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Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Stark-Watzinger stellt überarbeiteten Entwurf vor - GEW: "Hoffnungen bitter enttäucht"

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hat den überarbeiteten Referentenentwurf für das umstrittene Wissenschafts-Zeitvertrag-Gesetz vorgestellt. Der zentrale Ansatz der Reform ist nach Angaben ihres Hauses, die Qualifizierung noch stärker als bisher in den Mittelpunkt zu stellen und mehr Verlässlichkeit, Planbarkeit und Transparenz zu schaffen.

    Am Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universität Leipzig arbeitet der 33-jährige Chemiker Dr. Jonas Warneke mit den Mitgliedern seiner Nachwuchsforschergruppe, der Chemikerin Ziyan Warneke und Dipl. Physiker Harald Knorke (l-r) an einem Ionen-Depositions Instrument zum Abscheiden gasförmiger Ionen auf Oberflächen.
    Hintergrund der Reform sind seit Jahrzehnten beklagte prekäre Beschäftigungsverhältnisse im deutschen Wissenschaftssystem. (picture alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch)
    Die grundlegende Systematik des WissZeitVG solle erhalten bleiben. Vor allem das Verhältnis von Qualifizierungs- und Drittmittelbefristung solle jedoch neu justiert werden, heißt es.
    Der erste Referentenentwurf war vor einigen Wochen ohne größere Einbindung der Öffentlichkeit vorgelegt worden. Im Anschluss entwickelte sich im Internet massive Kritik. Das Bundesbildungsministerium setzte darauf hin eine erneute Diskussionsveranstaltung mit allen Beteiligten an und signalisierte Entgegenkommen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft äußerte heute erneut scharfe Kritik. Die geweckten Hoffnungen auf eine stärkere Berücksichtigung der Interessen der Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Sinne von mehr Dauerstellen und verlässlichen Karrierewegen seien bitter enttäuscht worden, teilte die GEW mit. Der überarbeitete Referentenentwurf folge weitgehend den in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zusammengeschlossenen Arbeitgebern. GEW-Vize Keller erklärte, die Ampelkoalition müsse den Entwurf stoppen und auf einen fairen Interessenausgleich statt eines Kotaus vor den Arbeitgebern pochen.
    German U15, die Interessenvertretung forschungsstarker Universitäten, begrüßte dagegen die Änderungen im Referenten-Entwurf. Vier Jahre seien Minimum für eine Qualifizierung als Post-Doc, sagte Geschäftsführer Wöpking im Deutschlandfunk. Zudem verwies er auf die Option auf eine Verlängerung um weitere zwei Jahre. Kritisch bewertet der Verein in einer Stellungnahme die geplante Tariföffnung. Damit seien Unwägbarkeiten verbunden, die zu einer Zersplitterung der wissenschaftlichen Karrieresysteme führen könnten. Der Verein warnte aber vor möglichen Problemen bei der Anwerbung internationaler Wissenschaftler. Ein Flickenteppich der Karrieresysteme wäre auch für die Beschäftigten von großem Nachteil.

    Seit Jahrzehnten beklagte prekäre Beschäftigungsverhältnisse

    Vertreter von Wissenschaft, Gewerkschaft und Verbänden hatten Korrekturen bei der geplanten Reform der Arbeitszeitbestimmungen für junge Wissenschaftler gefordert. Sie drängten vor allem auf bessere Bedingungen für Beschäftigte unmittelbar nach einer abgeschlossenen Doktorarbeit. Nötig seien dauerhafte Stellen für sogenannte Post-Docs, hieß es. Die Dichotomie, auf eine Professur kommen oder aus dem Wissenschaftssystem fliegen, sei nicht mehr aktuell. Die Anglistin Jennifer Henke von der Uni Greifswald sagte im ARD-Fernsehen, es gebe keine Begründung dafür, Stellen nach einer Doktorarbeit zu befristen. Promovierte seien voll ausgebildete Wissenschaftler und in der Lage, eigenständig Forschung zu betreiben.
    Die bisherigen Eckpunkte für die Reform des WissZeitVG sehen unter anderem Mindestlaufzeiten für Anstellungen vor. Hintergrund der Reform sind seit Jahrzehnten beklagte prekäre Beschäftigungsverhältnisse, mangelnde Perspektiven und unbezahlte Überstunden für Nachwuchskräfte im deutschen Wissenschaftssystem. Unter den Hashtags #IchbinHanna, #IchbinReyhan oder #ProfsfürHanna wird das seit Längerem in den Sozialen Medien thematisiert.
    Diese Nachricht wurde am 06.06.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.