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Starkes oder schwaches Spätwerk?

"Andy Warhol - das letzte Jahrzeht" - so heißt eine Ausstellung, die derzeit im New Yorker Brooklyn Museum zu sehen ist. Gezeigt werden Werke des gefeierten Kunst-Popstars, die bei den Kritikern allerdings mehr auf Hohn und Spott denn auf Begeisterung stießen.

Von Sacha Verna |
    Gibt es irgendeinen Teil von Andy Warhols Werk, der nicht schon tausendfach analysiert, ausgestellt und Museums-Shop-tauglich aufbereitet worden ist? Ja, sagt Joseph Ketner, der Kurator der mit Spannung erwarteten Warhol-Ausstellung im Brooklyn Museum:

    "In seinen Tagebüchern erzählt er eine lustige Geschichte über sein Vorhaben, eine Ausstellung mit dem "Schlechtesten von Warhol” zu organisieren, mit all den Arbeiten, die niemand wollte. Viele der Werke in dieser Ausstellung gehören zu denen, die zu seinen Lebzeiten nie gezeigt worden sind – weil die Leute den Popstar wollten. Schon damals."

    Den Popstar: den wasserstoffblonden Glamour-Jungen, der die Kunstwelt der 60er-Jahre mit Bildern aus der Presse und der Werbung bezirzte, die er im Siebdruckverfahren auf Leinwände übertrug, möglichst grell, möglichst seriell, möglichst Marilyn Monroe und Campbell Suppendosen.

    Besucher von "Andy Warhol: The Last Decade” bekommen nun hingegen Werke aus den Jahren zwischen 1978 und 1986 zu sehen:

    "Diese Arbeiten zeigen, dass er zurück ins Studio ging, um seine Malerei neu zu erfinden. Er versuchte, durch neue Techniken und neue Sujets neue Bilder zu schaffen, dadurch, dass er zwischen Abstraktem und Figurativem pendelte, zwischen Handwerk und Siebdruck."

    Die Ausstellung umfasst fünfundvierzig Werke - von einer Serie von Selbstporträts, die Andy Warhol im Würgegriff eines Unbekannten zeigen, bis zu drei der gigantischen "Last Supper”-Bildern, Warhols Versionen von Leonardo da Vincis "Letztem Abendmahl” im Format drei Mal zehn Meter.

    Andy Warhol habe sich ständig Sorgen um sein Image gemacht, sagt Joseph Ketner. Die schlechten Kritiken, die er für sein Spätwerk erhielt, hätten ihn zutiefst verletzt. Für die "Camouflage”-Serie etwa, die Tarnfarben-Bilder von 1986 erntete Warhol nur Hohn und Spott. Die Werke, die er in einem Anflug von Gemeinschaftssinn mit Künstlern wie Jean-Michel Basquiat und Francesco Clemente kreierte, wurden als witzige aber bedeutungslose Experimente abgetan.

    "Ich wette, Andy Warhol würde direkt neben den Werken hier seine Siebdruck-Bilder von Schuhen sehen wollen, von Gewehren, Messern, Dollarzeichen und all der anderen Dinge, die die Perpetuierung seiner Pop-Bildersprache und des Pop-Prozesses darstellen."

    Der Andy Warhol, der den Beifall des Publikums suchte, würde ihn mit dieser Ausstellung nicht finden. Dem Andy Warhol, der nicht als Pop Art-Mumie in die Kunstgeschichte eingehen wollte, ist damit hingegen durchaus ein Gefallen getan.


    Die Ausstellung "Andy Warhol: The Last Decade” ist im Brooklyn Museumbis zum 12. September zu sehen.