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Stadt, Land, Ruß

Berlin, Köln und Hannover machten es zum Jahresbeginn vor, andere Städte zogen Anfang März nach, weitere werden folgen: Deutschland erlebt eine Blüte von Umweltzonen. Metropolen und Mittelzentren richten sie ein, um europaweit gültige Grenzwerte für gesundheitsschädlichen Feinstaub in der Luft nicht mehr zu überschreiten. Bewirken sie wirklich etwas? Spielt nicht das Wetter eine viel größere Rolle? Oder der Ferntransport von Luftschadstoffen?

Von Volker Mrasek |
    "Es nicht mehr weit, nicht mehr allzu lange. Also die rush hour hat noch nicht begonnen. Es ist also noch kein Rückstau hier."

    Stadt, Land, Ruß

    "Hier ist Samariterstraße. Samariterstraße. Und der Messcontainer 174 ist jetzt nur noch wenige Meter entfernt. Das ist eine Messstelle an einer sehr stark befahrenen Straße, an der Frankfurter Allee. Wir haben ein tägliches Verkehrsaufkommen von ungefähr 60.000 Fahrzeugen. Jetzt sind wir im Rückstau. Da vorne ist der Container."

    Über den Nutzen von Umweltzonen – und was man sonst noch gegen den Feinstaub tun sollte

    "So, Endstation. Den Rest machen wir zu Fuß."

    Berlin. Haupt- und größte Stadt Deutschlands, mit über drei Millionen Einwohnern. Metropole ohne freie Parkplätze, wie viele unken. Und seit Anfang dieses Jahres offiziell "Umweltzone". In den Stadtkern dürfen nur noch PKW und LKW mit Plakette auf der Windschutzscheibe. Auch andere deutsche Großstädte haben Fahrverbotszonen eingerichtet. Oder werden es im Laufe des Jahres noch tun: Köln, Hannover, München, Stuttgart und, und, und. Es geht darum, ein Umweltproblem in den Griff zu bekommen: die Belastung der Stadtluft mit gesundheitsschädlichem Feinstaub, von dem angeblich immer noch zu viel in der Luft schwebt.

    "Früher hat man mehr Grobstaub eingeatmet. Und dieser Grobstaub ist zum Teil nur bis in die Nase vorgedrungen. Während heutzutage dieser Feinstaub viel, viel tiefer in die Lunge eindringen kann."

    Wolfgang Kreyling, Inhalationsbiologe beim Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt in München

    "Wir haben eben dieses Paradoxon, dass die Luft zwar dauernd sauberer wird, wir trotzdem aber die Indizien dafür haben, dass es mehr Krankheiten gibt. Dass eben Herzinfarkte, Herzerkrankungen zunehmen. Und da spielen in jedem Fall immer wieder diese besonders kleinen Partikel eine Rolle, von denen wir glauben, dass sie wegen ihrer geringen Größe eben durch die Membranen des Atemtraktes und des Blutsystems leichter durchdringen können, so dass zum Schluss eine makroskopische Veränderung und eventuell eben auch ein Schaden entsteht."

    Der Autoverkehr ist eine der Hauptquellen für die mikroskopisch kleinen Staubkörnchen. Es sind die Fahrzeuge mit Diesel-Motor und ohne Partikelfilter. Aus ihren Auspufftöpfen quillt ständig feiner Ruß.

    Besonders hoch sind die Verkehrsemissionen auf großen Ausfallstraßen - wie der Frankfurter Allee in Berlin. Morgens und spät nachmittags schiebt sich die Blechlawine im Stop-and-go-Betrieb vorwärts. Genau hier hat die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Umwelt einen Messcontainer postiert. 14 weitere davon gibt es in der Stadt. Ihre Instrumente überwachen die Luft rund um die Uhr.

