Sören Brinkmann: Es war lange Zeit nicht möglich, deutsche Star-Trek-Romane zu schreiben, weil ein amerikanischer Verlag das Exklusivrecht hatte. Sie haben viele Bücher also übersetzt. Wie viele Ideen haben sich denn da bei Ihnen im Kopf angestaut?
Christian Humberg: Och, die Ideen gab es eigentlich schon immer. Ich bin Star-Trek-Fan - im Prinzip seit ich denken kann. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Kind die Wiederholungen der alten Serie mit Captain Kirk im Fernsehen gesehen habe und mich hinter Papas Sessel verstecken musste, wann immer die Klingonen kamen. Also Star-Trek-Geschichten gab es in meinem Kopf tatsächlich schon seit 30, 40 Jahren, aber die Möglichkeit, die jetzt auch aufzuschreiben und professionell veröffentlichen zu können unter dem Lizenznamen Star Trek, also richtig mit Hollywoods Segen, die Möglichkeit gab es tatsächlich erst jetzt.
Brinkmann: Und die Möglichkeit hat sich Ihnen aber eröffnet auch speziell weil Sie schon als Übersetzer tätig waren.
Humberg: Das ist richtig. Der deutsche Verlag Cross Cult, der sitzt in Ludwigsburg, für den übersetzen Bernd Perplies, mein Koautor, und ich seit Jahren Star-Trek-Romane unter anderem, und der bekam die Information, dass dieses Lizenzrecht sich gerade ein Stück weit lockere und hat dann direkt den Fuß in die Tür gesetzt und mal ausprobiert, ob man das nicht auch mit deutschen Autoren machen könne. Und weil er wusste, dass Bernd und ich seit Jahren auch für andere Verlage zusammen schreiben - wir machen beispielsweise zwei Kinderbuchserien, "Drachengasse 13" und "Die unheimlichen Fälle des Lucius Adler", und für Perioda, die deutsche Science-Fiction-Serie überhaupt schon geschrieben haben - deswegen hat Cross Cult uns beide gefragt, ob wir uns auch vorstellen könnten, auch Star Trek zu schreiben und da waren unsere Türen natürlich sofort weit offen.
Brinkmann: Aber dieses Produkt Star Trek, das gehört ja CBS Paramount Pictures, und Sie selbst haben gesagt, Sie dürfen nur ein bisschen im Sandkasten spielen. Trifft dieses Bild zu, dass der große Medienkonzern da irgendwo am Rande, weit weg in den USA, Sie jetzt machen lässt?
Jeder Roman muss bei null anfangen können
Humberg: Ein Stück weit ja, also Star Trek ist nicht unser Produkt. Entsprechend ist es nur logisch, dass der Besitzer ein Auge darauf hat, was mit dem Produkt passiert. Das gilt für alle Lizenznehmer, die mit der Marke arbeiten. Da reden wir vom bunt bedruckten Captain-Kirk-Becher bei Burger King genauso wie vom Comic oder vom Roman. Alle müssen vorlegen, was sie machen wollen und kriegen dann entsprechend Korrekturen oder eben das grüne Licht - so war es auch bei unseren Romanen, so ist es auch bei allen Romanen, die die Kollegen in den USA schreiben - das ist ganz normal und auch nur natürlich.
Brinkmann: Und wie stark ist dieser Sandkasten beaufsichtigt?
Humberg: Eigentlich gar nicht so stark. Also man darf natürlich nicht Sachen machen, die das Franchise als solches verändern. Ich kann in meinem Buch nicht Captain Kirk sterben lassen, es sei denn ich lasse ihn am Schluss wieder auferstehen, so dass am Ende alles wieder gut ist, damit der nächste Roman bei derselben Null anfangen kann wie ich.
Brinkmann: Also gab es nicht so viele Anmerkungen, als Sie Ihre Romanvorlage beziehungsweise Ihr Manuskript geschickt haben?
Humberg: Nö, ganz und gar nicht. Das liegt aber auch zum Großteil daran, dass Bernd Perplies und ich uns halt auskennen mit der Materie. Wir sind beide "Trekkies", wir haben wie gesagt - alleine ich habe 30 Star-Trek-Romane übersetzt in den letzten Jahren - und wir wissen ungefähr, was wir mit diesen Regeln machen wollen. Es ist also nicht so, als wäre es uns schwer gefallen, uns daran zu halten. Im Gegenteil.
