Krähen gibt es überall auf der Welt: Diese rabenschwarzen Intelligenzbestien, die Nüsse knacken können, viel Humor besitzen und von der Verhaltensforschung sehr genau unter die Lupe genommen werden. Denn wir wissen immer noch recht wenig von diesen argwöhnisch beäugten und so klugen Mitgliedern der Ordnung Corvidae, die nicht erst seit Alfred Hitchcocks Thriller "Die Vögel" und als finstere Totenvögel verschrien sind.
Und sie flattern und zanken auch zahlreich im Park rund um das gelb gestrichene Schloss Leutstetten aus dem 16. Jahrhundert, wenige Kilometer vom nebelig eingehüllten Starnberger See entfernt. Das Wittelsbacher Schloss liegt am Stadtrand der Gemeinde Leutstetten, gleich an der Hauptstraße. Romantisch zugewachsen zwischen Bäumen, Gestrüpp und von einer Mauer umgeben, versteckt sich das Zauberschloss der Krähen und Dohlen. Hier leben Prinz Luitpold von Bayern und seine Tochter Auguste von Bayern, Nachfahren des Märchenkönigs Ludwig II.
"Mein Name ist Auguste von Bayern und ich bin Verhaltensforscherin und spezialisiert auf vergleichende Kognitionsforschung. Wir arbeiten über Intelligenz von Vögeln. Besonders interessiere ich mich für die Familie der Rabenvögel und die Ordnung der Papageien, weil das die beiden Vogeltaxa sind mit den größten Gehirnen und von denen man weiß, dass sie intelligent, sehr langlebig und auch sehr sprachbegabt sind und spannende Tiere für die Forschung."
Seit ihren Mädchenjahren auf Schloss Leutstetten - gleich beim Starnberger See um die Ecke - ist Auguste von Bayern den gefiederten schwarzen Zeitgenossen verfallen. Im Salon des Stammschlosses erinnert eine markante Rabenfigur an ihre Leidenschaft.
"Ja, das ist ein Geschenk von meinem Vater, das ist eine Nymphenburger Porzellanfigur. Die haben einen Raben gemacht und der sieht sehr realistisch, sieht auch sehr gut gemacht. Nymphenburger Porzellan macht schöne Tierfiguren."
Lebhafte, geschwätzige Krähenvögel
Prinzessin möchte sie natürlich nicht genannt werden, denn Dr. Auguste von Bayern ist promovierte Verhaltensforscherin. Thema ihrer Doktorarbeit ist im übertragenen Sinne: das Liebesleben und Verhalten der Dohlen. Dohlen sind taubengroße äußerst lebhafte, geschwätzige Krähenvögel mit grauem Hals und kecken blauen Augen. Liebe auf den ersten Blick. Und wunderbare Anschauungsobjekte.
"Die Rabenvögel: Da hatte ich immer den Traum, einen großzuziehen. Als ich mich für meine Doktorarbeit beworben habe, wo ich eigentlich nach Afrika wollte – ab ins Feld und wie Jane Goodall in der Wildnis Tiere beobachten; da habe ich von einer neuen Forschungsgruppe gehört, die gegründet wurde zum Thema Kognition von Rabenvögeln."
Im nahegelegenen Ort Seewiesen liegt das Max-Planck-Institut für Ornithologie. Hier arbeitet die Forscherin, die ungern über ihr blaues Blut plaudert und deren Herz vehement für die schwarzgefiederten Schlaumeier schlägt. Es nieselt und fröstelt etwas in Seewiesen. Von Ferne hört man schon das eine oder anderen Vogeltier rufen. Wir gehen ins Freie.
"Ziehen sie doch die Jacke an bei dem Wetter."
Draußen stapfen wir über einen mit Gras überwuchterten Kiesweg, Im Hintergrund sieht man dick verpackte Mitarbeiter mit Futterkörben hantieren. Das Heim der Krähen ist ein uriger Holz- und Drahtverschlag. Am Horizont sieht man das Licht des Starnberger Sees schimmern. Auguste von Bayern studierte und promovierte in Cambridge und stieß Jahre später zum Ornithologen und Krähenforscher Alex Kecelnik. Er experimentierte mit der neukaledonischen Krähe Betty die Fähigkeit, Werkzeuge herzustellen.
"Das sind neukaledonische Krähen. Die heißen auf Deutsch Gradschnabelkrähen. Das ist die einzige Krähenart, die von Natur aus Werkzeuge gebraucht."
Neugierige Krähen
Die Krähenforscherin hat sich einen Schal umgeschwungen und steht etwas frierend in der großzügigen Vogelvoliere. Die Krähen kommen neugierig auf den Arm geflogen und schauen ihre Krähenmama zärtlich an:
"Das ist aber toll, dass sie das aufnehmen können, es ist nämlich ganz selten, dieser Ruf. Ich interpretier das als einen territorialen Ruf - wir wissen das noch nicht genau. Von den Lautäußerungen versteht man noch fast nichts. Ihr natürlicher Lebensraum ist natürlich um einiges wärmer. In der Nacht müssen sie eingesperrt sein."
Sie wirken wie zahme Haustiere, schlank, neugierig, frech springen sie umher.
"Er ist neugierig. Und Sie haben gerade eine neukaledonischer Krähe vor dem Mikrofon."
Crusoe nähert sich dem Gast mit dem wuscheligen Mikro. Später wird er dem Eindringling eifersüchtig auf den kahlen Kopf picken.
"Das spuckt er wieder aus. Er ist sehr neugierig. Man sieht, wie gerade der Schnabel ist und die Federhärchen am Schnabel haben ein ganz starkes Tastempfinden. Wenn sie dieses Stöckchen halten und im modernden Holz nach Larven suchen, spüren die genau, wo die Larve ist und in welche Richtung sie orientiert ist. Wenn sie nämlich oben orientiert ist, kitzeln sie ganz vorsichtig und die Larve beißt sich fest und sie können sie wunderbar herausziehen. Und wenn die Larve falsch herum orientiert ist, stochern sie - das ist die einzige Chance sie zu bekommen - tief rein, um sie ganz schnell herauszuziehen. Die laufen dann aus wie ein geplatzter Luftballon. Jetzt zum Beispiel hören sie - die ganzen neukaledonischen Krähen rufen, weil da eine Rabenkrähe drüber weggeflogen ist. Das ist ein bisschen der Alarm- und Kontaktruf, den sie hier hören."
Die Prinzessin und ihre Dohlen, Krähen schauen dem Gast beruhigt hinterher. Er ist wieder weg. Auguste von Bayern, Mutter eines kleinen Prinzen, arbeitet neben ihrer Forschungsarbeit am Projekt eines bayerischen Naturkundemuseums, das auf dem Gelände des Schlosses Nymphenburg in wenigen Jahren seine Pforten öffnen soll. Natur und Umwelt und nicht nur Vogelkunde zum Anfassen. Die schwarzen Vögel allerdings nehmen den meisten Platz in der leidenschaftlichen Forscherseele der Prinzessin von Bayern ein.