    Höchstens 35 Mal im Jahr darf das Tagesmittel über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. Das schreibt eine EU-Verordnung vor. Die neu eingerichteten Umweltzonen sollen helfen, diese Vorgaben in Großstädten zu erfüllen. Sobald alle Übergangsfristen abgelaufen sind und die Zentren nur noch Autos mit grüner Umweltplakette offenstehen, wird weniger Dieselruß aus dem Verkehr auch zu weniger Überschreitungen führen. Das ist die Überlegung. Doch kaum sind die ersten Umweltzonen eingerichtet, brechen Kritiker eine heftige Debatte über ihren Sinn und Nutzen vom Zaun: Es wird bezweifelt, dass sie wirklich zu einer Entspannung der Situation führen. Man hört, der Anteil des Verkehrs an den Feinstaub-Emissionen sei gar nicht so hoch, wie es immer heißt. Der ADAC legt sogar ein Gutachten vor, das den innerstädtischen Verkehr gänzlich entlastet; für das Problem verantwortlich seien vielmehr aus der Ferne herantransportierte Feinstäube. Andere schließlich behaupten, es gebe gar keine Grundlage mehr für Fahrverbote in Umweltzonen. Sie verweisen auf das vergangene Jahr. Da meldete nicht einmal jede zehnte Messstation in ganz Deutschland Grenzwert-Überschreitungen.

    Mit solchen Einwänden ist man beim Umweltbundesamt in Dessau an der richtigen Adresse, der Fachbehörde des Bundesumweltministeriums. Ihr obliegt es, die Fahrverbotszonen zu begründen – und sie im Zweifel auch zu verteidigen. Der Chemiker Hans-Joachim Hummel, Leiter des Fachgebietes für Grundsatzfragen der Luftreinhaltung:

    "Es gibt schon über einen längeren Zeitraum Anstrengungen, die Feinstaub-Konzentrationen in der Luft zu senken. So sind zum Beispiel zwischen 2002 und 2003 viele Verordnungen, Gesetze erlassen worden, die den Feinstaub-Ausstoß von Großanlagen deutlich reduzieren. Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen, großtechnische Chemieanlagen. Nur: Die Maßnahmen in den Innenstädten, wo sehr deutlich der Verkehr eben derjenige ist, der diese Belastung herbeiführt, die müssen jetzt erst geschehen oder müssen geschehen. Und da ist die Umweltzone eine Maßnahme."

    Zurück in der Frankfurter Allee. Anja Kaupp und Rainer Nothard treffen mitten im Berliner Berufsverkehr an ihrem Messcontainer ein. Sie ist die zuständige Dezernentin der Senatsverwaltung, er der Leiter der Luftgüte-Messgruppe. Doch diesmal wartet eine Überraschung auf die Geoökologin und den Umweltschutz-Ingenieur. Den beiden schlägt schon beim Öffnen der Container-Tür ein Alarm entgegen. Nothard:

    "Ja, Arnold. Hier ist Rainer. Wir sind gerade hier im Container 174 und haben hier so ein Warngeräusch. Lässt sich irgendwie von der Zentrale aus erkennen, dass da ein Fehlerstatus aufgetaucht ist?"

    In der Mitte des Containers ragen Regale bis zur Raumdecke, bestückt mit Analysegeräten. Ihre Fühler strecken sie durch das Dach ins Freie. Damit fangen sie den gesundheitsrelevanten Feinstaub ein. Partikel mit Durchmessern bis zu zehn Mikrometern. Man spricht auch von PM-10. Der Alarm erweist sich am Ende als harmlos. Eines der Geräte signalisiert bloß, dass ein Wartungsintervall erreicht ist. Die Feinstaub-Messung funktioniert tadellos. Anja Kaupp:

    "Im Moment zeigt das automatische Messgerät 30 Mikrogramm pro Kubikmeter an. Das ist ein Kurzzeitwert."

