Der Deutsche Wetterdienst hat einen digitalen Werkzeugkasten vorgestellt, mit dem Städte sich besser auf den Klimawandel vorbreiten können sollen. Städte werden den Klimawandel besonders zu spüren bekommen: 70 Prozent der Deutschen leben in Städten. Städte sind aufgrund des sogenannten Wärmeinsel-Effekts immer wärmer als das Umland, manchmal bis zu zehn Grad wärmer, und die Bewohner der Städte werden immer älter.
"Das führt dazu, dass wir relativ hohe Temperaturen haben mit einer relativ anfälligen Bevölkerungsstruktur. Das macht eine relativ explosive Mischung", sagt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes. Gleichzeitig seien die Werkzeuge aber bekannt, mit denen sich Städte für den Klimawandel wappnen können: Mehr Freiflächen, mehr Grün, aufgelockerte Bebauung, Gründächer, mehr Wasserflächen.
Was hilft am besten?
Aber welche dieser Maßnahmen ist am effektivsten? Welche bringt mit dem vorhandenen Budget die größte Abkühlung? Das war bisher für kleine Städte und Kommunen schwer zu sagen. Der Deutsche Wetterdienst hat die Temperatur-Effekte von Freiflächen, Dachbegrünung und so weiter für für große deutsche Städte wie Berlin und München simuliert - aber diese Berechnungen dauern pro Stadt ein bis zwei Jahre. Deswegen hat der Deutsche Wetterdienst jetzt eine abgespeckte Version ins Netz gestellt. Unter www.dwd.de/inkas soll jeder für sein Quartier schnell berechnen können, wie sich dort konkret die Temperatur senken lässt, sagt Paul Becker vom DWD:
"Ich gucke mir meine kleine Stadt an oder mein Stadtquartier und probiere dann bestimmte Maßnahmen aus, spielerisch. Ich kenne ja die Stellschrauben, ich kenne die Werkzeuge, dann probiere ich aus, was bringt die Dachbegrünung bei mir? Um wie viel kann ich die Temperatur senken, wenn ich die Dachbegrünung einsetze? Um wie viel Grad kann ich die Temperatur senken, wenn ich die Versiegelung verringere? Ich kann dann sofort, die Effekte sehen, ich brauche nicht lange rumrechnen, es dauert nicht ein Jahr, bis ich das Ergebnis habe. Innerhalb von wenigen Sekunden sehe ich den Effekt meiner Maßnahme."
Auf der Seite finden sich genau genommen keine Berechnungen, sondern nur Modelle. Das heißt: Man kann nicht das Quartier Körnerpark in Berlin Neukölln auswählen, sondern den Typ "Altbaubezirk mit Park", dazu die Größe und ein paar andere Angaben. Die angezeigten Ergebnisse basieren auf den Berechnungen des DWD:
"Sie sind natürlich nur ein Modell. Sie haben nicht die gleiche Verlässlichkeit wie eine komplette Simulation, aber sie geben einen guten Eindruck, was ich erreichen kann. Wenn ich erkenne, ok, ich habe jetzt mit 80 Prozent Grünflächenanteil in meinem Quartier eine Temperaturreduktion erreicht, dann ist das eine Aussage. Dann kann ich eine andere Maßnahme elektronisch ausprobieren, ich reduziere den Versiegelungsgrad oder ich baue einen kleinen See ein und dann sehe ich sofort, die Maßnahme bringt nur die Hälfte der anderen oder das Doppelte. Bevor ich diese Maßnahme tatsächlich durchgeführt habe, kann ich sehen, ok, das wird wohl ungefähr dabei heraus kommen. Man darf das nicht auf ein Zehntelgrad auswerten, das macht sicher keinen Sinn, aber man kann die Maßnahmen vergleichen."
"Hitze tötet"
Bisher sagen die Modelle nur etwas darüber, wie sich bestimmte Baumaßnahmen auf die Temperatur auswirken. Regen und Starkregen seien viel schwieriger simulieren, sagt Paul Becker, für das Leben der Menschen sei die Temperatur auch viel wichtiger:
"Hitze tötet. Wir hatten in 2003 mehrere Tausend Tote. Temperatur, das hört sich so harmlos an, aber sie ist ein Killer. Wen wir viel Tage lang über 35 Grad haben oder die Nachttemperatur viele Tage nicht unter 25 Grad absinken, das belastet den menschlichen Organismus enorm."