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Städte- und Gemeindebund zu Coronaimpfung
Landsberg: Politiker sollen öffentlich sagen, dass sie sich impfen lassen

Die Vorbereitungen für eine flächendeckende freiwillige Impfung gegen das Coronavirus laufen. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hält Deutschland für gut gerüstet. Gegen eine mangelnde Impfbereitschaft könne eine Informationskampagne helfen, sagte Landsberg im Dlf.

Gerd Landsberg im Gespräch mit Friedbert Meurer |
Blick auf das Impfzentrum der Stadt, welches provisorisch in der Sporthalle am Schlosswall errichtet worden ist.
Schon bald sollen in 400 Impfzentren deutschlandweit täglich mehrere tausend Menschen geimpft werden (dpa / picture alliance / Friso Gentsch)
Während sich die Corona-Pandemie immer weiter zuspitzt, laufen die Vorbereitungen für eine flächendeckende freiwillige Impfung auf Hochtouren. Vor allem logistische Fragen stellen eine Herausforderung dar.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes erklärte im Deutschlandfunk, dass die 400 Impfzentren in Deutschland jedoch soweit aufgebaut sind, dass sie einsatzbereit sind. Er glaube auch nicht, dass es zu wenig Wirkstoffe für die Bevölkerung geben werde, betonte Landsberg. Mit Blick auf Berichte über eine mangelnde Impfbereitschaft sprach er sich für eine Informationskampagne aus. Aber auch eine nachvollziehbare Priorisierung könnte laut Landsberg helfen.
Zudem erklärt er, wie die Massenimpfung ablaufen soll: Hat das Impfen einmal begonnen, werden sich Impfwillige bei einer Hotline melden können, wo festgestellt wird, in welche Prioritäten-Kategorie sie fallen. Dann werden ihnen per Brief oder Mail zwei Impftermine mitgeteilt
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Friedbert Meurer: Ist Deutschland gut gerüstet, um jetzt mit den Massenimpfungen zu beginnen?
Gerd Landsberg: Ich glaube schon, dass wir gut gerüstet sind. Wir haben ja seit Wochen, Bund, Länder und Kommunen gemeinsam, 400 Impfzentren aufgebaut, die auch eingerichtet sind. Das Personal ist von den Kassenärztlichen Vereinigungen bereitgestellt worden. Man hat, nur mal um eine Zahl zu nennen, allein 10.000 Ärzte zusätzlich gewinnen können, die entweder vorher in Teilzeit waren oder schon pensioniert waren. Aus unserer Sicht kann es losgehen. Das ist natürlich eine Mammutaufgabe, so was hat es noch nie gegeben. Das wird am Anfang immer wieder Schwierigkeiten geben, klar.
Meurer: Jetzt wird heute der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorstellen, wie die Prioritätenreihenfolge sein soll. Es heißt, es könnte vielleicht ein bisschen von dem abweichen, was die Impfkommission vorgeschlagen hat. Es geht vielleicht in die Richtung weniger Kategorien. Ist es für Sie das Wichtigste, dass das jetzt endlich klar ist?
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Landsberg: Das ist ganz wichtig, denn entscheidend ist ja, wer wird wann wo wie geimpft, und da sind natürlich drei Kategorien, die jetzt ja wohl kommen, nämlich höchste Priorität, hohe und erhöhte, besser, als wenn Sie fünf oder sechs Kategorien haben. Auch für die Bürgerinnen und Bürger ist das leichter verständlich.
Das Foto zeigt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Gerd Landsberg ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (imago stock&people)
Meurer: Wieso ist das besser?
Landsberg: Na ja, weil Sie so ganz klar wissen, fangen wir mal mit der höchsten Priorität an. Da heißt es, Personen über 80. Das weiß jeder, der kennt sein Geburtsdatum. Personen in Alten- und Pflegeheimen, Personal auf Intensivstationen, das ist relativ einfach. Dann wird die nächste hohe Priorität ab 75 sein und erhöhte dann ab 60. Natürlich gibt es immer Grenzbereiche mit Vorerkrankungen, aber das ist zumindest für jemanden, der sich nicht ständig damit beschäftigt, finde ich, ganz gut nachvollziehbar.
So bekommt man einen Impftermin
Meurer: Wie werden, Herr Landsberg, die Deutschen informiert?