    Mehr als 400 solcher Dauerstationen sind über ganz Deutschland verteilt und messen laufend die Luftverschmutzung – nicht nur in Straßenschluchten, sondern auch an verkehrsärmeren städtischen Punkten und auf dem Land. So lässt sich das ermitteln, was man Hintergrundbelastung nennt, im ländlichen Raum ist sie am niedrigsten.

    "Also, Sie erfassen dann nur das, was von Ferne an die Station herantransportiert wird. Im städtischen Hintergrund haben sie einen Mix aller städtischen Quellen, nämlich den Hausbrand, Verkehrsemissionen, in einiger Entfernung natürlich industrielle Quellen. Geht man an Orte, die stark verkehrsbelastet sind, dann bekommt man natürlich auch das Verkehrssignal besonders stark."

    Bei Arno Graff laufen die Messdaten aus dem ganzen Land zusammen. Auch der Meteorologe ist beim Umweltbundesamt beschäftigt. In seinem Fachgebiet wird genau Buch geführt über landesweite Feinstaub-Konzentrationen und Tage, an denen sie über dem Grenzwert liegen. Graff:

    "Und wenn man das Auswerteergebnis dann betrachtet, kann man ganz klar sehen, dass es nahezu keine Überschreitung im ländlichen Hintergrund gibt, wenige Überschreitungen im städtischen Hintergrund. Und der Großteil der Überschreitungen von Grenzwerten wird fast ausschließlich an städtischen verkehrsnahen Stationen gemessen. Und gegebenenfalls an einigen Standorten, die industriell geprägt sind."

    Es ist richtig: Luftmassen können über große Entfernungen herantransportiert werden. Durchaus auch aus Ballungsgebieten und Industrierevieren mit höherem Schadstoff-Ausstoß wie in Teilen Osteuropas. Doch importierter Feinstaub allein ist nicht das Problem. Auch diese These lässt sich laut Graff durch die Messreihen widerlegen:

    "Bei Feinstaub kann man bestenfalls in der Größenordnung von 50 Prozent übers Jahr hinweg dem Transport von außen in den Ballungsraum herein zuschreiben. Die anderen 50 Prozent sind in der Stadt selbst erzeugt. Würden wir nur den Ferntransport nehmen, gibt es in der Stadt keine Überschreitungen. Nehmen wir den städtischen Hintergrund mit dazu, gibt es am Beispiel Berlins auch noch keine Überschreitungen von mehr als 35 Tagen im Jahr. Und wenn man dann den Verkehrsanteil draufsetzt, kommt es zu diesen Überschreitungen."

    In den gängigen Staub-Messgeräten stecken kreisrunde Filter-Plättchen. Je partikelreicher die Außenluft, desto verdreckter sind sie am Ende, wenn sie im Labor gewogen werden.

    "Also 0,12031 in diesem Fall als bestaubtes Gewicht."

    Solche Analysen laufen nicht nur im Labor der Berliner Gesundheitsverwaltung, sondern auch in den Landesumweltämtern. Zum Beispiel in Stuttgart. Dort steht die Messstation mit den höchsten Feinstaubwerten in ganz Deutschland. Sie liegt mitten in der Stadt, am Neckartor. Etwa 80.000 Fahrzeuge passieren die Stelle jeden Tag.

    "Dann hat eben die Landesanstalt dort diese Messungen gemacht. Und dann hat man festgestellt, dass da zwischen 140 und 170 Überschreitungen des Tagesgrenzwertes von den Partikeln kleiner als zehn Mikrometer, PM-10, auftreten."

    Dass sich Günter Baumbach für diesen Messpunkt interessiert, braucht niemanden zu wundern. Er ist Professor für Luftreinhaltung an der Universität Stuttgart. Seiner Arbeitsgruppe bot sich die Gelegenheit direkt vor der eigenen Haustür:

    "Wie setzt sich denn der Staub zusammen, den man dort misst an dem Neckartor? Und was sind die Quellen und die Ursachen für diesen Staub? Wir haben dann Korngrößen fraktioniert gemessen, das heißt wir haben die Stäube in Größenklassen unterteilt. Und die wurden dann von einem Institut in Reutlingen näher untersucht, mit Rasterelektronen-Mikroskopie, so dass man dann ziemlich genau sagen konnte: In den einzelnen Korngrößen-Fraktionen befinden sich solche und solche Partikel."

