Samstagmittag ist die perfekte Zeit, um Torontos Distillery District im Süden der Millionenmetropole zu erkunden. Inmitten sorgfältig sanierter Industriearchitektur treffen sich Pärchen und kleine Grüppchen zum Gallery-Hopping, zum späten Frühstück oder frühen Lunch. Mike, schlaksig, die halblangen Haare lässig gestylt, nimmt uns mit auf eine Tour über das Gelände, das als größtes Ensemble viktorianischer Industrie-Architektur in Nordamerika gilt:
"Originally, this was a distillery, actually the largest distillery in the world. Where we're standing right here, this was where they built the first building in 1831,finishing in 1832,by these two guys James Worts and William Gooderham.They came from Norfolk England, at a point when the city was roughly different with a population of 2.000 people going up to 10.000 within ten years, so really rapid growth happening. And we were a fort town, not really ready for the growth- we had no sewage system, no sidewalks, people called it "Dirty little York" . So they didn't come here because it was a nice place,but because there were plenty of opportunities because of the growth, for example there was no milling and that was their original intention to build a windmill."
Innerhalb weniger Jahre zählten Worts und Wooderham zu den wichtigsten Unternehmern in Toronto- doch Worts nahm sich das Leben, sein Partner musste nach einer neuen Geschäftsidee suchen. Und die war schnell gefunden:
"They started to make beer with the extra grains, that was immediately very successful, and they produced the first whiskey, this is the first recorded Canadian rye whiskey and they made this place the biggest distillery in the British Empire and then in the whole world."
"They started to make beer with the extra grains, that was immediately very successful, and they produced the first whiskey, this is the first recorded Canadian rye whiskey and they made this place the biggest distillery in the British Empire and then in the whole world."
Die Anfänge des teuren Distillery Districts
Bis 1990 wurde in der riesigen Anlage – wenn freilich auch unter anderem Namen –Whiskey gebrannt. Nach der Schließung der Destillerie wurde vor historischer Kulisse gefilmt - für Blockbuster wie Chicago oder X-Men aber auch für kanadische Fernsehserien und Werbespots. Seit gut zehn Jahren nun ist der ehemalige Destilleriekomplex eine große Fußgängerzone, die alten Produktions-und Lagerhallen, die Ställe, die Pumpstation aufwendig saniert. Büros und Ateliers hier sind heiß begehrt und hoch gehandelt – und gerade an den Wochenenden strömen tausende Torontonians und Touristen ins Viertel - zum Bummeln, Shopping und Pubcrawling.
Früchte, Gewürze und Kitsch
Wem es im Distillery District mittlerweile zu schick und zu teuer ist, der nimmt einfach eine der vielen Straßenbahnen, die auf Torontos Hauptachsen entlangrattern. Und landet dann vielleicht an der Schnittstelle zwischen Chinatown und Kensington Market. An der Spadina Avenue geht es wuselig zu - asiatische Lädchen, Friseure, Beautysalons und Restaurants reihen sich dicht an dicht. Kein Quadratzentimeter Platz wird verschenkt – das Angebot an Früchten, Gewürzen und Kitsch ist enorm - auch in den Garküchen, wo man sich kaum zwischen chinesischen Dim Sum, dem koreanischen Gimbap oder vietnamesischen Banh Mi entscheiden kann. Gut also, dass wir Jason dabei haben, der uns durch das Gewimmel begleitet:
"The chinatown is a mixture... have you had a banh mi before?"
Aber ehe wir uns überlegen können, ob wir solch ein vietnamesisches belegtes Baguette probieren wollen, ist Jason schon weitergeeilt. Er will noch viel zeigen und ist dazu in eine ruhige Seitenstraße abgebogen - hier sind wir bereits in Kensington Market. Das Viertel gehört zu den buntesten Torontos, Jason bezeichnet es auch als "Sesamstraße". Nicht zu Unrecht, denn Kensington Market gleicht einer Wundertüte- die zweistöckigen Häuser sind teilweise türkis, violett oder lindgrün gestrichen, in kleinen Höfen und schmalen Durchgängen findet man Streetart, oft unglaublich detailverliebt gestaltet.
"The people,who lived here were English and Scottish.They were coming here because Toronto was a major manufacturing centre,we were sending all kinds of goods to England,Toronto,Kanada was like a factory for England.So these were working class homes,and the people who lived here worked in various industries. After living here for 20, 30 years they had more money,they decides to start moving out."
