Feierabend in Downtown Tampa. Lässig lehnt der 22-jährige Florian Reike am Geländer der Uferpromenade und blinzelt zufrieden in die Sonne.
"Also das ist für mich einfach Lebensqualität. Ich kann hier an der Promenade mit meinem Bier rumstehen und ich brauch drei Minuten zu dem Event, wo wir gerade was aufbauen anstatt wie beispielsweise im Valley stundenlang im Stau zu stehen und sein ganzes Leben praktisch im Auto zu verbringen."
Aufgewachsen in Detmold in Nordrhein-Westfalen hat Florian Reike vor einem Jahr zusammen mit zwei Freunden eine Firma gegründet, die Blockchain-Modelle für Unternehmen anbietet. Die Advanced Blockchain AG hat an der Düsseldorfer Börse aktuell einen Wert von rund 25 Millionen Euro. Grund genug für die Unternehmer, ihr Geschäft auf den amerikanischen Markt auszuweiten. Bei der Standortsuche entschieden sie sich jedoch bewusst gegen die Technik-Hochburg Silicon Valley.
Tampa ist billiger als das Silicon Valley
"Also Tampa hat im Vergleich zum Valley für uns einige Vorteile. Zum einen ist die Mietfläche für Büro als auch für Wohnraum weitaus billiger. Außerdem ist es für uns einfacher, Talente zu finden, die dann auch billiger sind im Vergleich zum Valley und die Lage von Tampa und Florida im Allgemeinen ist natürlich super."
Einst bekannt als Rentnerstädtchen gehen Hochrechnungen der Stadt mittlerweile davon aus, dass Menschen zwischen 18 und 35 in Tampa in zwei Jahren die Hälfte der Erwerbstätigen ausmachen werden. Nicht zuletzt wegen der renommierten Universitäten in Tampa, Orlando und Miami, die Talente in die Region holen.
Hilfe bekamen die drei Jungunternehmer um Florian Reike von dem gebürtigen Hamburger Dieter Kondek. Er unterstützt Start-Ups mit seiner Firma "Rocket Lounge", indem er sie strategisch auf dem amerikanischen Markt platziert und sie mit Geschäftspartnern und Investoren in Kontakt bringt. Sein erstes Unternehmen hatte er selbst im Silicon Valley, jungen Gründern rät er inzwischen aber davon ab.
"Man muss überlegen. Der Wettbewerb im Silicon Valley ist nicht zwischen Start-Ups und Start-Ups. Der Wettbewerb im Silicon Valley ist zwischen Start-Ups und Facebook, Google, Apple, E-Bay, LinkedIn...die bauen da Hochhäuser und Parks mit tausenden von Mitarbeitern, die zahlen jedes Gehalt, die haben sieben Kantinen, Fitnesscenter...da kann ein Start-Up nicht mithalten."
Große Nummer statt kleiner Fisch
Hohe Mietpreise, viel Verkehr, das Gefühl, der kleine Fisch im großen Teich zu sein - das sind nur einige Gründe, warum Unternehmensgründer sich vom Silicon Valley abwenden. San Francisco hat im letzten Quartal vergangenen Jahres so viele Einwohner verloren wie keine andere Stadt in den USA. Das belegen Daten der Immobilienfirma RedFin. Als Alternative zum Silicon Valley hat sich Florida für viele Start-Ups als gute Wahl erwiesen. Staatlichen Statistiken zufolge ist Florida unter den Top fünf der am schnellsten wachsenden Bundesstaaten in den USA.
Der Schweizer Unternehmer Peter Dobler und die deutsche Grafikdesignerin Simone Tieber haben ihre Firmen bereits vor Jahren im "Sunshine-State" gegründet. Für sie sprechen bis heute noch ganz andere Gründe für die Region rund um Tampa.
"Jedes Geschäft im Silicon Valley ist ein Endkunden-Geschäft. Informatik für die Endkunden, Technology für die Endkunden. Tampa ist B-to-B, Geschäft zu Geschäft. Meine Firma hat keine Endkunden als Kunden, meine Kunden sind alles andere Geschäfte." "Ich glaube das wichtigste im Leben ist eine ausgewogene Balance zwischen Life and Work. Ich hab gerne die Freiheit, dass ich mich jetzt auch einfach mal in meiner Mittagspause draußen hinsetzen kann in der Sonne oder auch mal an den Strand schnell fahren."
Stadt putzt sich raus für Unternehmer
Dieses Bedürfnis nach hoher Lebensqualität beobachten Arbeitsmarktexperten schon eine Weile. Die Stadt Tampa hat in dieser Entwicklung für sich eine Chance gesehen. Bürgermeister Bob Buckhorn hat es sich zum Ziel gesetzt, die Stadt für Jungunternehmer möglichst attraktiv zu machen.
"Mir war klar, wenn wir nicht einen Ort schaffen, an dem die nächste Generation gerne sein möchte, dass wir dann zu einer Stadt dritter oder vierter Klasse werden würden. Wir haben uns also vorgenommen, unser Downtown aufzupeppen, kulturelle Vielfalt herzustellen und die Jobs der Zukunft zu kreieren - anstatt die der Vergangenheit."
Die Jobs der Zukunft schafft Florian Reike mit seiner 35-Mann starken Firma bereits. Sein Ziel ist es, mit seinen Blockchain-Technologien zum nächsten Facebook oder Google in Florida zu werden.
"Florida hat ja auch einiges an Potenzial, vielleicht wird es sich ja in Zukunft zum nächsten Silicon Valley oder so entwickeln."
Eins steht jedenfalls fest. Der 22-Jährige Detmolder wird nicht - wie er sagt - sein ganzes Leben im Stau verbringen, sondern genüsslich sein Feierabendbier in der Sonne Floridas trinken.