    Die Analysen vom Neckartor tragen unverkennbar den Fingerabdruck des Straßenverkehrs. Demnach dominiert Dieselruß insbesondere die Größenklasse unterhalb von 2,5 Mikrometern, die sogenannte PM-2,5-Fraktion. Das sind die Teilchen, die am tiefsten in die Lunge vordringen. Baumbach und seine Mitarbeiter ermittelten, wie groß der Anteil des Diesel-Rußes am Feinstaub vor Ort genau ist:

    "Wenn jetzt alle mit Diesel-Rußfilter dort vorbeifahren würden, dann hätten wir im Maximum 18 Prozent Minderung."

    Von Peanuts kann man bei einem solchen Anteil sicher nicht sprechen.

    "Er ist deshalb relativ groß, weil dort eine Kreuzung ist und die Autos eben auch anfahren. Und beim Beschleunigen, da tritt einfach mehr Ruß aus als im stationären Betrieb."

    "Wir nehmen jetzt den 29.1. Und sagen von 0 Uhr"

    "Den ganzen Tag"

    "Ja, denke ich auch."

    "Bis zum 30.1., 0 Uhr."

    "So, nun wollen wir mal schauen. Ah ja, guck mal, Albrecht: 44 Mikrogramm für die Schildhornstraße."

    "44, ja."

    "Und beim 174er"

    "56 Mikrogramm."

    "An diesem einen ausgewählten Tag, am 29.1."

    Das Jahr 2008 begann standesgemäß. Am Messcontainer 174 in der Frankfurter Allee in Berlin wurde der Feinstaub-Grenzwert schon im Januar an sechs kalten Wintertagen überschritten. Entsprechend sorgenvoll der Blick auf die Monitore in der Messnetz-Zentrale. 2007 war das anders. Selbst an verkehrsreichen Straßen meldete nur jede fünfte deutsche Messstation überhöhte Feinstaubwerte an mehr als 35 Tagen des Jahres. Meteorologe Arno Graff vom Umweltbundesamt nennt den Grund dafür. Es lag an der Witterung:

    "Also, man könnte plakativ sagen: Es war ein verregneter Sommer. Und ein zu warmer Winter. Und das insgesamt hat dann dazu geführt, dass die Feinstaub-Konzentrationen vielleicht um die 15 Prozent niedriger waren, als man es in anderen Jahren ermittelt."

    Wenn es regnet, wird Feinstaub förmlich aus der Atmosphäre ausgewaschen, und wenn der Winter warm ist, kommt es seltener zu austauscharmen, sogenannten Inversionswetterlagen. Graff:

    "Bei der Inversion spricht man von einer Temperaturumkehr. Die Temperatur nimmt mit der Höhe zu. In der Regel ist es so, dass die Temperatur vom Boden hin mit der Höhe abnimmt. Das wirkt wie ein Deckel, der auf der Atmosphäre drauf ist. Und die Inversionswetterlagen sind auch damit verbunden, dass man vergleichsweise geringe Windgeschwindigkeiten hat, so dass insgesamt eine Akkumulation der Schadstoffe möglich wird."

    Doch das inversionsarme, eher nasse Jahr 2007 kann man nicht zum Maßstab machen. Auch wenn Zeitungsartikel in den letzten Wochen suggerierten, dass sich das Feinstaub-Problem zuletzt in Luft aufgelöst hat. Stimmt nicht, entgegnet Luftreinhaltungsexperte Günter Baumbach und verweist auf vorausgegangene Winter mit hohen Partikel-Belastungen:

    "Und auch diesen Winter hatten wir ganz kalte Luft hier und starke Inversionen. Und da waren natürlich auch die Werte ziemlich hoch gewesen. Also, wenn das mal einen Winter sehr milde ist, dann kann man nicht sagen, dass das Problem gelöst ist."

