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Standortwahlgesetz für Atommüll
Neustart für die Endlager-Suche

Ab heute wird im Bundestag über einen Gesetzentwurf zur Lagerung von Atommüll verhandelt. Erstmals soll konkret festgelegt werden, nach welchen Kriterien nach einem Endlager gesucht wird. Bürger- und Umweltinitiativen fordern dabei mehr Beteiligung und Transparenz.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 08.03.2017
    Gelbe Fässer mit radioaktivem Abfall stehen am 6. Mai 2015 neben einem Weg im Zwischenlager der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) in Eggenstein-Leopoldshafen (Baden-Württemberg).
    Theoretisch könnte überall in Deutschland ein Endlager entstehen, sofern die Bedingungen stimmen. (dpa / picture-alliance / Wolfram Kastl)
    Schon länger schwante der Bundesumweltministerin, dass die Suche nach einem Endlager für den deutschen Atommüll nicht gerade ein Gewinnerthema ist. Niemand zwischen Flensburg, Gorleben und Passau will ein strahlendes Endlager hinter dem eigenen Gartenzaun haben:
    "Wahrscheinlich gibt’s andere Menschen, die sagen würden, dann nehm ich mir so eine Agentur für Krisenkommunikation, das hab ich nicht vor", stellt Barbara Hendricks klar.
    Größte Herausforderung: radioaktive Abfälle
    Das tat sie schon vorletztes Jahr hoch im Nordosten der Republik, wo die Ministerin den gigantischen Rückbau des stillgelegten Atomkraftwerks Lubmin begutachtete. Allein dort muss gut eine Million Tonnen strahlender Stahl und Beton entsorgt werden. Doch die größte Herausforderung sind die hoch radioaktiven Abfälle, zum Beispiel Brennelemente, für die bisher keine Bundesregierung ein Endlager gefunden hat. Die wichtigsten Fragen lauten immer wieder: Passt es geologisch, und wird es akzeptiert werden?
    "Was einfach bedeutet, Bürgerinnen und Bürger, es nützt nichts, wenn Ihr mich jetzt mit Tomaten bewerft. Es muss so oder so irgendjemand regeln."
    Das hat eine Expertenkommission im Bundestag getan. Ergebnis ist eine Novelle des sogenannten Standortauswahlgesetzes. Ab heute wird sie im Bundestag verhandelt – eingebracht von Union, SPD und den Grünen.
    "Es gibt also im Moment keine Blockade mehr auf keiner Seite, sondern die Zeichen stehen auf grün für das Standortauswahlgesetz, was auch wichtig ist", sagt der Dortmunder Bundestags-Abgeordnete Steffen Kanitz, der den Gesetzentwurf für die CDU mit erarbeitet hat.
    Großer Bürgerprotest in der Vergangenheit
    Diese Einigkeit ist schwer errungen – nach gut vier Jahrzehnten scharfer Auseinandersetzungen. Vor allem der Salzstock im niedersächsischen Gorleben wurde zum Synonym für den Bürgerprotest. Und auch Sachsen und Bayern wehrten sich noch bis vor kurzem – ihr Granitgestein komme für ein Endlager ja gar nicht in Frage, der Atommüll müsse woanders hin. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks widerspricht:
    "Damit kommen die nicht durch. Im Gesetz ist völlig klar, dass alle denkbaren Gesteinsformationen auch untersucht werden. Dazu gehört eben Salz und Ton und Granit, und es ist völlig klar, wir gehen von der weißen Landkarte aus. Überall, wo es denkbar ist, wird untersucht, und zwar in mehreren Phasen nacheinander", so Hendricks im SWR.
    Erstmals sollen Kriterien für Standortsuche festgelegt werden
    Weiße Landkarte heißt also: Theoretisch könnte überall in Deutschland ein Endlager entstehen, sofern die Bedingungen stimmen. Die Gesetzesnovelle, die heute in den Bundestag kommt, legt erstmals konkret fest, wie und nach welchen Kriterien die Suche künftig vonstattengeht. Spätestens im Jahr 2031 soll dann ein Standort feststehen, mit Beteiligung der Bürger und mit wissenschaftlicher Begleitung. Christdemokrat Kanitz:
    "Wir glauben, dass die Bürger und dass die Anwohner, dass aber natürlich auch alle, die sich mit dem Thema beschäftigen, ein Anrecht darauf haben, dass wir genau diesen Zustand, nämlich des jahrelangen Hin- und Hergezerres, dass nichts passiert, dass wir den beenden müssen."
    Bürger- und Umweltinitiativen fordern im Gesetzentwurf allerdings mehr Bürgerbeteiligung, Rechtsschutz und Transparenz. Und, unter anderem der BUND vermisst im Gesetz-Entwurf ein umfassendes Exportverbot von Atommüll in die USA. Hintergrund ist der Streit um Castoren aus dem aus dem stillgelegten Hochtemperaturreaktor im nordrhein-westfälischen Jülich. Mit der Suche nach einem Endlager hat diese Diskussion allerdings nur mittelbar zu tun. Gefragt nach dem weiteren Zeitplan blickt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks weit in die Zukunft:
    "Meine optimistische Einschätzung ist, dass es uns gelingt, dann die Planung und die Errichtung des Endlagers bis 2050 hinzubekommen. Ich hoffe sehr, dass das gelingt. Ich sag schon mal scherzhaft, wenn es gut geht – es kann sein, es ist nicht ausgeschlossen, dann bin ich 98, dann komm ich mal gucken."