Auch fünf Jahre nach dem Einsturz des Stadtarchivs klafft an der Unglücksstelle ein tiefes Loch. Beton und Stahlträger verhindern, dass es einbricht. Leitungen, Rohre und eine provisorische Treppe führen hinab in die Tiefe:
"Wir sind jetzt in einer zentralen Phase der Beweiserhebung, also der Klärung der Schadensursache. Die ersten Jahre waren eben geprägt dadurch, dass man zunächst die unter Wasser liegenden Archivalien geborgen hat. Man ist jetzt seit anderthalb Jahren damit beschäftigt, eine Besichtigungsbaugrube zu erstellen."
Christian Moormann von der Universität Stuttgart. Er ist Gutachter für die Stadt Köln. Die Besichtigungsbaugrube ist ein schmaler, rechteckiger Schacht, der gefüllt ist mit grünlich-grauem Grundwasser. Ausgehoben wurde er an einer sogenannten Schlitzwand - einer Stützwand also, die eigentlich verhindern sollte, das Erdreich oder Wasser in die Baugrube eindringen. Für die Beweisaufnahme sind viele Untersuchungen durchgeführt worden. Es gab Bohrungen und geophysikalische Messungen - und das Ergebnis war, dass genau im Bereich dieser Schlitzwand Unregelmäßigkeiten auftreten:
"Was man sehen konnte, ist, dass tatsächlich deutliche Auflockerungen im Bereich dieser Schlitzwand zu erkennen sind. Das heißt, das hat tatsächlich dazu geführt, dass dort eine Wasserströmung stattgefunden hat, wo auch Boden transportiert wurde",
erklärt Conrad Boley von der Universität der Bundeswehr in München. Auch er ist Gutachter, und zwar geht es bei seiner Arbeit darum, herauszufinden, wie die U-Bahn später fertiggestellt werden kann:
"Man hat auch herausgefunden, das könnte noch wichtig werden, dass der Baugrund sich etwas anders darstellte, als man das ursprünglich meinte."
Klebrige Braunkohlenschicht im Boden könnte Statik verändert haben
Denn im Bereich des eingestürzten Stadtarchivs liegt im Boden eine klebrige Braunkohlenschicht. Die könnte Wasser aufgestaut und damit die Statik verändert haben. Auch die genaue Analyse der Probleme, die beim Bau auftraten, gibt Aufschluss darüber, wo die Unfallursache zu suchen ist. So werden unterirdische Schlitzwände Stück für Stück errichtet - oder Lamelle für Lamelle, wie der Fachmann sagt. Und beim Einsturz dreht sich anscheinend alles um das Geschehen an Lamelle 11 - der Lamelle, die diese Schlitzwand schließen sollte. Christian Moormann:
"Es gab dort Schwierigkeiten just in diesem Bereich, die letzte Lamelle in der Wand herzustellen. Es gibt Auffälligkeiten beim Betonieren der Schlitzwand, sodass man eben allein aus diesen Überlegungen heraus schon hier Verdachtsbereiche hat."
Hinweise darauf, was am 3. März 2009 passiert sein könnte, gibt es also viele. Die große Frage ist nun, wo genau Lamelle 11 versagt hat. Conrad Boley:
"In welcher Tiefe bei Lamelle elf ist das Loch? Ist das Loch in der Schlitzwand selbst, das heißt, zum Beispiel in der Fuge? Ist diese Fuge nicht in Ordnung und kam da das Wasser durch und auch der Sand? Oder fand das Ganze quasi etwas weiter unten statt, nämlich um den Fuß der Schlitzwand herum?"
Begann also Grundwasser um den Fuß dieser Schlitzwand herum zu strömen und den Boden mit sich zu reißen? In diesem Fall wäre eher die Firma in der Haftung, die den Baugrund untersucht hat. Beim Loch in der Schlitzwand selbst wäre es die Baufirma. Die Indizien deuten derzeit eher in Richtung eines Fugenfehlers bei Lamelle 11. Die endgültige Antwort liegt jedoch etliche Meter tief im Grundwasser verborgen. Deshalb sollen im März Spezialtaucher in die Besichtigungsbaugrube hinabsteigen und dabei jedes Detail aufnehmen:
"Es ist vorgesehen, dass dann Taucher runtergehen und das alles online aufzeichnen. Oben wird dann das Ganze übertragen in ein Baubüro, wo nicht nur der Gerichtsgutachter sitzt, sondern auch andere Beteiligte, sodass sich alle direkt ein Bild machen können. "
Das Verfahren sei getestet worden und die Aussagekraft dieser Videoaufnahmen hoch, urteilt Conrad Boley. Gegen Ende des Jahres sollen die Ergebnisse feststehen.