    Auch Arno Graff findet in seinen Messreihen keinen Hinweis auf eine Entspannung der Lage:

    "Also, einen Trend zur Abnahme der Feinstaub-Belastung kann man nicht erkennen. Es bleibt auf einem mittleren Niveau immer gleich."

    60 Kilometer südlich vom Neckartor in Stuttgart mit seinen Auto-Kolonnen. Ein kleiner Ort namens Bechtoldsweiler am Rande der Schwäbischen Alp. Ländliche Kulisse statt wummernder Motoren. Und doch ist die Luftreinhaltungsgruppe der Stuttgarter Universität auch hier präsent. Mitten im Dorf steht ein oranges Messmobil der Hochschule. Auf dem Dach bis zu vier Meter hohe Masten, bestückt mit stahlglänzenden Instrumenten. Im Inneren des Kastenwagens läuft eine Pumpe, die Luft ansaugt. Von ihrem Dröhnen lassen sich Lupin Hu und Keng Been Ang aber nicht stören. Lu kommt aus China, Ang aus Singapur. Auch sie gehören zur Arbeitsgruppe für Luftreinhaltung.

    "Moment! NO oder NOx?"

    "NO."

    "NO. 98 "

    "komma acht."

    "Aha, und NOx?"

    "99."

    "99,0."

    Ein klarer Fall, könnte man meinen. In Bechtoldsweiler messen die wissenschaftlichen Mitarbeiter von Günter Baumbach saubere Landluft. Doch so staubarm sind die Proben gar nicht, die die Forscher nehmen. In der kalten Jahreszeit wird in Bechtoldsweiler kräftig geheizt. Mit Holz. Baumbach:

    "Neben den Verkehrsemissionen sind jetzt die Holzfeuerungsemissionen als Feinstaub-Quelle ins Bewusstsein gerückt. Aus Klimaschutzgründen ist die Holzverbrennung sehr wünschenswert, weil die Bäume, während sie gewachsen sind, das CO2, was sie nachher bei der Verbrennung freisetzen, vorher aus der Luft aufgenommen haben. Deswegen gilt das als CO2-neutral. Wenn aber die Verbrennungstechnik so ist, dass es ständig zu unvollständiger Verbrennung kommt und zu Produkten von Ruß und Teer als feinste Partikelchen, dann muss da etwas getan werden."

    Ang: "OK, jetzt muss dieser Messwagen schließen."

    Baumbach: "Und bei uns laufen Forschungen, anhand der Staubanalysen nachzuweisen: Wie viel Prozent der Immissionsstäube stammen von den Holzfeuerungen? Es gibt da sogenannte Tracer-Substanzen, die charakteristisch sind für Holzverbrennung. Zum Beispiel aromatische Kohlenwasserstoffe. Das kann man nachweisen."

    Ang: "Dieser smell oder odor, das ist Geruch von Holzfeuerung."

    Ein komplettes Kataster der Kamine, Kachelöfen und Holz-Heizkessel in Deutschland existiert nicht. Man kann den Bestand höchstens schätzen. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass es rund 14 Millionen Holzfeuerungen sind. In der Fachbehörde kümmert sich Anja Behnke um diese Anlagen. Sie ist Ingenieurin für Technischen Umweltschutz:

    "Die Feinstaub-Emissionen aus kleinen Holzfeuerungen sind sehr relevant, liegen in der gleichen Größenordnung wie die Dieselruß-Emissionen der deutschen Fahrzeuge. Es spielt dabei immer noch eine Rolle, wo der Staub emittiert wird. Bei Holzfeuerungen wird der Staub ein bisschen höher emittiert, aus dem Schornstein. Aber immerhin noch mitten in Ortschaften. Und teilweise hat man da eben auch Stellen mit sehr hoher Belastung."

