Über Stan Laurel und nicht über Oliver Hardy zu sprechen, das ist ein wenig so, als ginge es um Ernie ohne Bert. Oder um Pat ohne Patachon. Mehr als hundert Filme dreht das Laurel & Hardy Duo zwischen 1927 und 1951 - symbiotisch vereint im Gegensatz.
Auf der Leinwand sind die Rollen und Kräfteverhältnisse klar verteilt: Stan, der schmächtige Schussel und Spätzünder, der sich ewig verwundert am Kopf kratzende Träumer. Ollie, der schwergewichtige Boss und Besserwisser. Hier Passivität und Folgsamkeit, dort Großspurigkeit und Dominanz. Zu dieser Rollenverteilung passte, dass Stan Laurel auf Deutsch mit einer fisteligen, weinerlichen Stimme synchronisiert wurde. Tatsächlich aber war sie wohltönend.
"All right Ollie, we will take the high road and let him take the low road."
Stan Laurel, der 1890 im britischen Ulverston geboren wurde, war die treibende Kraft von „Laurel und Hardy". Neben Charles Spencer Chaplin war Laurel der zweite Engländer, der in Hollywood als Komiker zu Weltruhm gelangte, und womöglich entsprach die Passivität seiner Leinwand-Persona seinem britischen Understatement. Auch musste er sich nicht in den Vordergrund drängen, weil er seit jeher im Rampenlicht stand. Schon seine Kindheit verbrachte Laurel im Showbiz, als Sohn einer umherziehenden Artistenfamilie:
"Mein Vater wollte nicht, dass ich in diesem Metier arbeitete, aber es lag mir einfach im Blut. Ich hatte keine große Bildung, was aber an mir selbst lag. Ich war erfüllt vom Geist des Theaters. Mit Lernen hatte ich nicht viel am Hut, ich wollte den Glamour, ich wollte auf die Bühne. Also trat ich in Music-Halls auf, als Kinderdarsteller."
Eigener, unverwechselbarer Stil
1910 stößt Laurel zu einer Londoner Theatertruppe, zu der auch Charlie Chaplin gehört. Eine Tournee des Ensembles führt in die USA. Laurel bleibt in den Staaten, tritt in Shows und Vaudevilles und auch in Filmen auf. Als Einzeldarsteller hat er auf der Leinwand aber nur mäßigen Erfolg. Zu seinem ganz eigenen, unverwechselbaren Stil findet Stan Laurel erst ab 1927, gemeinsam mit Oliver Hardy. Laurel, der vermeintlich Doofe, schreibt die Gags der Slapstick-Filme, koproduziert, arbeitet an den Drehbüchern mit. Seine Bedeutung als künstlerischer Kopf des Komiker-Duos geht so weit, dass der eher phlegmatische, den leiblichen Genüssen zugeneigte Südstaatler Oliver Hardy, auf Fragen zur gemeinsamen Arbeit eine Standardantwort parat hatte: "Fragen Sie Stan!" Laurel wiederum nannte seinen Partner zärtlich "Babe":
"Unser Erfolg beruhte auch auf der Tatsache, dass wir uns nicht privat trafen. Es gab auch keinerlei Eifersucht, weil Babe mir grundsätzlich alle Entscheidungen überließ. ER war einfach glücklich, wenn er wusste, dass er keinerlei Verantwortung hatte. Es waren wunderbare Zeiten."
Unter den Fittichen des Produzenten Hal Roach perfektioniert Stan Laurel gemeinsam mit Oliver Hardy auf der Leinwand stilbildende Methoden der Komik:
Den slow burn zum Beispiel, die sich langsam aufschaukelnde Katastrophe: Etwa wenn Laurel und Hardy im Stau einen kleinen Auffahrunfall haben und sich mit dem Unfallgegner eine langsam sich steigernde Schlacht liefern: Scheinwerfer, Kotflügel, Motorhauben werden wechselseitig abgerissen, bis von den Automobilen nur noch Gerippe übrig sind.
All diese Ideen entwickelt Stan Laurel. Doch nicht einmal zeitgenössische Journalisten wissen, dass er der alleinige Kopf von Laurel und Hardy ist. Das führt manchmal zu komischen Situationen. Etwa 1947, als die beiden nach England reisen. Bei der Ankunft stellt ein Reporter seine Fragen – natürlich – an den „Boss" Oliver Hardy. Und der gibt sie an den wahren Boss Stan Laurel weiter.
Reporter: "When were you last over here?"
Hardy to Laurel: "1932, was it?"
Laurel: "That's right."
Reporter: "What are you going to do?"
Laurel: "We are going to do some personal appearances and also a picture."
Reporter: "What's the picture gonna be called?"
Hardy zu Laurel: "What's the name of the picture?"
Laurel: "Robin Hood, I think."
Hardy zum Reporter: "Robin Hood."
Am 23. Februar 1965 stirbt Stan Laurel im Alter von 74 Jahren im kalifornischen Santa Monica, siebeneinhalb Jahre nach Oliver Hardy. Auf Laurels Beerdigung kämpft sein Freund Buster Keaton, dessen unbewegtes Gesicht Filmgeschichte geschrieben hat, mit den Tränen. Es ist Keaton, der seinem Kollegen und dessen anarchisch verlangsamter Komik am Grab die große Reverenz erweist:
Zitat Buster Keaton
"Chaplin war nicht der Lustigste, ich war nicht der Lustigste, dieser Mann war der lustigste!"