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Stadtwerke-Affäre in Köln
Unterschriften gegen den Kölschen Klüngel

Erst der Einsturz des Kölner Stadtarchivs, jetzt die Stadtwerke-Affäre, bei der die Parteispitzen von CDU, SPD und Grünen dem SPD-Fraktionschef Martin Börschel ohne Ausschreibung einen hoch dotierten Posten verschaffen wollten: Die Bündnis "Köln kann auch anders" sagt dem sogenannten Kölschen Klüngel den Kampf an.

Von Moritz Küpper |
    Burkhard Krems (l.) und Frank Deja von der Initiative "Köln kann auch anders"
    Das Bündnis "Köln kann auch anders" wehrt sich gegen den Kölschen Klüngel (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
    Der Wochenmarkt in Köln-Riehl, einem Stadtteil im Kölner Norden, direkt am Rhein gelegen. Frank Deja, 61 Jahre alt, schwarze Jeans, dunkelblaue Daunenjacke, randlose Brille, steht zwischen einem Metzgerwagen und einer Kleiderstange:
    "Guten Tag möchten Sie sich einmischen bei der Stadtwerke-Affäre?"
    Mit Kugelschreiber und Unterschriftenliste spricht Deja, der eigentlich als freiberuflicher Simultan-Dolmetscher arbeitet, die Marktbesucher an. Eine junge Frau bleibt stehen:
    "Ja, sehr gut, einmischen ist immer gut. Sie erinnern sich, worum es geht? Martin Börschel diesen Posten zuzuschanzen?" - "Ja, so ein bisschen." - "Also, wie sind die Initiative ‚Köln kann auch anders‘. Wir sammeln hier für diese Forderungen Unterschriften, wenn wir 8.000 Unterschriften für einen Einwohnerantrag zusammenbekommen, dann muss der Rat sich mit diesen vier Forderungen befassen."
    Deja zeigt auf das Papier….
    "Ich kann das auch alles für sie halten."
    "Alles gut."
    "Was da geschehen ist, ist klar rechtswidrig"
    Während die junge Frau sich einträgt.
    "Vollständige Aufklärung. Wer genau hat was getan? Vor allen Dingen soll der Rat anerkennen und erklären, dass es sich um eindeutig rechtswidriges Verhalten handelt, das ist nämlich völlig unter den Tisch gefallen bisher. Und dass der Rat sich auch mit der Forderung befasst, dass die Akteure dieses Vorgehens, dieses rechtswidrigen Vorgehens von allen Funktionen, die sie im Namen der Stadt innehaben zurücktreten. Also nicht nur aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke."
    Grundlage für diesen Antrag ist Paragraf 113, Absatz 5 der Gemeindeordnung NRW. Demnach haben Vertreter der Gemeinde in städtischen Unternehmen – Zitat - "den Rat über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig zu unterrichten", erklärt Burkhard Krems, der neben Deja auf dem Markt steht. Der 74-Jährige ist Verwaltungswissenschaftler, arbeitete einst als Professor und berät das nun Bündnis:
    "Was da geschehen ist, ist klar rechtswidrig. Denn in der Gemeindeordnung steht drin, dass die Aufsichtsräte ein imperatives Mandat des Rates haben. Und aus diesem Grunde müssen sie sich beim Rat auch vergewissern und rückmelden und müssen den Rat informieren, damit der überhaupt seine Funktion zur Steuerung der Beteiligung auch wahrnehmen kann."
    Unterschriftenaktion soll Kölner Klüngel transparenter machen
    All das blieb wohl aus – und rief das Bündnis "Köln kann auch anders" auf den Plan – wieder einmal: Einst im Jahr 2009 nach Einsturz des Kölner Stadtarchivs gegründet, verstehen sich Deja und seine Mitstreiter als wachsame Bürger einer skandalgeprägten Stadt:
    "Der Einsturz des Stadtarchivs hat für viele von uns das Fass zum Überlaufen gebracht. Wir leiden ja schon lange darunter, dass unsere Stadt immer wieder negativ in den Schlagzeilen auftaucht, weil sie auf der anderen Seite ein unglaublich hohes Potenzial hat. Es gibt so viel engagierte Bürger, es gibt so viele tolle Initiativen in dieser Stadt, die aus dem Nichts entstehen."