    Das Problem spitzt sich sogar noch zu. Behnke:

    "Die Emissionen aus Kleinfeuerungsanlagen steigen zur Zeit im Gegensatz zu den Emissionen aus dem Verkehr immer weiter an, weil eben der Holzeinsatz steigt."

    Auch aus einem anderen Grund dürfte der Hausbrand in Zukunft eine größere Rolle spielen als der Autoverkehr: Diesel-PKW und auch –LKW wird man nach und nach mit Partikelfiltern ausstatten. Behnke:

    "Holzheizungen werden zur Zeit auch gefördert. Aber wenn man die fördert, bekommen wir eben ein immer größeres Feinstaub-Problem, wenn wir nichts dagegen tun."

    Die größten Sorgen bereiten den Experten Kamine und Zimmeröfen, die von Hand mit Scheiten gefüttert werden. Oder Heizkessel, bei denen das verwendete Stückholz nicht gleichmäßig abbrennt. Günter Baumbach hatte solche Geräte wiederholt auf dem Institutsprüfstand:

    "Das Schlimmste ist zum Beispiel, wenn man den Ofen abends mit Holz voll legt, und dann geht die Luftklappe zu. Das kann bei Kachelöfen der Fall sein. Oder bei Holz-Heizkesseln, die die Temperatur erreicht haben. Und dann geht die Klappe zu, und die ganze Feuerung läuft ständig unter Schwelbrand."

    Wesentlich sauberer sind moderne, sogenannte Pellet-Heizungen. Sie laufen vollautomatisch, mit gepressten Holzspänen, die ein Tankwagen bringt und in den Vorratsspeicher pumpt. Doch letztlich lösen sich auch die Presslinge zum Teil in Staub auf. Behnke:


    "Immer noch deutlich höhere Staubemissionen als bei einer Öl- oder Gasheizung. Das muss man immer dazusagen. Auch die beste Holzheizung kommt da nicht heran. Ein Teil der Inhaltsstoffe im Holz kann einfach nicht verbrennen und gelangt dann eben entweder in die Asche oder als Staub in die Atmosphäre. Also, ganz diese gleichmäßige Verteilung, Zerstäubung wie beispielsweise beim Öl kriegt man einfach mit Holz oder mit einem festen Brennstoff nicht hin."

    Das Feinstaub-Problem nur am Verkehr festzumachen, greift also zu kurz. Im ländlichen Raum kann der Hausbrand die Partikel-Emissionen sogar dominieren. Baumbach:

    "In der Schweiz gab es Untersuchungen, also da war der Anteil der Holzfeuerungen größer als der Anteil von der vorbeiführenden Autobahn dort."

    In den Großstädten – dort, wo jetzt Umweltzonen etabliert werden – sieht die Sache aber anders aus. Baumbach:

    "Da muss ich sagen: Natürlich, in Stuttgart am Neckartor, da stammen 90 Prozent aus dem Verkehr."

    Dass Holzfeuerungen als Feinstaub-Quelle an Bedeutung gewinnen, stellt also nicht die Einrichtung von Fahrverbotszonen in Frage. In Ballungsräumen können sich Maßnahmen auf beiden Feldern sogar ergänzen. Behnke:

    "Es gibt auch eine Reihe von Städten, die schon etwas getan haben. Die in Brennstoff-Verordnungen zum Beispiel geregelt haben, welche Holzfeuerungen sie nicht mehr im Innenstadt-Gebiet haben wollen. Stuttgart beispielsweise, München, Regensburg."

