Blitzschläge, Hochwasser, durch Sturm gefällte Bäume und Erdrutsche forderten etwa 10.000 Menschenleben, zitierte am Dienstag der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes Dr. Paul Becker aus einer 23 Jahre lang geführten Statistik. Ein weitaus höherer Teil der insgesamt 85.000 Extremwetter-Opfer starb jedoch an der Hitze:
"So forderte die Hitzewelle im Sommer 2003 bei uns geschätzt rund 8000 zusätzliche Todesopfer. In Europa starben damals vermutlich so um die 60.000 Menschen. Besonders alarmierend sind diese Zahlen angesichts der regionalen Klimaprojektionen, die zumindest in einem gewissen Maße einen Blick in die wahrscheinliche Zukunft erlauben.
Für Deutschland wird danach eine deutliche Zunahme der Zahl der sogenannten heißen Tage erwartet. Heiße Tage, das sind Tage mit einer Tageshöchsttemperatur von mindestens 30 Grad und – das ist das Entscheidende – im Extremfall könnte sich diese Zahl bis zum Jahr 2100 vervierfachen."
Zweifel am Klimawandel
Der Klimawandel ist demnach nicht mehr zu verleugnen. Die extremen Wetterereignisse werden sogar häufiger auftreten. Darüber sind sich die befragten Briten Franzosen und Norweger einig. Nur in Deutschland zweifelt ein auffallend hoher Anteil, der je Land tausend Befragten am wissenschaftlichen Beweis des Klimawandels, so Dr. Annika Arnold vom ZIRIUS Institut der Universität Stuttgart:
"Klimawandel ist in Deutschland auf Platz zehn gelandet und in Großbritannien auf Platz 13. Das ist also nicht ganz vorne, aber immerhin in Frankreich und Norwegen auf Platz fünf und vier. Beim Thema Klima- Skeptizismus hat uns natürlich schon etwas überrascht, der Trend- Skeptizismus, also sprich: Die Frage danach, ändert sich das Weltklima, ja oder nein? Das ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern mit 16 Prozent der Befragten am höchsten.
Und da gibt es auch signifikante Unterschiede zwischen den Ländern, das heißt: Über zufällig viele Menschen in Deutschland antworten hier Klimaskeptisch. Das ist auch ein Bild, das sich durchzieht auf den anderen Ebenen der Skeptizismus- Palette, zum einen bei der Frage nach den Ursachen des Klimawandels: Da hatten wir auch eine Antwort- Kategorie, dass die Menschen sagen konnten, dass es im Moment überhaupt keinen Klimawandel gibt. Wir waren in Deutschland auch sieben Prozent dieser Meinung. Im Vergleich dazu, in Großbritannien waren es nicht mal zwei Prozent, in Frankreich waren es ein Prozent, in Norwegen nicht mal ein Prozent."
Carel Mohn ist Projektleiter der Internetplattform "Klimafakten.de", ein Debattenportal für Klima-Themen. Mohn versucht, das Umfrageergebnis einzuordnen:
"Klimawandel ist erstmal relativ weit weg, zum einen, was die hart spürbaren Folgen betrifft. Es wird sehr viel über das schmelzende Eis auf den Gletschern oder in der Antarktis oder Arktis gesprochen. Das ist jetzt nichts, was für unseren Alltag relevant ist.
Zum anderen ist natürlich die Wirkungskette, "ich fahre mit meinem Auto fünf km und bewirke den Klimawandel", nicht unbedingt intuitiv nachvollziehbar und das, was jeder Einzelne tut, kann man sich nicht vorstellen, dass dies einen Einfluss hat auf das globale Geschehen und der einzelne Beitrag von mir ist ja auch verschwindend klein.
Trotzdem gibt es natürlich diese Zusammenhänge und da sperrt sich unser Denkapparat, das so aufzunehmen. – Da sind wir auch wirklich nicht so gut ausgestattet, was unser Gehirn betrifft, mit Statistiken, Wahrscheinlichkeiten, Unsicherheiten umzugehen."
Populismus gegen den Klimawandel
Unsicherheiten, die von populistischen Gruppierungen genutzt werden, Verschwörungstheorien zu verbreiten, dass es den Klimawandel angeblich nicht gäbe. Und dies trotz kontinuierlich zunehmender schwerer, bis schwerster Wetterereignisse, die niemand übersehen kann:
"Ich lebe in der Berliner Innenstadt oder in einem verdichteten Gebiet. Da heißt es zum Beispiel, es wird hier im Sommer möglicherweise ziemlich unerträglich heiß und dann ist das Thema schon sehr viel dichter dran, als wenn ich immer über Eisbären rede.
Vom Starkregen ist zum Beispiel das Technische Hilfswerk betroffen, ist die Feuerwehr betroffen. Die müssen dann nämlich ausrücken und pumpen. Und die beschäftigen sich damit und das sind ja Leute, die sind in allen Schichten der Bevölkerung. Die spielen in dem Gemeindeleben auf dem Land eine wichtige Rolle und wenn ich mich mit denen über Starkregen unterhalten kann, dann kann ich mich mit denen auch über Windkraft und Kohlekraft unterhalten und das ist eben dann eine gute Gelegenheit, das eine mit dem anderen zu verknüpfen."
Noch offene Fragen
Parallel zur Transparenz technischer und wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse gehört auch die Transparenz politischer Entscheidungen. Das würde Verschwörungstheoretikern die Argumente nehmen. Doch ein Aspekt, wie Verbraucher das Erneuerbare-Energie- Gesetz interpretieren – zum Beispiel – ob und wie Stromkunden ihre, trotz persönlicher Energiesparmaßnahmen spürbar höheren Kosten als notwendige Maßnahme für Klimaschutz oder als Abzocke verstehen, dieser Aspekt fehlt in der aktuellen Umfrage, würde aber noch in diesem Jahr nachgeholt, verspricht der Potsdamer Soziologe Prof. Dr. Ortwin Renn:
"Wir haben vor allem die Frage der sozialen Gerechtigkeit der Energiewende. Das ist eines der Haupt Elemente unseres Fragebogens, also: Finden die Leute es gerecht, dass die energieintensive Industrie von der Umlage befreit wird, während Konsumenten sie bezahlen müssen? Finden Sie es richtig, dass die Kosten auf den Energiepreis umgelegt werden, oder hätten Sie es lieber dass es die Steuer umgelegt wird?
Also Fragen, die alle in diese Verteilungsgerechtigkeit sich hinaus strecken, dass der eine Schwerpunkt. Der andere Schwerpunkt ist, inwieweit sie eigentlich politische Teilhabe an der Energiewende wertschätzen oder nicht, also die Fragen neuer Genossenschaften, die Frage, Teilhabe auch an Eigentum im Sinne der Energieinfrastruktur bis hin zur Frage, wie weit man auch kollektiv durch Bürgerbeteiligung eingebunden werden soll, wenn eine neue Infrastruktur in der Kommune oder der eigenen Umgebung aufgebaut werden soll. Also im Prinzip steht im Vordergrund die Frage, wie Menschen diese Energiewende für sich wahrnehmen und bewerten und natürlich auch, welche zukünftigen Maßnahmen sie gerne hätten und wie das Ganze aus ihrer Sicht gerechter wird."
Diese Antworten, so Professor Renn machten die aktuelle Studie verständlicher und transparent. Doch erst ab Herbst. Genauer, im Oktober.
Das ist nach der Bundestagswahl.