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Stammzelltherapie bei Herzinfarkten
Was ist von der Hoffnung geblieben?

Ein geschwächtes Herz kann tödliche Folgen haben, denn Herzmuskelgewebe kann nicht nachwachsen. 2001 berichteten Forscher in den USA, Herz-Stammzellen gefunden zu haben - und auch in Deutschland wurde die Therapieoption an Patienten getestet.

Von Anneke Meyer |
    Stammzellenforschung
    Stammzellenforschung - Hoffnung auch für Herzpatienten (Imago)
    "Scientists at New York University made a break through discovery about the heart last month."
    Juni 2001. Eine Entdeckung von New Yorker Herzforschern macht weltweit Schlagzeilen.
    "Here with me to talk about this, is Doctor Piero Anversa and I am pleased to have you here. Welcome."
    Piero Anversa, damals Direktor des Instituts für Kardiovaskuläre Forschung am New York Medical College in Valhalla, ist der Mann hinter der Erfolgsmeldung. Zu Gast bei Charlie Rose, einer der populärsten Talkshows in den USA, berichtet er über eine Entdeckung, die er bei Tierversuchen mit Mäusen gemacht hat: Stammzellen, die den Herzmuskel nachwachsen lassen. Bis dahin hatte das als unmöglich gegolten. Eine Sensation, erinnert Gustav Steinhoff, Kardiologe und Stammzellforscher an der Uniklinik in Rostock.
    "Anversas Arbeiten waren sehr einflussreich, weil er Hoffnungen geschürt hat auf Regenerationseffekte im Herzen."
    Ermutigt von dem vermeldeten Durchbruch, beginnen gleich mehrere deutsche Forschergruppen umgehend, das, was Piero Anversa in Versuchen bei Mäusen gefunden hat, an Patienten zu erproben: Stammzellen werden aus dem Knochenmark gewonnen und anschließend in ihr Herz injiziert - in der Hoffnung, dass sie dort Herzmuskelzellen bilden, so genannte Kardiomyozyten. Behandlungen mit eigenem oder Spenderknochenmark sind in der Krebsmedizin schon seit den Siebzigerjahren etabliert. Das Verfahren gilt als sicher. Gustav Steinhoff gehört damals mit zu den ersten, die eine Stammzelltransplantation bei Herzpatienten wagten. Inzwischen denkt er:
    "Dass zu sehr in eine Richtung argumentiert wurde, eben auf der Basis, dass es solche eigenen kardialen Stammzellen gibt, die eben solche Besonderheiten haben sollten, dass sie eben Kardiomyozyten bilden. Und diese Besonderheit ist wahrscheinlich mehr Illusion."
    Zweifel an Anversas Entdeckungen - und an dessen Integrität
    Das wissenschaftliche Fundament des Heilsversprechens bröckelt schon länger. Zwar gab es bei einzelnen Patienten zunächst Erfolge. Doch in großen klinischen Studien bestätigen sich diese nicht. Was die injizierten Stammzellen im Herzen machen und warum sie manchmal eine Wirkung zeigen und manchmal nicht, ist unklar. Ende 2012 werden dann auch noch Manipulationsvorwürfe gegen einen der Vorreiter in der humanen Herz-Stammzelltherapie laut. Und auch die frühen Arbeiten aus Piero Anversas Labor, die alles ins Rollen brachten, haben ihren Glanz verloren. Unabhängigen Arbeitsgruppen ist es nicht gelungen seine Ergebnisse zu bestätigen. Noch schlimmer: Zahlreiche Publikationen aus seiner Gruppe sollen fehlerhaft oder sogar betrügerisch sein. Zu diesem Schluss kamen die Harvard Medical School und das Brighams Womens Hospital diesen Oktober nach einer langwierigen Untersuchung. In einer schriftlichen Stellungnahme empfehlen sie den Rückzug von insgesamt 31 Publikationen ihres ehemaligen Angestellten.
    "Eigentlich hat es mich nicht so sehr gewundert, das, was da berichtet wurde. Weil Fragezeichen bei diesen Veröffentlichungen die ganzen Jahre schon da waren und die Diskussion sicherlich sehr kontrovers ist - also pro und kontra kardiale Stammzellen."
    Falsche Anreize und viele Skandale bei der Forschung
    Als sicher gilt: Es gib Stammzellen im Herzen, die Blutgefäße und Stützgewebe bilden. Sie wandern mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Knochenmark ein und könnten die Herzfunktion indirekt stärken, indem die Durchblutung verbessert wird. So ließen sich die Erfolge erklären, die Stammzelltherapien in Einzelfällen gebracht haben. Voraussetzung ist allerdings, dass die transplantierten Stammzellen nicht selbst durch Krankheit beschädigt sind - ein möglicher Grund, warum der Ansatz nicht immer funktioniert. Die Existenz von spezifischen Stammzellen, die den Herzmuskel regenerieren, bezweifeln inzwischen die meisten Experten. Dass Wissenschaftler dennoch weiter versuchen entsprechende Therapien zu entwickeln, sei eine Folge falscher Anreize, meint Gustav Steinhoff:
    "Das System ist so aufgestellt, dass es eben Therapieentwicklung auf Basis von Patenten gibt und das natürlich jeder versucht, seine eigene Stammzelle zu finden. Das sind mehr ökonomische Gründe."
    Noch keine Stammzelltherapie, die funktioniert
    Wenn es nach Steinhoff ginge, würden Geldgeber aufhören, Projekte einzelner Labore zu fördern und sich stattdessen für große Forschungsverbünde einsetzen. Mehr Zusammenarbeit, mehr Geld, aber auch mehr externe Kontrolle.
    "Es gibt einen enormen Bedarf und Ruf nach Stammzelltherapien weltweit. Es gibt keine zugelassene Therapie bisher. Weil es noch nicht funktioniert. Aber dafür ist es sehr wichtig, dass man die Irrwege und die falschen Wege rechtzeitig erkennt und guckt, wo es richtig weiter geht."
    Trotz wiederkehrender Skandale in der Stammzellforschung allgemein: Beendet ist die Jagd auf das Heilmittel für unheilbar Kranke nicht. Als Konsequenz aus dem Fall Anversa könnte sie aber vorsichtiger vonstattengehen: Die US-Amerikanische Gesundheitsbehörde NIH, hat vorerst eine große klinische Studie gestoppt, in der verschiedene Arten der Stammzelltherapie für Herzkranke miteinander verglichen werden sollten. Die Studie steht in keinem direkten Zusammenhang zur Arbeit in Piero Anversas Labor. Ihre wissenschaftliche Basis soll trotzdem erneut geprüft werden.