75. Jahrestag der Stasi-Gründung
Wie die Stasi ihre Opfer bis heute verfolgt

Das Ministerium für Staatssicherheit war die zentrale Säule der SED-Diktatur. Ein Heer von Mitarbeitern und Spitzeln überwachte und misshandelte sogenannte „Staatsfeinde“, die bis heute unter den Folgen leiden. 75 Jahre nach Gründung der Stasi sollen SED-Opfer besser entschädigt werden.

    Hinter einem Tor sind die leerstehenden Häuser des ehemaligen Stasi-Geländes zu sehen. Anlässlich des Jahrestages der "Besetzung" des ehemaligen Stasi-Geländes am 15. Januar 1990, erklärt der Historiker C. Booß den Zustand des Geländes.
    Opfer der politischen Verfolgung durch die Stasi leiden auch 75 Jahre nach der Gründung an den Folgen der Repressionen durch die SED-Diktatur. (picture alliance / dpa / Annette Riedl)
    Vor 75 Jahren wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), kurz Stasi, gegründet. Es war der offizielle Überwachungsapparat der DDR, um die politische Macht in dem sozialistischen Staat aufrechtzuerhalten. DDR-Bürger, die als politische Gegner galten, wurden über die Stasi massiv überwacht und unterdrückt. Nach Ansicht der Kritiker haben viele ehemalige Betroffene bis heute keine Entschädigung für die an ihnen verübten Repressalien durch das diktatorische Regime erhalten, das Unrecht sei nicht angemessen aufgearbeitet. Die Erhöhung der SED-Opferrente soll dem ein Stück weit Rechnung tragen.

    Inhalt

    Zu welchem Zweck wurde die Stasi gegründet?

    Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde am 8. Februar 1950 in der DDR gegründet. Die DDR wurde 40 Jahre lang von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) regiert, ohne dass sie jemals durch freie und demokratische Wahlen legitimiert war. Durch einen repressiven Sicherheitsapparat konnte die SED ihre Macht aufrechterhalten, das MfS war dafür ein zentrales Organ.
    Der sowjetische Geheimdienst war am Aufbau des MfS beteiligt. Es war innenpolitische Geheimpolizei, Ermittlungsbehörde und Auslandsnachrichtendienst in einem. Das MfS verfügte über eigene Untersuchungsgefängnisse, war militärisch organisiert und unterlag ausschließlich der Kontrolle durch die SED-Parteiführung. Es wurde nicht parlamentarisch kontrolliert und war zentralistisch aufgebaut. Bürger, die von der SED-Norm abwichen oder den Sozialismus ablehnten, wurden von der Stasi als Staatsfeinde verfolgt.

    Wie unterdrückte die Stasi politische Gegner der DDR mit der Zersetzung?

    Bis zu 300.000 Menschen wurden wissenschaftlichen Aufzeichnungen zufolge in der DDR politisch verfolgt. Wer als Andersdenkender ins Visier der Stasi geriet, wurde ausspioniert, eingeschüchtert und unter Haft physisch oder psychisch misshandelt. Um die sogenannten „Feinde des Sozialismus“ auszuschalten, drang die Stasi systematisch in berufliche und private Lebensbereiche von Betroffenen vor.
    Die als „Zersetzung“ bezeichnete Methode des MfS sah vor, vermeintliche oder tatsächliche politische Gegner des Regimes psychologisch zu unterdrücken. Das MfS setzte dafür sogenannte Inoffizielle Mitarbeiter (IM) ein. Das waren Personen, die engagiert wurden, um verdeckt Informationen über verdächtigte politische Gegner zu sammeln. Manchmal kamen diese IM aus dem nahestehenden Umfeld der Betroffenen. Die IM wandten manipulierende Methoden an, um das Selbstwertgefühl der Verdächtigten zu untergraben. So sollten politisch Andersdenkende destabilisiert werden und von ihrem „staatsfeindlichen Treiben" abgebracht werden.
    Betroffene berichten davon, dass ihre beruflichen Karrieren sabotiert wurden, dass Kollegen und Freunde als Spitzel auf sie angesetzt waren und ihr Privat- und Familienleben ständig beobachtet wurde. Der Filmregisseur Karl Lotz etwa konnte fünf Jahre lang seinen Beruf nicht ausüben, weil wichtige Kontakte nicht mit ihm sprechen wollten. „Ich bin fast verrückt geworden, weil in dem Beruf keine Kontakte zu haben, ist ja tödlich“, sagt Lotz.