    Außerdem ist es so, dass an einer Novelle der Bundesimmissionsschutz-Verordnung gearbeitet wird. Demnach sollen auch Kamine und Holzkessel in Zukunft Feinstaub-Grenzwerte einhalten. Umstritten ist aber, ob das auch für bestehende Anlagen gelten soll. Aus Sicht von Anja Behnke und des Umweltbundesamtes wäre das ratsam:

    "Wir gehen davon aus, dass ein relativ großer Anteil der Emissionen, die wir zur Zeit haben, von sehr alten Anlagen verursacht wird. Dass wir dann quasi bis zum Jahr 2020 kaum einen Fortschritt, was die Feinstaub-Emissionen betrifft, bekommen würden, wenn wir die Altanlagen rausließen, wenn wir die nicht berücksichtigen."

    Technisch umsetzbar wären Partikelfilter jedenfalls auch bei Kaminen und Kachelöfen. Behnke:

    "Es sind die ersten Filter auf dem Markt für derartige Kleinfeuerungsanlagen. Elektrostatische Abscheider. Die Staubpartikel werden elektrostatisch aufgeladen und scheiden sich dann an der Schornsteinwand ab."

    Im Kampf gegen gesundheitsschädlichen Feinstaub wird das Verursacherprinzip also konsequent weiterverfolgt. Zunächst haben Kraftwerke und andere Großanlagen ihre Emissionen gesenkt und die allgemeine Hintergrundbelastung auf diese Weise reduziert. In den Ballungszentren reguliert man nun durch Fahrverbotszonen den Autoverkehr - die Quelle der städtischen Spitzenbelastungen. Und wenn demnächst Holzöfen und –kessel ebenfalls Grenzwerte einhalten müssen, sollte die Feinstaubbelastung weiter sinken – in der Stadt wie auch auf dem Land.

    "This is the ,Langer Eugen’, former seat of parliament."

    Der "Lange Eugen", das berühmte frühere Abgeordneten-Hochhaus in Bonn. Heute residieren hier verschiedene Abteilungen der Vereinten Nationen.

    "This is my office. Seventeenth floor. And we have a view to the Rhine valley.”"

    17. Stock, freier Blick über den Rhein Richtung Köln – hier hat Michal Krzyzanowski sein Büro. Der polnische Wissenschaftler arbeitet für die Weltgesundheitsorganisation, WHO. Er ist Regionalbeauftragter für Luftqualität und Gesundheit in Europa. Krzyzanowski:

    ""Today we can see air pollution over Cologne and the Rhine valley"

    Feinstaub ist kein Phantom. Das bestätigt die trübe Aussicht an diesem Februar-Tag: Köln steckt in einer dichten, braunen Dunst-Glocke. Doch Krzyzanowski wendet sich ab. Er wirft lieber einen Blick in Studien, die sich mit dem Problem befassen. Und die die WHO dazu bewogen haben, scharfe Richtwerte für Feinstaub zu empfehlen:

    "”Diese Richtwerte stützen sich auf den aktuellen Forschungsstand. Und wir können heute mit größerer Bestimmtheit denn je sagen: Es gibt keine Unbedenklichkeits-Schwelle für Feinstaub. Selbst sehr niedrige Konzentrationen sind gesundheitsschädlich.""

    Der Richtwert der WHO liegt bei zehn Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Er bezieht sich allerdings nicht auf PM-10, sondern auf PM-2,5. Also auf die kleinste Staubfraktion, in die auch Diesel- und Holz-Ruß fallen. Diese Partikel sind zwar in PM-10 enthalten und werden heute schon miterfasst, aber nicht gesondert.

    "Zurzeit macht man die Hilfsannahme: Etwa die Hälfte von dem, was PM-10-Belastung ist, wird PM-2,5 sein, als Masse."

