteinander, verfestigt sie dabei. Die beiden Boxen vor dem Science-Center dienen dazu, nach vier Jahren Arbeit im Labor und einem erfolgreichen Großversuch mit 1000 Kubikmeter Sand einen Feldversuch am Strand vorzubereiten:
    "Wir können in diesen großen Containern genau überwachen, wie sich das Substrat verteilt und wie die Bakterien reagieren. Wir wollen herausfinden, wieviel wir 'füttern' müssen, um den gewünschten Effekt zu erreichen, so dass das Resultat weder zu fest wird noch zu locker bleibt.
    Beim ersten Versuch haben wir zu wenig Nährlösung zugeführt. Jetzt versprühen wir etwas mehr und hoffen, dass wir innerhalb von vier Monaten den Sand so weit verfestigt haben, dass er als weicher Sandstein durchgeht."
    Gleichzeitig zur Vorbereitung des Feldversuchs am Strand laufen im Labor die Forschungen weiter. Es geht darum, das passende "Bakterien-Futter" für den kommerziellen Einsatz zu finden. Und so experimentieren die Forscher derzeit mit Kombinationen von verschiedenen löslichen organischen Abfällen aus Industrie oder Kläranlagen - plus ein wenig gelösten Kalks.
    Über die Bedeutung der Ressource Sand im Bausektor:
    Wissenschaft im Brennpunkt, Sonntag, 20. November 2016
    "Auf Sand gebaut - Alternativen für eine endliche Ressource"