Sich neu orientieren, wieder Tritt fassen: Ein kleines Universum wird auf den ersten Seiten des Romans von Christoph Peters entworfen. Mittendrin der Ich-Erzähler Walkenbach, ein erfolgloser Kunsthistoriker, der im Leben noch nichts zuwege gebracht hat. Doch die letzten zehn Jahre hatten immerhin einen Inhalt, einen Hauptinhalt: Hanna, die Zahnärztin, Walkenbachs Frau. Erinnert man sich an Patrice Lecontes wunderbaren Film "Der Mann der Friseuse"? So ungefähr muß man sich das Leben des Ehepaars vorstellen. Eine Frau, die ihrem Beruf nachgeht, ein Mann, dem es genügt, ihr dabei zuzusehen, ihr das Abendessen zu bereiten und die ›Black Box‹ für ihre Gedanken und Erzählungen zu sein. Wie bei Leconte entsteht aus dem Verlust etwas Neues, hier die Literatur, die uns von diesem früheren Glück erzählt.
Die ersten achtzig Seiten lesen sich wie eine Sonderausstellung spätmittelalterlicher Apokalypsedarstellungen, wie ein beiläufig erzähltes Todesartenprojekt. Indem Christoph Peters das Leben als Krankheit zum Tode beschreibt, macht er deutlich, wie nahe Walkenbach der Verlust seiner Frau gegangen ist. Er kann es zeigen, ohne es sagen zu müssen, und schon darin wird der Rang dieses Erzählers offenbar.
"Stadt Land Fluß" ist ein gut lesbarer Roman. Das Triptychon im Titel ist zugleich als Vorgabe für die gesamte Komposition des Buchs zu lesen. Viele Bildungszitate und Anspielungen sind zu entziffern. Man kann das Buch aber auch ganz unbefangen lesen und verstehen. Ein wichtiger Komplex, um den es hier geht, ist ›Wissen‹: Hanna zum Beispiel weiß mehr über ihre Patienten, als man eigentlich wissen kann. Sie liest in Gebissen wie römische Auguren in Vogelleibern. Sie erarbeitet sich ihr Wissen, bis es eine handliche, transportierbare Form bekommen hat - auch das Wissen über ihren Mann Thomas. Wahrheitswert hat für sie eine Biographie, die sich wie ein Gelände gut kartieren und quasi objektiv erfassen läßt. Für Thomas hingegen ist Wissen etwas Veränderliches, Bewegliches. Auch ihn interessieren die Personen hinter den Werken, gerade in der Kunstgeschichte, doch absolute Fixierungen sind seine Sache nicht. Oft weiß er nicht einmal, in welchem Verzeichnis er sein Wissen abgelegt hat. Viele seiner Sätze zeugen von dieser tiefen Verletzlichkeit und wohl auch gewollten Offenheit. Zitat: "Mein Hirn ist weich wie eine rohe Auster, ein vergleichsweise primitiver Organismus."
Die Leser an der Jahrtausendwende bekommen mit "Stadt Land Fluß" ein Buch, das auf der Höhe der Erzählkunst anzusiedeln ist. Und die spätzeitliche Apokalypse, die hier entworfen wird, erhält ihre besondere Tönung durch den Einsatz einer doppelbödigen Komik, auf die sich die besten unserer Erzähler der vergangenen Jahre verständigt haben - die durch Schmerz, Trauer und Verlust gefilterte Komik, die alles noch eine Spur schwärzer, grausamer, morbider - und andererseits dynamischer, farbiger, heiterer und vor allem tiefer macht.
Mit Christoph Peters betritt ein junger Autor den literarischen Raum und bewegt sich in ihm sogleich mit bemerkenswerter Sicherheit und Ökonomie. Sein Buch "Stadt Land Fluß" ist ein kleines Wunder, es wirkt leicht und ist doch komplex gebaut.
Die ersten achtzig Seiten lesen sich wie eine Sonderausstellung spätmittelalterlicher Apokalypsedarstellungen, wie ein beiläufig erzähltes Todesartenprojekt. Indem Christoph Peters das Leben als Krankheit zum Tode beschreibt, macht er deutlich, wie nahe Walkenbach der Verlust seiner Frau gegangen ist. Er kann es zeigen, ohne es sagen zu müssen, und schon darin wird der Rang dieses Erzählers offenbar.
"Stadt Land Fluß" ist ein gut lesbarer Roman. Das Triptychon im Titel ist zugleich als Vorgabe für die gesamte Komposition des Buchs zu lesen. Viele Bildungszitate und Anspielungen sind zu entziffern. Man kann das Buch aber auch ganz unbefangen lesen und verstehen. Ein wichtiger Komplex, um den es hier geht, ist ›Wissen‹: Hanna zum Beispiel weiß mehr über ihre Patienten, als man eigentlich wissen kann. Sie liest in Gebissen wie römische Auguren in Vogelleibern. Sie erarbeitet sich ihr Wissen, bis es eine handliche, transportierbare Form bekommen hat - auch das Wissen über ihren Mann Thomas. Wahrheitswert hat für sie eine Biographie, die sich wie ein Gelände gut kartieren und quasi objektiv erfassen läßt. Für Thomas hingegen ist Wissen etwas Veränderliches, Bewegliches. Auch ihn interessieren die Personen hinter den Werken, gerade in der Kunstgeschichte, doch absolute Fixierungen sind seine Sache nicht. Oft weiß er nicht einmal, in welchem Verzeichnis er sein Wissen abgelegt hat. Viele seiner Sätze zeugen von dieser tiefen Verletzlichkeit und wohl auch gewollten Offenheit. Zitat: "Mein Hirn ist weich wie eine rohe Auster, ein vergleichsweise primitiver Organismus."
Die Leser an der Jahrtausendwende bekommen mit "Stadt Land Fluß" ein Buch, das auf der Höhe der Erzählkunst anzusiedeln ist. Und die spätzeitliche Apokalypse, die hier entworfen wird, erhält ihre besondere Tönung durch den Einsatz einer doppelbödigen Komik, auf die sich die besten unserer Erzähler der vergangenen Jahre verständigt haben - die durch Schmerz, Trauer und Verlust gefilterte Komik, die alles noch eine Spur schwärzer, grausamer, morbider - und andererseits dynamischer, farbiger, heiterer und vor allem tiefer macht.
Mit Christoph Peters betritt ein junger Autor den literarischen Raum und bewegt sich in ihm sogleich mit bemerkenswerter Sicherheit und Ökonomie. Sein Buch "Stadt Land Fluß" ist ein kleines Wunder, es wirkt leicht und ist doch komplex gebaut.