    Was passierte beim Sturm auf die Stasi-Zentrale vor 35 Jahren?

    DDR-Bürger stürmten am 15. Januar 1990 die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin, um die Vernichtung von Geheimdienstakten zu verhindern. Nach dem Mauerfall am 9. November 1989 begannen Stasi-Mitarbeitende damit, Akten zu vernichten, um ihre Taten zu verschleiern und Inoffizielle Mitarbeitende vor der Enttarnung zu schützen. Bereits im Dezember 1989 besetzten DDR-Bürger Stasi-Niederlassungen in Städten wie Erfurt oder Leipzig.
    Trotz der Proteste setzte die Stasi-Zentrale in Berlin ihre Arbeit fort - bis tausende Demonstranten am 15. Januar 1990 diese stürmten und besetzten. Damit wurde das Ende der Geheimpolizei eingeleitet. Durch den Sturm auf die Stasi-Zentrale konnten viele Akten gesichert werden, die bis heute als Beweis für ihre Verbrechen verwendet werden. Die Stürmung der Stasi-Zentrale gilt als Höhepunkt der Friedlichen Revolution, die zum Ende des totalitär geführten DDR-Regimes geführt hat.
    Das Gelände der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg ist heute Hauptstandort des Stasi-Unterlagen-Archivs und zugleich ein Museum. Ehemals politisch Verfolgte der DDR können bis heute Einsicht in ihre Akten beantragen. Seit Ende der 1990er-Jahre sind rund 7,5 Millionen Anträge gestellt worden. Allein im Jahr 2024 sind im Bundesarchiv, das die Stasi-Akten verantwortet, rund 30.000 Anträge eingegangen.

    Wie wirken die Folgen der Zersetzung auf Betroffene bis heute nach?

    Auch heute noch leiden ehemals politisch Verfolgte der SED-Diktatur unter den Folgen von der Zersetzung durch die Stasi. Die Betroffenen wünschen sich Entschädigung für das Unrecht, das ihnen widerfahren ist.
    Ein Teil der Betroffenen leidet an traumatischen Folgestörungen, depressiven Störungen oder Angsterkrankungen. Zudem leben viele Opfer von politischer Verfolgung in der DDR heute an der Grenze zur Armutsgefährdung. Der Regisseur Karl Lotz , der sein Diplom an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg gemacht hatte, durfte fünf Jahre lang seinen Beruf nicht ausüben und wurde bei halbiertem Gehalt als Hilfskraft eingesetzt. Das wirkt sich heute auf seine Rente aus.
    Seit 2019 können Stasi-Opfer eine einmalige Entschädigungszahlung von 1500 Euro beantragen. Das Verfahren erfordert jedoch einen Antrag auf eine sogenannte Verwaltungsreha mit medizinischen Gutachten, in dem Betroffene ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Zusammenhang mit den Repressalien durch die Stasi nachweisen müssen. Nach so langer Zeit ist dies jedoch oft nicht möglich, sodass ein Großteil der Anträge abgelehnt wird, wie beispielsweise der Antrag von Karl Lotz. Betroffene kritisieren zudem, dass die Entschädigungssumme zu niedrig ist.

    Was verbessert sich durch die Erhöhung der SED-Opferrente?

    Die SED-Opferbeauftragte der Bundesregierung, Evelyn Zupke, kämpft seit langem dafür, dass sich das Verfahren zur Anerkennung der Entschädigung für Betroffene vereinfacht. Sie hat sich für die Einführung der Vermutungsregelung eingesetzt: Demnach können Betroffene bei Vorliegen von Nachweisen von Krankheitsbildern wie Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörung als SED-Opfer leichter anerkannt und entschädigt werden.
    Kurz vor dem 75. Jahrestag der Gründung der Stasi ist dies nun gelungen: Der Bundestag hat am 31. Januar 2025 finanziellen Verbesserungen für Verfolgte des SED-Regimes zugestimmt. Der Beschluss sieht eine Erhöhung von Opferrenten und Ausgleichsleistungen vor. Die von Zupke vorgeschlagene Vermutungsregelung wurde aufgenommen und Betroffene müssen die Ursache ihrer Schädigungen bei Entschädigungszahlungen nicht mehr nachweisen.
    Das Gesetz kommt der Forderung von Opferverbänden nach und auch die SED-Opferbeauftragte Zupke sprach von „spürbaren Verbesserungen“, die den Betroffenen ganz konkret im Alltag helfen würden.

    tan