Das eigene Süppchen innerhalb deren Küche kochen
Brinkmann: Wie Sie denn daran, wenn Sie dann eben die Geschichte, die Sie jetzt mit der Prometheus eben erfunden haben, erschaffen haben, wenn Sie die auch einfügen müssen in das ganze Star-Trek-Universum? Es muss ja anknüpfen an tatsächliche Begebenheiten, die bei Star Trek passieren?
Humberg: So ist es. Wir haben uns bemüht, sowohl den Filmen und Serien als auch den Romanen, die vor uns kamen, nicht zu widersprechen, sondern unser eigenes Süppchen innerhalb deren Küche zu kochen. Das heißt, wir spielen an einem Wendepunkt in der Geschichte der vereinigten Föderation der Planeten, das ist dieser große Sternenbund, zu dem die Sternenflotte und das Raumschiff Enterprise gehört. Die Präsidentin wurde Opfer eines politisch motivierten Attentates und das passierte nach Jahren des Krieges und der politischen Schwierigkeiten. Und jetzt kommt eine neue Präsidentin und die Föderation hat den Glauben und die Hoffnung, dass jetzt alles so wird, wie es früher mal war, soll heißen: Wir haben wieder Frieden, wir haben wieder Diplomatie.
Brinkmann: Das heißt aber, Sie müssen das Vorher und Nachher genau kennen?
Humberg: Natürlich, wir müssen alle Regeln kennen, die in dem Franchise gelten und wir müssen uns mit den Kollegen absprechen, die parallel an anderen Büchern schreiben.
Die Geschichten sollen der Gegenwart den Spiegel vorhalten
Brinkmann: Wenn wir auf die Geschichte gucken - Sie haben gerade schon ein bisschen erzählt - und da geht darum, dass am Rande des Föderationsgebietes Fanatiker auftauchen, es gibt Anschläge, die Tausende Todesopfer fordern, und die Föderation reagiert darauf mit einer Mischung als militärischem Druck und Diplomatie. Wenn man das liest, da braucht man ja nicht viel Phantasie, um das Szenario auch in unsere jetzige Welt, ins Hier und Jetzt zu übertragen, oder?
Humberg: Das war uns sehr wichtig. Star Trek ist meiner Ansicht nach immer dann gut, wenn es Geschichten erzählt, die Parabeln sind, die der Gegenwart oder Aspekten der Gegenwart den Spiegel vorhalten. Und das war Perplies und mir von Anfang an klar, wenn wie Star Trek machen, dann genau diese Art von Star Trek, die die Philosophie von Gene Roddenberry berücksichtigt, diese unendliche Mannigfaltigkeit in unendlicher Kombination, dieses gemeinsame Miteinander, und die sich um den "Advanced Human" - so hat der Star-Trek-Schöpfer Roddenberry das genannt - um den Menschen dreht, der seine eigenen Probleme, seine eigenen Zwänge und Zwistigkeiten hinter sich lässt und interessierten Blickes nach außen schaut. Was kann ich tun? Wie kann ich helfen? Was gibt es da draußen? Ich glaube, das ist so ein bisschen das, was Star Trek von ähnlichen Produkten - um es mal so zu nennen - wie Star Wars und ähnlichem, unterscheidet. Nämlich dieser Bezug, dieses parabelhafte, diese utopische Grundhaltung, es ist nicht nur Abenteuer und Action - wir haben auch Abenteuer und Action drin, jede Menge Humor - aber es ist auch eine Art philosophischer Ansatz, zumindest im Unterton, und der war uns von Anfang an wichtig.
Brinkmann: 50 Jahre Star Trek und zum ersten Mal erscheinen Star-Trek-Romane, geschrieben von deutschen Autoren, nämlich die Geschichten von Prometheus, dem Raumschiff, geschrieben von Bernd Perplies und Christian Humberg und mit Christian Humberg habe ich gesprochen darüber. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Humberg: Ich danke auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bernd Perplies und Christian Humberg: Star Trek Prometheus 1, Feuer gegen Feuer. Cross Cult Verlag, 480 Seiten