Landsberg: Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Länder arbeiten in der Regel mit einer zentralen Terminvergabe. Das heißt, wenn Sie mal ein Beispiel nehmen: Jemand ist über 80, dann kann er bei der Hotline anrufen. Dann stellen die das fest. Dann bekommt er schriftlich oder per E-Mail einen Termin, wo, wann wird er geimpft, und er bekommt nicht nur einen Termin, sondern ein sogenanntes Pärchen, weil er ja zweimal geimpft werden muss. Das wird die zentrale Herausforderung sein, diese ganzen Schreiben zu versenden und dass sie dann auch richtig sind.
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Meurer: Bekommt jeder ein Schreiben in Deutschland? 82 Millionen Schreiben?
Landsberg: Das geht ja nach und nach. Aber wie gesagt, die Bundesländer machen das unterschiedlich. Teilweise wird das auch über öffentliche Aufrufe erfolgen. Aber gedacht ist daran, dass am Ende jeder ein Schreiben bekommt, jedenfalls mit dem Termin und dem entsprechenden Code.
Meurer: Will sagen, niemand soll einfach so anrufen und sagen, ich will jetzt einen Termin haben? So einfach geht es nicht?
Landsberg: Das könnte er tun und dann wird geprüft, in welcher Kategorie ist er. Ist er über 80, dann wird er das bekommen. Nur das Problem bei der Terminvergabe ist ja noch ein anderes. Wir haben jetzt in der ersten Phase in diesem Jahr etwa 400.000 Impfdosen. Im ersten Quartal werden es 13 Millionen sein. Das heißt, bei der Terminvergabe muss sichergestellt werden, dass an dem Termin auch der Impfstoff da ist, und das ist auch nicht so ganz einfach.
Meurer: Es heißt, es gibt zu wenig Impfdosen. Ist das eine Sorge von Ihnen, dass es mehr Termine geben könnte, die Kapazität größer ist, aber es können nur zur Hälfte die Termine gebucht werden, weil zu wenig Impfdosen da sind? Kann es so kommen?
Landsberg: Das glaube ich nicht. Sie wissen ja auch, dass viele Leute, auch wenn sie geimpft werden könnten, es vielleicht gar nicht wollen. Wir brauchen ja mindestens 60, 70 Prozent der Menschen, die sich impfen lassen. Die Umfragen sind unterschiedlich. Einige sagen 50, einige sagen 60. Ich höre auch, dass Leute teilweise sagen, aber am Anfang, da möchte ich nicht geimpft werden, ich warte erst mal ab, wie sich das entwickelt. Das wird natürlich auch noch eine Auswirkung haben. Wenn jemand zwar berechtigt ist, aber es nicht will, dann muss natürlich sichergestellt werden, dass ein andere –ich nenne das jetzt mal so – nachrücken kann. Insofern ist das von dieser Terminorganisation schon eine Herausforderung. Aber dass wir zu wenig Impfstoffe haben, glaube ich nicht. Es wird ja weitere Zulassungen geben. Nur das wird natürlich auch ein bisschen dauern.
Alter und Vorerkrankungen sind entscheidend
Meurer: Sie haben, Herr Landsberg, eben gesagt, vermutlich wird es drei Kategorien geben, höchste, hohe, erhöhte Priorität. Geht es da, soweit Sie wissen, dann nur noch um das Alter, über 80, über 75, über 60, und der Gesundheitszustand spielt keine Rolle mehr?
Landsberg: Nein! Das ist nur ein grobes Kriterium. Natürlich werden Risikogruppen, auch wenn sie jetzt nicht 75 sind, in der hohen Priorität vorrangig geimpft werden können. Das muss dann der jeweilige Arzt bescheinigen. Diese Bescheinigungen müssen dann vorgelegt werden. Da gibt es eine Vielzahl von Gruppen. Diese sogenannte Impfverordnung ist auch nicht nur ein Werk mit wenigen Paragraphen, sondern mit sehr vielen Details.
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Meurer: Muss jedes Mal ein Arzt dann ein Attest ausstellen? Das wird ja Millionen von Arztbesuche geben.
Landsberg: Wenn Sie in der Tat in einer höheren Gruppe sind, wenn Sie vorzeitig geimpft werden wollen, dann brauchen Sie dazu eine Bestätigung, wobei häufig natürlich die Krankenkassen ja diese Daten alle haben. Wenn Sie eine Krebsoperation hatten, das ist ja alles dokumentiert. Das ist auch noch mal die Frage, inwieweit die Kassenärztlichen Vereinigungen dann auch zusammen mit den Krankenkassen diese Dinge feststellen können. Auch da müssen natürlich die Gruppen klar beschrieben werden.