Melting Pot Kensington Market
Anfang des 20. Jahrhunderts zogen jüdische Emigranten vor allem aus Osteuropa ins Viertel, das stadtweit für seinen "Jewish Market", die vielen Schneider, Kürschner und Bäcker bekannt war. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen zunächst Einwanderer aus Portugal, dann aus der Karibik, Ostafrika und Lateinamerika. Kein Wunder also, dass die Straßenzüge zwischen College und Dundas Street heute ein Melting Pot ohnegleichen sind. Nichts, was es hier nicht geben würde. Fangfrischen Fisch aus den Great Lakes neben jamaikanischem Jerk Chicken und kolumbianischen Arepas, gefüllten Maisfladen – die Vielfalt ist überwältigend. Jason hat selbst ein paar Jahre im Viertel gewohnt, kennt viele der Shopbesitzer und ihre Geschichten:
"The guy who built this restaurant put an ad into the newspaper saying that he was looking for any srap wood. If you had some at home you could bring it here and leave it in front of the building.Every morning he came to work ,he would see a new pile of wood and he would think about how to use it- to build a sign,a bench,a shelf.So everything here is made of used wood and this place does only grilled cheese sandwiches."
Ein Konzept, das in Kensington Market funktioniert - der kleine Laden ist gut gefüllt. Ebenso wie die meisten anderen Food Markets oder Cafés - die Torontoner lieben das Viertel, kommen immer wieder um zu schauen, was es Neues gibt. Oder an gut erhaltenem Alten - das zumindest gilt für die Vintage Shops in der Kensington Avenue. Zwischen Hemden mit wilden 1970er-Jahre-Mustern, Schlaghosen und Angora-Strickjäckchen aus den 1950er-Jahren lernen wir Mode-Bloggerin Wendy kennen. Toronto, sagt sie, sei für Fans gut erhaltener Kleidung aus den 1940er bis 1970er-Jahren des letzten Jahrhunderts einfach das El Dorado:
"One oft he reasons is, we happen to have a lot of space in Canada, so there's space to store everything. And also we weren't affected by the wars ,so we have all the fashions still around- in good condition. I was told by one of the shop owners here in Kensington Avenue,that back in the 1970ties when her parents started the store they went around to all the general stores in the small towns of Ontario and Quebec and these stores had all the old stock in the basement where they had plenty of space,so her parents bought everything. It's crazy."
Es macht Spaß, zwischen Paillettenfummel und Hemden mit spitzen Kragen nach kleinen Schätzen zu kramen, Wendy sieht uns schmunzelnd zu und hat gleich noch einen Tipp. Denn sie sei momentan häufig rund um die Dundas Street West unterwegs, da gäbe es wirklich viel zu entdecken.
Ein Buchautomat neben der "Affenpfote"
Also steigen wir noch einmal in eine der rot-weißen Straßenbahnen und fahren etliche Blocks in westlicher Richtung. So manches der meist zweigeschossigen Häuser an der kilometerlangen Dundas Street hat schon bessere Zeiten gesehen, bis vor Kurzem standen nicht wenige Läden leer. Das hat sich aber geändert- mittlerweile gibt es hier Galerien, in denen junge kanadische Künstler ausstellen, Secondhand-Shops mit sorgfältig ausgewähltem Angebot und Eateries mit den angesagten "small plates" auf der Speisekarte. Dazwischen Läden wie der von Stephen Fowler, Besitzer des Bookstores "Monkey's Paw" - der "Affenpfote"- was auf die Kurzgeschichte von William Jacobs verweist. Fowler sammelt und verkauft Bücher für Liebhaber des Ungewöhnlichen - vom 1970er-Jahre-Gesundheitsratgeber bis zum leicht vergilbten illustrierten Kinderbuch. Und ganz hinten im schmalen Geschäftsraum steht eine sogenannte "Book Vending Machine":
Ein Buch für zwei Dollar, Überraschung inklusive, der Besuch im Monkey's Paw lohnt nicht nur deswegen, sondern wegen der besonderen Atmosphäre zwischen den dicht bestückten hohen Buchregalen. Kein Wunder, dass es einige immer wieder hierher zieht- so wie die Kunstkritikerin Betty Ann Jordan. Sie kennt viele der Kreativen und Galeristen, die sich mittlerweile rund um die Dundas Street West angesiedelt haben- meist mit kleinem Budget aber mit viel Engagement:
"This neighbourhood has a very interesting mix of independent art, design, fashion, food, do-it-youself-culture – there are many talented people in the performing arts as well and in the visual arts and also working in the food industry as well,lots of them quite young,who gravitate to this area-partly because they live here or close nearby. The rents are still affordable, because Little Portugal and Dundas West are still considered ethnic neighbourhoods with a less posh profile as some of the other more stablished neighbourhoods."