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Starkstrom statt Schießpulver

Waffentechnik. - So genannte Railguns sind Waffen, die Geschosse mit Hilfe elektromagnetischer Impulse auf immense Geschwindigkeiten beschleunigen. Theoretisch könnten derartige Projektile jede Panzerung durchschlagen. Doch bislang verhindern ungelöste technische Probleme die Realisierung der erhofften Wunderwaffe. Über den aktuellen Stand der Technologie diskutierten jetzt 200 Fachleute bei einem Symposium in Potsdam.

Von Ralf Krauter |
    Railguns gelten unter Militärstrategen als künftige Wunderwaffen. Die innovativen Elektrokanonen könnten Geschosse nämlich einmal mit nie da gewesener Reichweite und Durchschlagskraft ins Ziel feuern. Das Funktionsprinzip ist simpel: Im Geschosslauf befinden sich zwei Strom leitende Metallplatten, zwischen denen das Projektil gleitet. Um es abzufeuern, wird an die Metallschienen ein kurzer Hochspannungsimpuls angelegt. Ein elektrisch leitender Treiber hinter dem Projektil schließt den Stromkreis. Der Starkstrompuls erzeugt ein enormes Magnetfeld, das den Treiber den Lauf entlang rasen lässt und das Projektil in Sekundenbruchteilen aus der Mündung schleudert. Und zwar mit Austrittsgeschwindigkeiten von mehreren Kilometern pro Sekunde und damit deutlich schneller als alles, was sich mit Schießpulver und expandierendem Gas je erreichen lässt.

    " Um die zerstörende Wirkung eines Projektils zu vergrößern, muss man seine Masse oder seine Geschwindigkeit erhöhen. Beides steigert die Wucht beim Aufprall. Weil die kinetische Energie eines Geschosses mit dem Quadrat seiner Geschwindigkeit wächst, haben kleine Geschwindigkeitserhöhungen einen großen Effekt. Und genau das nutzen wir aus. Statt immer schwerere Kugeln zu bauen, machen wir sie einfach schneller und erhöhen so ihre kinetische Energie."

    Dr. Marilyn Freeman vom Forschungszentrum TARDEC der US-Landstreitkräfte in Detroit hat sich viel vorgenommen. Bis 2015 will sie einen funktionierenden Vorläufer einer künftigen Panzerkanone bauen, deren Projektile wegen ihrer hohen Durchschlagskraft jede Panzerung durchdringen. Doch bevor das elektrische Geschütz zum Alptraum der militärischen Gegner wird, bereitet es vor allem den Entwicklern schlaflose Nächte, denn die technologischen Herausforderungen sind groß.

    Neben der Verkleinerung der Starkstromquellen machen den Experten vor allem die Kontaktflächen zwischen Schienen und Projektil Sorge. Die Schienen bestehen typischerweise aus Kupferlegierungen, der Projektiltreiber aus beschichtetem Aluminium. Um auf ein paar Metern Beschleunigungsstrecke nennenswerte Geschossgeschwindigkeiten zu erreichen, sind Ströme von einigen Millionen Ampere nötig, die Schienen und Projektiltreiber stark erhitzen. Rapider Materialverschleiß ist die Folge - weshalb keine der seit Jahren erprobten Laborkanonen mehr als ein paar Schuss abfeuern kann, bevor sie unbrauchbar wird.

    " Das Zusammenspiel von Schiene und Projektil ist das A und O. Anfangs dachten wir: Wenn wir für beide sehr harte Metalllegierungen verwenden, verringern wir den Materialverschleiß. Aber das war ein Irrtum. Man muss also wirklich alle möglichen Materialkombinationen ausprobieren und schauen, was passiert. Am Fatalsten ist es, wenn das Projektil im Lauf den Kontakt zur Schiene verliert. Aufgrund der hohen Spannungen schlagen dann sofort Funken über, die Schienen und Projektil erhitzen, schmelzen und zerstören."

    Fortschritte bei der Materialforschung stimmen Marilyn Freeman optimistisch, dass sich solche Rohrkrepierer in Zukunft vermeiden lassen - zumindest bei der relativ kleinen 60 Millimeter-Elektrokanone, die die US-Army entwickelt.

    In der Navy-Forschungsabteilung in Washington arbeitet man bereits an größeren Kalibern. Dr. Elizabeth d'Andrea entwickelt ein Railgun, das der Marine künftig als Schiffskanone dienen könnte. Mit einer Reichweite von über 350 Kilometern soll das Geschütz um ein Vielfaches weiter schießen als heutige Schiffsartillerie - ein strategischer Vorteil bei Gefechten auf See und bei der Unterstützung entfernter Bodentruppen.

    " Das Projektil einer Elektrokanone kann gezielt genauso viel Schaden anrichten wie eine Rakete, kostet aber nur einen Bruchteil - schließlich wird der gesamte Antrieb ja wieder verwendet."

    Ein weiteres Plus: Da die Projektile keinen Sprengstoff enthalten, würden feindliche Treffer im Geschützturm nicht mehr das ganze Munitionslager in die Luft jagen. Eine erste Testversion der elektrischen Schiffskanone soll 2011 fertig und dann in der Lage sein, 100 Schüsse in rascher Folge abzufeuern.