Archiv

Städtepartnerschaft auf dem Prüfstand
Wie Konstanz auf den Rechtsruck in Lodi reagiert

Seit den 60ern unterhält Konstanz am Bodensee eine trinationale Partnerschaft mit dem französischen Fontainebleau und dem italienischen Lodi. Doch das Verhältnis zur italienischen Partnerstadt leidet dieser Tage: dort hat eine Oberbürgermeisterin der als rechtsextrem geltenden Partei "Lega Nord" das Sagen.

Von Thomas Wagner |
    Konstanz, Hafeneinfahrt mit drei Schiffen.
    Konstanz, Hafeneinfahrt mit drei Schiffen. (imago)
    Das Café im Untergeschoss des Rosgarten-Museums in der mittelalterlichen Altstadt in Konstanz: Holger Reile, für die sogenannte "Linke Liste" Mitglied im Gemeinderat, kommt fast täglich dorthin. Vor einem Milchkaffee blickt er auf sein Smartphone - und schaut ungläubig nach oben: "Da wird wieder die Meldung verbreitet, dass Lodi, die Partnerstadt der Stadt Konstanz, Flüchtlingskindern das Mensaessen verweigern wollte. Das sind Kinder. Es geht nicht, dass man die vom gemeinsamen Schulessen ausschließt. Es geht auch nicht, dass man die vom gemeinsamen Schulbus ausschließt. Das ist nicht zu akzeptieren."
    Tatsächlich schlug diese Nachricht wie eine Bombe in Konstanz ein: Ausgerechnet in der lombardischen Provinzhauptstadt Lodi, zu der Konstanz seit mehr als einem halben Jahrhundert eine Städtepartnerschaft unterhält, hat die Oberbürgermeisterin der italienischen Rechtsaußen-Partei "Lega Nord" eine umstrittene Regelung in Kraft gesetzt: Für Kinder aus Migrantenfamilien müssen die Eltern einen Nachweis darüber erbringen, dass sie zuhause, in ihren Herkunftsländern, über keinerlei Vermögen verfügen. Gelingt ihnen das nicht, müssen sie zu den dafür vorgesehenen Höchstsätzen Beiträge entrichten für das Essen in der Schulmensa und für den Schulbus.
    Krass und falsch
    "Das führt dazu, dass rund 300 Kinder da erheblich benachteiligt sind und auch nicht am Mittagessen teilnehmen können, weil natürlich klar ist: Stellen Sie sich vor, Sie sind Flüchtling aus einem Land wie Syrien – da ist es natürlich so gut wie unmöglich, von dort von einer Verwaltung Auskunft zu bekommen. Und deshalb ist es de facto ein Ausschluss." So der Konstanzer CDU-Oberbürgermeister Uli Burchardt einigermaßen entsetzt: "Wir finden den Vorgang zu krass und so falsch, dass wir der Meinung sind, öffentlich dagegen vorzugehen."
    Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der französischen Partnerstadt Fontainebleau hat Burchardt eine Resolution verfasst. Adressatin: Die Oberbürgermeisterin der "Lega Nord" in Lodi. "Wir fordern die Kollegin in Lodi auf, dass sie diesen Umstand beseitigt, so dass künftig auch die Flüchtlingskinder zukünftig wieder am Essen und am Schülertransport in gewohnter Weise teilnehmen können."
    Daneben werden in Konstanz immer häufiger Forderungen nach weit reichenden Maßnahmen laut. Frieder Schindele ist gebürtiger Konstanzer und Alt-Stadtrat. Sein Vorschlag: "Nicht alles abbrechen und sagen: Schluss, Aus, Ende, sondern. Ich würde sagen: Man muss das Ganze einfach ruhen lassen, abwarten, wie sich das politisch entwickelt und dann wieder die Partnerschaft neu abschließen."
    Das deckt sich mit jener Forderung, die die "Freie Linke Liste" im Konstanzer Gemeinderat erhebt: Die Städtepartnerschaft so fortführen, als ob nichts geschehen wäre, fröhliche Feste inklusive - geht gar nicht. Vielmehr müsse die Partnerschaft, wie es Holger Reile formuliert, "ausgesetzt" werden. "Das hat uns ein bisschen den Vorwurf eingebracht, wir würden die Partnerschaft beenden wollen. Das steht aber nicht in der Pressemitteilung. Aussetzen heißt: Wir müssen darüber nachdenken. Schikanen dieser Art sind nicht dazu angetan, dass man Städtepartnerschaften dieser Art, die bisher positiv gelaufen sind, weiterführt. Sie müssen kritisch überdacht werden." Allerdings: Dass sich Konstanz überhaupt einmischt in die Kommunalpolitik der italienischen Partnerstadt, ist vor allem bei den in Konstanz lebenden Italienern nicht unumstritten.
    Sammeln für Schulessen
    Die zentrale Markstätte, fünf Gehminuten vom Bodensee entfernt: Mimo, der seinen Nachnamen nicht nennen will, betreibt dort als gebürtiger Italiener eine Pizzeria. "Als Italiener, der auch die Medien in Italien liest, hat man den Eindruck, dass das sehr aufgeputscht ist. Ich denke nicht, dass sich irgendwer erlauben kann, Migrantenkinder nicht in städtische Busse steigen zu lassen, auch nicht Italien. Das glaube ich nicht. Was soll Konstanz da tun?"
    Eigentlich schon so einiges, glauben die Akteure im Rathaus und im Gemeinderat. So gebe es viele Bürgerinnen und Bürger in Lodi, die mit den Maßnahmen ihrer politisch rechts stehenden Oberbürgermeisterin nicht einverstanden sind, glaubt der Konstanzer Rathauschef Uli Burchardt: "Und ich glaube, dass man auch eine Gegenbewegung in Lodi auf diese Weise unterstützen kann."
    Und immerhin: Nach der kontroversen Diskussion über die Maßnahmen gegen Migrantenkinder in Lodi hätten sich viele mit den Betroffenen solidarisiert und sogar gespendet, beobachtet Holger Reile von der "Linken Liste": "Das Positive war, dass innerhalb kürzester Zeit um die 80.000 Euro gesammelt wurden, vor allem in Italien. Damit ist zumindest das Schulessen bis Ende des Jahres gesichert".