Archiv


Stadtentwicklung in 3D

IT.- Um geplante Großbauprojekte zu präsentieren, setzen immer mehr Städte auf 3D-Modelle. In der Regel müssen diese aber extra angefertigt werden und zeigen nur den jeweils aktuellen Planungsstand. Forscher aus Darmstadt haben eine Software entwickelt, mit der die Planungen der Behörden kontinuierlich im Internet verfolgt werden können.

Von Carina Frey |
    20 Jahre Planung und am Ende sind doch alle unzufrieden. Beim Bahnprojekt Stuttgart 21 ist vieles schief gelaufen. Viele Bürger fühlen sich übergangen und demonstrieren, die Politik streitet, die Bahn muss sich mit Klagen herumschlagen. Das alles könnte vermieden werden, wenn die Bürger kontinuierlich in Stadtentwicklungsprojekte eingebunden würden, glauben Forscher aus Darmstadt. Sie haben eine Software entwickelt, die genau das leisten soll.

    "Unsere Idealvorstellung ist eigentlich, dass zukünftig die Bürgerbeteiligung und der Planungsprozess in der Fachbehörde parallel laufen. Dass also nicht mehr in dem Planungsprozess irgendwann ein Schritt ist: Wir fragen jetzt mal die Bürger, was halten die davon? Sondern, dass man wirklich einen Prozess hat, in dem beide parallel laufen und sich regelmäßig austauschen können. Dafür wollen wir es möglichst leicht machen, Anwendungen zu erstellen. Weil wir denken, dass es etwas ist, was man mit IT-Werkzeugen gut unterstützten kann",

    sagt Thorsten Reitz vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt. Er steht vor einem riesigen Touchscreen-Computer und öffnet eine Datei mit Gebäudeinformationen. Wenige Augenblicke später werden die Häuser als dreidimensionale Klötzchen angezeigt. Ein weiterer Klick, die Klötzchen bekommen Texturen und lassen sich klar als Bürogebäude oder Wohnhaus erkennen. Das verwendete Programm heißt Cityserver3D. Es ermöglicht Behörden, in unterschiedlichen Dokumenten oder Datenbanken vorliegende Geodaten wie Luftbilder, Gebäudegrundrisse oder Architektenmodelle zusammenzuführen. Das Programm stellt sie automatisch als dreidimensionales Stadtmodell dar. Das Modell lässt sich jederzeit verändern, indem neue Entwürfe eingefügt werden.

    "Das System kümmert sich darum, sicherzustellen, dass die Daten tatsächlich für jeden immer aktuell sind. Dass nicht zwei Sachbearbeiter versuchen, denselben Datensatz zu verändern. Und stellt allgemein sicher, dass alle Änderungen, die eingepflegt werden konsistent bleiben."

    Die Software soll Behörden städtebauliche Planungen erleichtern. Denn im 3D-Modell lassen sich die Vor- und Nachteile verschiedener Entwürfe besser erkennen. Die Planer können sich außerdem anzeigen lassen, wo ein neues Gebäude im Tagesverlauf Schatten wirft. Oder wie sich Lärm in Straßenschluchten ausbreitet. Genau diese Informationen sollen aber auch die Bürger bekommen. Denn sie müssen schließlich im Schatten oder mit dem Lärm leben. Das 3D-Modell liegt auf einem Internet-Server. Plant die Stadt zum Beispiel ein neues Einkaufszentrum, kann sie die verschiedenen Entwürfe in das 3D-Modell integrieren. Mit einem Klick bekommen die Bürger die unterschiedlichen Entwürfe angezeigt. Sie brauchen dafür nicht mehr als einen aktuellen Webbrowser.

    "Dadurch, dass immer auf den aktuellen Datenbestand zurückgegriffen werden kann, ist es eben so, dass jede Veränderung im Planungsprozess, eine neue Variante oder so etwas, auch direkt für die Bürger sichtbar wird",

    erklärt Reitz. Zu allen Objekten lassen sich Hintergrundinformationen einfügen – etwa zu Bebauungsvorschriften. Die Bürger können Kommentare abgeben und Kritik äußern. Außerdem haben sie die Möglichkeit, eigene Datenbestände einzufügen. Wollen Naturschützer beispielsweise zeigen, wo seltene Vögel in der Stadt leben, können sie diese Daten ergänzen.

    "Was unserer Meinung nach sehr wichtig ist, dass man auch wirklich gestalten kann. Dass ich nicht nur auf einen Planungsentwurf, den ich vorgesetzt bekomme, reagieren kann, sondern dass ich auch eigene Ideen wirklich einbringen kann."

    Deshalb soll es bald möglich sein, die Planungsentwürfe zu bearbeiten – etwa Gebäude zu verschieben oder Straßen zu versetzen. Dass 3D-Stadtmodelle zur Bürgerbeteiligung eingesetzt werden, ist nichts Neues. Bisher würden sie aber vor allem auf Bürgerversammlungen präsentiert, so Egbert Casper. Er ist Sprecher der Special Interest Group 3D, in der sich rund 60 Städte, Firmen und Forschungseinrichtungen engagieren. Das Besondere am Cityserver sei, dass er Standarddienste verwendet und die Planungsdaten auf die Endgeräte der Nutzer bringt. Das stoße die Tür zur breiten Bürgerbeteiligung auf. Wie die in der Praxis aussehen könnte, haben die Fraunhofer-Forscher in Italien getestet.

    "Eine Anwendung, die wir jetzt beispielsweise für die Stadt Bologna gemacht haben, beschäftigt sich damit, wo die Bürger gerne Radrouten entlang hätten. Und das kann man eben interaktiv machen. Dann kann also ein Bürger zum Beispiel sagen, ich möchte genau diese Strecke abfahren, klickt sich dann von einem Wegpunkt zum nächsten durch und all diese Radrouten können dann gesammelt und gemeinsam ausgewertet werden. So dass die Stadt am Ende weiß, wo tatsächlich Radwege gebaut werden müssen."