Meurer: Können da die Informationen einfach so weitergegeben werden? Da gibt es keine Probleme beispielsweise mit Datenschutz oder irgendwelchen Vorschriften? Wer irgendwo eine Akte hat, das wird dann zentral weitergegeben?
Landsberg: Nein, das wird es sicherlich nicht. Aber es geht ja um das Verhältnis der Krankenkasse zu ihrem Kunden und natürlich könnte eine Krankenkasse ihrem Kunden zum Beispiel ein Schreiben schicken und sagen, Du bist zwar noch nicht 75, aber Du hast ja die und die Erkrankungen, und wenn Du willst, schicken wir Dir eine Bestätigung, mit der kannst Du dann vorzeitig geimpft werden. Das würde den Datenschutz nicht beeinträchtigen.
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Meurer: Wenn jemand geimpft wurde, ein erstes Mal, ein zweites Mal, wie wird das festgehalten und registriert?
Landsberg: Da wird es sicherlich eine Dokumentation geben gegenüber dem Geimpften. Sie haben ja jetzt auch, wenn Sie sich gegen Masern oder sonst was impfen lassen, einen Impfpass. Aber es wird keine öffentlich zugängliche Information geben, Herr Müller ist geimpft und Herr Meyer nicht. Das wird es ganz sicherlich nicht geben.
Meurer: Öffentlich zugänglich heißt, das wird nicht publik gemacht, oder was bedeutet das?
Landsberg: Nein, das wird nicht Dritten zugänglich gemacht. Das weiß ich, genau wie ich es jetzt auch weiß, ich bin gegen bestimmte Dinge geimpft, gegen andere nicht, aber das weiß mein Nachbar nicht und das soll er auch nicht wissen.
Polizei und Ordnungsamt vor Impfzentren
Meurer: Die Impfbereitschaft ist im Moment ein bisschen lau, wenn man den Umfragen vertrauen und Glauben schenken darf. Werden Sie in den Städten und Kommunen eine Informationskampagne starten, versuchen zu motivieren, oder wie könnte das sein?
Landsberg: Ich glaube, wir brauchen eine solche Informationskampagne, getragen von Bund, Ländern und Kommunen. Ich glaube auch, es ist wichtig, dass politische Entscheidungsträger öffentlich sagen, ja, ich lasse mich impfen. Ob man das dann vor der Fernsehkamera macht, ist eine andere Frage. Aber auch aufklären. Natürlich wird es wie bei jeder Impfung Nebenwirkungen geben, aber Sie wissen auch, es gibt Impfgegner. Es gibt ja sogar schon Überlegungen, müssen wir unsere Impfzentren besonders schützen, durch Ordnungsamt und Polizei, um Störungen zu vermeiden. Das ist ein Thema.
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Meurer: Und wird das so kommen mit den Ordnungskräften und der Polizei?
Landsberg: Es gibt sicherlich Sicherheitskonzepte in den jeweiligen Städten. Wenn da eine Bedrohungslage entsteht, wird man sicherlich auch entsprechend vorbereitet sein, durch Ordnungsamt oder Polizei. Im Übrigen werden wir da sowieso vor Ort sein müssen, weil das natürlich auch eine Menge Leute sind. Wenn Sie sich überlegen: Man hofft ja, im Schnitt tausend Leute pro Tag sollen geimpft werden. Die kommen natürlich dann früher oder später. Das ist auch schon ein gewisser organisatorisch-technischer Aufwand.
Meurer: Erwarten Sie von Angestellten, Beamten bei Städten und Gemeinden, dass sie sich impfen lassen?
Landsberg: Ich würde es ihnen jedenfalls dringend empfehlen. Das gilt natürlich insbesondere für die Menschen, die im Gesundheitsbereich tätig sind. Es gibt ja auch kommunale Krankenhäuser oder Ähnliches. Ich glaube, so wie ich das höre, dass die Mehrheit sich auch gerne impfen lassen will.
Meurer: Aber gezwungen wird niemand, auch kein Krankenpfleger, keine Ärztin? Sie empfehlen es dringend, aber wenn eine Krankenschwester sagt, ich will nicht, dann wird das respektiert?
Landsberg: Das ist ja keine kommunale Frage. Es gibt aber schon jetzt Situationen, dass Ärzte aufgrund ihres Arbeitsvertrages in einer Klinik, wenn sie in bestimmten Bereichen eingesetzt werden, bestimmte Impfungen gemacht haben müssen, zum Beispiel gegen Hepatitis. Das ist wiederum eine Entscheidung dann des Arbeitgebers. Bisher hat es da eigentlich nie Probleme gegeben und ich glaube, die gibt es auch hier nicht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.