    Michael Schümann von der Behörde für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz der Stadt Hamburg. Der Gesundheitswissenschaftler zählt zu den Autoren von Studien, wie sie WHO-Experte Krzyzanowski in Bonn auf dem Tisch hat. Schümann war an einem kürzlich beendeten EU-Projekt beteiligt. Dabei ging es um PM-2,5. Und um die Frage, was es europäischen Metropolen bringen würde, die Belastung mit den besonders feinen Partikeln zu vermindern. Die Messtechnik kann PM-2,5 inzwischen akkurat bestimmen. Über 30 Großstädte waren in das europäische Forschungsnetzwerk eingebunden. Von Stockholm im Norden bis Athen im Süden. Für 26 von ihnen lagen am Ende belastbare epidemiologische Daten vor – über den Zusammenhang zwischen Feinstaub-Belastung und gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung. Schümann:

    "Wir können zeigen, in welcher Größenordnung welche Effekte verminder- und vermeidbar sind. Krankenhauseinweisungen, Vermeidung von Asthma-Anfällen bei Kindern, bei Erwachsenen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bis hin zur Sterblichkeit. Wenn wir diese Methodik anwenden, dann kommen wir zu dem Schluss: Wenn wir in Europa die PM-2,5-Fraktion des Feinstaubes absenken, dann würden wir etwa 22.000 vorzeitige Todesfälle vermeiden können."

    Und zwar Jahr für Jahr, in der Summe aller 26 Modellstädte. Die Voraussetzung: Man orientiert sich an dem WHO-Zielwert von 10 Mikrogramm PM-2,5, den Michal Krzyzanowski verfechtet. Dann müsste man die Konzentrationen in Europa in etwa halbieren. Krzyzanowski:

    "Die Menschen in Europa könnten nach unseren Schätzungen im Mittel acht Monate länger leben, wenn man die Luftverschmutzung so stark reduzierte. In einem Land wie Belgien mit seiner hohen Bevölkerungsdichte wären es sogar dreizehn Monate.""

    Solche Abschätzungen sind naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden. Dass die Zahlen genau so stimmen, kann niemand beschwören. Auch Michael Schümann nicht. Aber:

    "Da die Datenlage, wie sie heute ist, recht homogen die Risikosteigerung mit Feinstaub in der Bevölkerung zeigt, sind wir sicher, dass wir keine Fehlaussage machen."

    Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es demnach legitim, viel schärfere Maßnahmen gegen die unsichtbaren, lungengängigen Partikel zu ergreifen. Krzyzanowski:

    "”Die Feinstaub-Direktive ist ein Kompromiss zwischen Wissenschaft und Politik. Ich meine, wir können doch nicht sagen: Werden ihre Grenzwerte nur 34mal im Jahr überschritten, dann ist alles in Ordnung. Und sind es 36 Tage, dann haben wir ein Problem. Diese Regelung und auch die Höhe der Grenzwerte sind aus wissenschaftlicher Sicht willkürlich! Das kann wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss sein.""

    Auch wenn sie der Wissenschaft noch immer zu moderat sind: Viele deutsche Großstädte halten die gültigen Grenzwerte für Feinstaub dennoch nicht ein. Dort ist der Autoverkehr Studien zufolge die dominierende Partikel-Quelle. Kamine und Holzheizungen verschärfen das Problem noch. Auch sie emittieren feine Rußpartikel, Tendenz steigend. Eine Unbedenklichkeitsschwelle für diese Sorte Staub kann die Wissenschaft nicht liefern. Zumal Ruß als Krebsgift eingestuft ist. Durch Umweltzonen wird die Feinstaub-Belastung in den Städten sinken, wie Simulationen ergeben. Auch Holzfeuerungen lassen sich mit Partikelabscheidern aus- oder nachrüsten, genauso wie Diesel-Fahrzeuge. Für Gesundheitswissenschaftler steht der Nutzen außer Frage. Schümann:

    "Es trifft junge Kinder, empfindliche Kinder. Es trifft vorgeschädigte Personen. Und es trifft alte Personen mit anderen Beeinträchtigungen. Das heißt, es handelt sich nicht um ein Risiko, bei dem man individuell entscheiden könnte, ob wir dieses Risiko auf uns nehmen oder ob wir dieses Risiko vermeiden. Luftbelastung kann niemand ausweichen."