Wild, unkonventionell, voller Kontraste kommt das Streichquartett "Richter Textures" der Amerikanerin Amy Williams daher. Sie habe sich, verriet die Komponistin, von dem deutschen Maler Gerhard Richter inspirieren lassen, von seiner Art gleichzeitig bestimmte Elemente zu kontrollieren, andere aber vage zu halten.
Präsentation von amerikanischer Musik nicht primär
Die vielen extremen Kontraste in Amy Williams’ Quartett, die harten Rhythmen einerseits und sich verlierende Klänge andererseits wurden von dem Jack Quartet aus den USA ungeheuer impulsiv, aber auch hochsensibel umgesetzt. Ein fantastisch harmonierendes Ensemble, das zeitgenössische Musik so präsentiert, dass man sie verstehen und lieben lernt. Gleichzeitig erklangen bei dieser Streichquartett-Matinee des Festivals "Standpunkte" beim Heidelberger Frühling aber auch Quartette von Haydn und Mendelssohn. Die "Standpunkte" rückten in diesem Jahr die USA in den Fokus. Dennoch, so Intendant Thorsten Schmidt, ging es nicht primär darum amerikanische Musik zu präsentieren.
"Uns ging es eigentlich eher darum, eine Brücke zu schlagen von der Aufklärung bis heute, deswegen hat Haydn einen so großen Teil dieser Standpunkte gebildet, in Richtung USA um diese Wechselbeziehung herzustellen."
Hier saß bei Haydns Klaviertrio fis-Moll der kanadische Starpianist Marc-André Hamelin am Klavier, an der Violine der junge Amerikaner Benjamin Beilman, am Cello Friedrich Thiele, ein Teilnehmer der Festival Akademie des Heidelberger Frühlings. Marc-André Hamelin spielte im selben Konzert auch eine Sonate von Haydn und war bei den "Standpunkten" außerdem noch in drei weiteren Konzerten zu erleben. Und zwar einerseits mit Klassikern der amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts – der extrem schweren Concord-Sonate von Charles Ives und dem Klavierquintett von Morton Feldman - sowie einer eigenen Komposition, einer Cello- Sonate.
"Das sind vier kleine Stücke mit viel Charakter, Atmosphäre, er schreibt für das Cello sehr, sehr gut. Es ist schwer zu beschreiben, wozu diese Musik gehört, es gibt n paar Stellen, die tatsächlich "amerikanisch" klingen, zum Beispiel wo repetitive Motive sich im Kreis drehen wie Loops, das ist typisch amerikanisch, aber es gibt andere Stellen, wo ich, wenn ich es nicht wüsste, nicht gesagt hätte, ah, das ist ein amerikanischer Komponist."
Der französisch-kanadische Cellist Jean-Guihen Queyras, er spielte ungeheuer farbig und feinsinng Hamelins "Four perspectives" mit dem Komponisten am Klavier.
In den meisten der 13 Konzerte des "Standpunkte-Festivals" wurden europäische Klassiker direkt amerikanischen Werken gegenübergestellt. Hamelins Cello-Sonate etwa Brahms e-Moll-Sonate, oder im Eröffnungskonzert Beethovens Eroica-Variationen einem Werk für Klarinette und Streichquartett von David Bruce, aber auch Arnold Schönbergs "Ode an Napoleon".
"Mit den Programmen kann ich bestimmte Emotionen und Gedanken triggern beim Publikum. Was das Publikum dann daraus macht, ist in der Verantwortung jedes einzelnen."
Levit und Gassmann konzipierten das Programm mit
Der Pianist Igor Levit hat mit dem Dramaturgen Michael Gassmann das Programm der "Standpunkte" mit konzipiert und ist auch selbst aufgetreten. Schönbergs "Ode an Napoleon" auf einen Text von Lord Byron entstand im amerikanischen Exil. Byron reflektiert und kritisiert hier hart und scharf Aufstieg und Fall Napoleons. Schönbergs Werk ist aber auch eine allgemeine Anklage gegen Faschismus und die Bedrohung der Freiheit. Sie hat für Igor Levit eine erschreckende Aktualität.
"Wenn man das heute liest, da fällt so ein Satz auf, wer hätte gedacht, dass so etwas strahlend Schönes in einen solchen Abgrund gestürzt werden könnte. Dann guckt man sich das Weiße Haus an und denkt, das ging aber echt schnell."
"Die wichtigste Aufgabe eines Staates gegenüber Kunst und Kultur ist die Sicherung der Freiheit."
Zur Eröffnung der "Standpunkte" hielt der Bundestagspräsident a. D. Norbert Lammert eine Rede zum Thema Freiheit. Die Finanzierung von Kultur, so Lammert, könne notfalls auch aus anderen Quellen erfolgen, die Sicherung der Freiräume nicht.
"Deswegen wird man das Kunst- und Kulturverständnis eines Staates mindestens so sehr an der Souveränität diese Freiheit der Kunst zu gewähren und zu sichern erkennen können wie an der Dotierung von Kulturhaushalten."
Unterschiedliche Blickwinkel
Es waren die in den Konzerten und weiteren Vorträgen präsentierten unterschiedlichen Blickwinkel auf das Thema "Die USA, Europa, ihre Freiheiten und die Unfreiheiten" in der alten und neuen Welt", die das kleine Binnen-Festival des Heidelberger Frühlings so interessant machten.
Das geschah auf eine angenehme Art ohne pädagogischen Zeigefinger. Und es wurden auch leichtere Aspekte amerikanischer Musik vorgestellt. Ein Abend zu dem Klarinettisten Benny Goodman, oder Igor Levit spielte etwa in einem Nachtkonzert Ragtimes, und erklärte in seinen unterhaltsamen Moderationen die Geschichte und wie sich auch klassische Komponisten wie Debussy oder Hindemith vom Ragtime inspirieren ließen. So wurde in den 13 Konzerten und Veranstaltungen der Standpunkte des Heidelberger Frühlings eine ebenso inhaltsreiche und zum Nachdenken anregende hervorragende Mischung präsentiert.