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Starke Wirkung

Paläontologie. - Zum Ende der jüngsten Eiszeit war Nordamerika von zahlreichen Großtieren besiedelt, spätestens vor 11.000 Jahren waren sie alle verschwunden. Über den Verantwortlichen für dieses Ereignis gibt es heftige Diskussionen. Ein Bericht in der aktuellen "Science" wirft etwas Licht auf die Zeit damals und könnte direkt ein paar Ideen auf den Müllhaufen der Wissenschaftsgeschichte befördern.

Von Dagmar Röhrlich |
    15.000 Jahre ist es her, die jüngste Eiszeit neigte sich ihrem Ende zu. Durch die Tundren und lichten Wälder zogen Mammut- und Mastodon-Herden, Riesenfaultiere zupften Blätter von den Bäumen und Riesenbiber stapften durch das Schilf.

    "Damals war die Vielfalt des Großwilds in Nordamerika größer als heute die in Afrika. Es war das Land der großen Tiere. Eine Eiszeit ging zu Ende, und die ersten Menschen wanderten ein, und alle großen Tiere starben aus. Nur - warum? Um bei der Ursachensuche die Umweltveränderungen damals zeitlich einzuordnen, untersuchten wir Seesedimente aus Indiana und dem Bundesstaat New York."

    Und zwar die Holzkohleflöckchen, Pollen und Pilzsporen, die der Wind in die Seen getragen hat, erklärt Jacquelyn Gill von der University of Wisconsin in Madison. Die Sporen stammen von einem besonderen Pilz:

    "Um im Dung zu keimen, muss dieser Pilz durch den Verdauungstrakt eines Pflanzenfressers. Den Pilz gibt es heute noch, aber seine Sporen fehlen in den Seesedimenten. Dort tauchen sie nur auf, wenn sehr viel Großwild Mist macht."

    Zum Verschwinden der Megafauna Nordamerikas gibt es mehrere Hypothesen. Die wichtigsten drehen sich um Umweltveränderungen am Ende der Eiszeit und Überjagung durch den Menschen. Andere Forscher glauben an einen Asteroideneinschlag. Die Umwelt- und Zeitinformationen in den Seesedimenten, sollten jetzt Klarheit bringen. Gill:

    "In den Seesedimenten beginnen vor 14.800 Jahren die Pilzsporen abzunehmen - und das ist für uns das Signal, dass das Aussterben der Megafauna einsetzt. Anhand dieser Zeitmarke können wir untersuchen, welche Hypothesen passen und welche Effekte die Veränderungen damals hatten."

    So verrieten Pollen und Sporen, dass das Großwild nicht durch Umweltveränderungen verschwand.

    "Als diese Tiere weniger wurden, wuchsen an Kälte angepasste Bäume wie Fichten, aber es gab auch Laubbäume wie Eschen, die ein milderes Klima brauchen. Diese seltsame Lebensgemeinschaft galt als Zeichen des Klimawandels, in dessen Verlauf sich die Laubbäume durchsetzten. Nun sehen wir, dass es diese Laubbäume die ganze Zeit über gab und die großen Pflanzenfresser sie kurz gehalten haben, weil sie ihnen besser schmeckten."

    Demnach begann der Siegeszug der Laubbäume erst, als Mastodon und Riesenbiber sie nicht mehr abfraßen. Dass sich vor rund 13.000 Jahren die Umwelt Nordamerikas grundlegend änderte, wäre also Folge, nicht Ursache des Aussterbens. Auch ein potentieller Asteroideneinschlag vor 12.900 Jahren scheidet als Verdächtiger aus - da lief das Aussterben der Megafauna Nordamerikas nämlich bereits, so Jacqueline Gill:

    "Mit Blick auf die Menschen sehen wir, dass das Verschwinden bereits 1000 Jahre früher einsetzte, ehe die für die Großwildjagd entwickelten Pfeilspitzen der Clovis-Kultur auftauchten. Wenn Menschen dafür verantwortlich waren, müssen es Siedler gewesen sein, die vor den Clovis in Nordamerika lebten."

    Es gebe erste Beweise für eine frühe Besiedlung, sagt Gill. Ein paar Tausend Jahre liegen zwischen dem Beginn des Aussterbens und dem Verschwinden des allerletzten Mitglieds der Megafauna - nicht lange für eine Gruppe von Tieren, die sich über Jahrmillionen und alle Klimaschwankungen hinweg hat halten können. So urteilt dann auch Chris Johnson von der James-Cook-University im australischen Townsville über die Arbeit seiner Kollegen:

    "Diese neuen, viel genaueren Daten zur zeitlichen Abfolge sind starke Indizien dafür, dass der Mensch Schuld am Verschwinden der Megafauna Nordamerikas trägt. Dafür braucht es keine großen Menschenmassen und ausgefeilte Technik: Weil sich die Megafauna nur langsam fortpflanzt, haben wohl schon wenige Jäger ausgereicht."

    Vielleicht sollte das angesichts der tiefen Eingriffe in die Natur heute eine Warnung sein. Jacqueline Gill jedenfalls möchte ihre Forschungsergebnisse gerne so verstanden wissen.