    Aber stattdessen dominieren nun wieder Klüngel-Schlagzeilen: Der Eindruck, dass die Kölner SPD, aber auch die örtliche CDU, die Schlagzeilen nun einfach aussitzen wollen, verwundert Deja:
    "Was diese Akteure in der Stadtwerke-Affäre getan haben, führt aber nur dazu, dass in der breiten Bürgerschaft es wieder heißt: Ja, die Politiker, alle in einen Sack, und so weiter… Von daher verstehe ich das Verhalten der Parteien nicht. Sie müssen eigentlich ein Interesse daran haben, ihre eigene Ehre zu retten und zu verteidigen."
    Prominente Unterstützung
    Unterstützung in der Sache, bekommen Deja, Krems und alle Unterzeichner vom namentlich wohl bekanntesten Kölner, von Konrad Adenauer:
    "Ja, die Bevölkerung war in Köln sehr enttäuscht, dass diese Machenschaften, die es früher mal gab, wieder aufgelebt sind und dass das so ziemlich schnell zugekehrt worden ist, von den beteiligten Parteien. Und ich find gut, wenn eine ordentlich öffentliche Verurteilung stattfindet auch in den Ratsgremien."
    Für den Enkel des ersten Bundeskanzlers der Republik sowie früheren Kölner Oberbürgermeisters, einst selbst Notar in der Domstadt, braucht es nun ein öffentlichkeitswirksames Zeichen:
    "War ja ein ganz brutales Vorgehen, kann man sagen. So brutal offen, wie man sich das gar nicht vorstellen. Wie ein Mord auf offener Bühne. Da kann man sich auch nur von reinigen, in dem man das eben auch restlos aufklärt und das muss dann auch an oberster Stelle geschehen, im Rat."
    Das Bezirksrathaus Köln-Rodenkirchen, gestern Abend. Trotz WM-Spielen und sommerlichen Wetter sind knapp 80 Menschen gekommen. Podiumsdiskussion mit Bernd Petelkau, dem Kölner CDU-Chef, Vorsitzender der Ratsfraktion sowie NRW-Landtagsabgeordneten. Während bei den Kölner Grünen eine zentrale Figur seinen kompletten Rückzug angekündigt hat und auch SPD-Hauptprotagonist Martin Börschel wohl keine Zukunft mehr hat, hat sich Petelkau als zentrale CDU-Figur nur aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke zurückgezogen – und um Entschuldigung gebeten. Der Unmut in der ohnehin zerstritten örtlichen CDU ist groß:
    "Ich kann mir nicht vorstellen, wenn ich ihr Amt gehabt hätte, dass ich dann weiter die CDU-Köln mit rund 4.000 Mitgliedern als Spitzenfunktionär weiter führe, obwohl ich gegen die Grundsätze unserer Partei zig-mal verstoßen habe."
    Warum ohne Ausschreibung? Warum einen Posten ausgerechnet für einen SPD-Mann? Nach gut 90 Minuten ist die Veranstaltung rum – und Petelkau bleibt bei seiner Linie:
    "Wir haben hier, ich sag mal, die Verantwortung, wo der Fehler passiert ist im Aufsichtsrat Stadtwerke, habe ich unmittelbar gezogen. Die Konsequenz war notwendig, aber ich sag mal: Von den anderen Konsequenzen sehe ich die Notwendigkeit nicht."
    In Köln-Riehl, auf dem Wochenmarkt, klingt das anders. Dort gibt es viele Unterschriften für Frank Deja und das Bündnis "Köln kann auch anders".
    "Was jetzt hier los ist, ist nicht zu fassen, ne."
    Die ältere Frau unterschreibt, Frank Deja assistiert:
    "So, Sie müssen das leider vollständig ausfüllen. Name, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift, damit die Unterschrift gilt."
    Und gut 500 der erforderlichen 8000 Unterschriften haben sie bereits.