"Herzlich willkommen."
Joana Breidenbach begrüßt acht Abiturienten bei betterplace, dem größten Internet-Spendenportal Deutschlands mit Sitz in Berlin-Kreuzberg. Die 52-Jährige hat vor zehn Jahren betterplace gegründet, mittlerweile hat das Sozialunternehmen 55 Mitarbeiter, nimmt jeden Monat eine Million Euro Spenden ein und reicht diese weiter an 25.000 karitative Projekte weltweit. Eine erfolgreiche Internetunternehmerin also - die Migranten, die vor ihr sitzen, nutzen die Chance, Joana Breidenbach zu befragen.
"Was erwartest Du von den demokratischen Institutionen, können die die Probleme des 21. Jahrhunderts lösen?" "Ich glaube, dass unsere Politik den Bürgern sehr sehr wenig Orientierung und eine Sicherheit gibt, weil sie die Zukunftsaufgaben nicht verstanden haben. Es sind sehr wenige, die eine Antwort geben können, die mich befriedigt."
Wie lässt sich unsere Demokratie stärken, brauchen wir überall eine Frauenquote, wie stoppt man die Vermüllung der Meere, welche soziale Verantwortung haben Unternehmen – das alles interessiert die 18- bis 20-Jährigen, deren Eltern aus der Türkei, aus Sri Lanka, aus Italien, aus Russland stammen. Nicht zuletzt wollen sie Tipps von einer erfolgreichen Unternehmerin – Joana Breidenbach rät, sich von niemandem unter Druck setzen zu lassen.
"Was ist der Sinn meines Lebens, was soll ich jetzt beruflich machen? Interesse ist wichtig, da ist ein Thema, eine Gruppe von Menschen, wo ich intuitiv einen Zugang habe. Aber man muss auch den Mut haben auszuhalten, dass man es nicht weiß."
Laptop, Büchergeld, Seminare
Aram, Ricco, Evin, Lilia und die anderen nicken. Alle sind Stipendiaten der Start-Stiftung – drei Jahre lang bis zum Abitur wurden sie umfassend unterstützt und betreut. Ein Laptop am Anfang, 100 Euro Büchergeld im Monat – und noch viel wichtiger – Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung, neue Netzwerke, Begegnungen mit charismatischen Menschen, die sie zu Hause in Duisburg-Marxloh oder Berlin-Neukölln nie kennengelernt hätten.
"Es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich kann mit Sicherheit sagen, ich hatte mich nicht so entwickelt, hätte ich nicht das Start-Stipendium", sagt Berhüdan Celik. Alle anderen ehemaligen Stipendiatinnen und Stipendiaten sehen es ähnlich.
"Start hat mich verändert, weil Start hat mir gezeigt, was ich will im Leben und dass ich erreichen kann was ich will."
"Ich war schüchterner, ich habe meine Meinung nicht so offen kundgetan wie ich es heue tue. Da hat Start einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass ich weiß was ich kann. Ich bin eine selbstbewusste junge Frau geworden, die für sich selbst sprechen kann."
Die Kurdin Elif Üstümer war bis 2015 Stipendiatin, jetzt studiert sie Jura. Ihre Eltern sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.
"Meine Mama ist Analphabetin, mein Papa auch. Allein die Tatsache, dass sie mit 17 nach Deutschland gekommen ist und ihr Leben riskiert hat, damit wir in die Schule gehen können, damit wir studieren können, das ist mein Antrieb weiterzumachen und alles rauszuholen was geht. "
Mehr Wert auf Qualität als auf Quantität
Start - eine Tochter der Hertie-Stiftung, hat bislang 2.500 Schülerinnen und Schüler mit ausländischen Wurzeln drei Jahre lang eng begleitet. Jedes Jahr werden 150 neue Stipendien vergeben. Bundesweit gesehen wenig, aber die Stiftung betont, mehr Wert auf Qualität als auf Quantität legen zu wollen. Ronald Menzel- Nazarov, Fundraiser bei Start, ist besonders stolz auf Stipendiatinnen wie Elif Üstümer.
"Beide Eltern Analphabeten, sechs Kinder zuhause, und da ist ein Mädchen, das vielleicht sonst früh verheiratet würde, und auch nicht studiert hätte und jetzt einfach ihr Leben meistert. Die ist top, die studiert Jura, die sprüht vor Energie, die ist noch lange nicht am Ende ihres Weges, die hat gerade erst angefangen. Das sind so für mich so die leuchtenden Momente, deswegen mache ich auch den Job."
Die Start-Stiftung plant nun, ihr Stipendien-Programm auszuweiten – die letzten beiden noch fehlenden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg kommen jetzt hinzu.